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topplus Bauernverbandsstudie

Hat der Landwirt als Ernährer ausgedient?

Der Psychologe Jens Lönneker hat im Auftrag von DBV und WLV untersucht, wie die Corona-Krise die gesellschaftliche Wahrnehmung der Landwirtschaft verändert hat. Hier die Ergebnisse.

Lesezeit: 6 Minuten

Der Landwirt von gestern war Ernährer und Versorger. Der Landwirt von morgen ist hingegen nicht nur Lebensmittelproduzent, sondern sollte vor allem Gestalter einer zukunftsorientierten Landwirtschaft sein. Wenn es der Landwirtschaft gelinge, dieses Bild in der Öffentlichkeit zu vermitteln, ließen sich die anhaltenden Spannungen zwischen der Landwirtschaft und den Verbrauchern abbauen. Das zumindest geht aus einer Studie des Kölner Psychologen Jens Lönneker und der Forschungsagentur „rheingold salon“ hervor. Lönneker soll im Auftrag des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes und des Deutschen Bauerverbandes analysieren, ob die Corona-Krise die gesellschaftliche Wahrnehmung der Landwirtschaft verändert hat und ob sich daraus Chancen für die Landwirtschaft ergeben.

Parallelwelten: Bürger und Landwirtschaft

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Die Ergebnisse zeigen, dass sich Verbraucher und Landwirte gegenseitig ein rückständiges, falsches Bild der Landwirtschaft vorwerfen. Die Landwirte beklagen die von Verbrauchern geforderte Bullerbü-Idylle und die gleichzeitig geringe Zahlungsbereitschaft für Lebensmittel. Verbraucher und Politik verurteilen hingegen die vermeintlich nicht nachhaltige Produktion in der Landwirtschaft und fordern einen radikalen Wandel. Diesen, für beide Seiten bequemen, Kreislauf der gegenseitigen Beschuldigungen gelte es zu durchbrechen. „Das kann durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit gelingen“, so Studienleiter Lönneker. Kern der Öffentlichkeitsarbeit müsse sein, eine zukunftsorientierte Landwirtschaft zu vermitteln. Immerhin wünschen sich laut Studie 63 % der Bürger und 64 % der befragten Landwirte eine zukunftsorientierte Landwirtschaft. Nachhaltige Zukunftskonzepte für die Landwirtschaft erreichen Zustimmungswerte von 80 % und mehr. Zwar sehen sich Landwirte gerne in der Position des Ernährers und Versorgers, Verbraucher fühlen sich dadurch jedoch immer weniger angesprochen. „Der Aspekt der Versorgungssicherheit spielt eine untergeordnete Rolle“, sagt Lönneker. Über weitere Erkenntnisse der Studie sprach top agrar mit Jens Lönneker:

Herr Lönneker, Ihre Studie hat zum Ergebnis, dass das klassische Bild des Landwirts als Ernährer und Versorger ausgedient hat. Woran machen Sie das fest?

Lönneker:Nach dem zweiten Weltkrieg waren Wohlstandswachstum und Versorgungssicherheit zentrale gesellschaftliche Themen Der gesellschaftliche Trend der letzten Jahre ist hingegen das Thema der Achtsamkeit. Die Bürger interessieren sich vielmehr dafür, wie wir mit unserer Umwelt, mit Böden und begrenzten Ressourcen umgehen.



Ein Teil der Gesellschaft sorgt sich darum, dass der Mensch seine ökologischen Lebensgrundlagen stark gefährdet. Das drückt sich politisch in den starken Zugewinnen der Grünen aus. Auf der anderen Seite gibt es Stimmen, die sich zunehmend skeptisch zu Themen wie Globalisierung oder Zuwanderung äußern. Hier besteht oft die Sorge, dass kulturelle Identität verloren geht. Politisch driften die Anhänger dieser Strömung eher nach rechts. Beide Gruppen verbindet, dass sie stark an einer prosperierenden regionalen Landwirtschaft mit Zukunft und Perspektiven interessiert sind. Die Fragen nach Versorgungssicherheit rücken dadurch in den Hintergrund, da die Deutschen diese als gegeben annehmen.

Warum sehen sich viele Landwirte so gerne in diesem Bild?

Lönneker: Unsere Studie hat gezeigt, dass sich Landwirte und Verbraucher vorwiegend in Parallelwelten bewegen. Den Bauern ist aber durchaus bewusst, dass das Bild des Ernährers und Versorgers nicht mehr so viel Begeisterung erzeugt, wie das früher der Fall war. Die Landwirte und ihre Interessenvertretung haben die Erzählung des Versorgers und Ernährers wie ein Credo etabliert. An diesem Credo wird auch aus Solidarität untereinander nicht gerüttelt.

Sie haben im Rahmen der Studie einige Landwirte interviewt und die Studie bereits Landwirten vorgestellt. Welches Feedback bekommen Sie?

Lönneker:Die meisten Landwirte, mit denen wir gesprochen haben, möchten ihre Arbeit im Einvernehmen mit der Gesellschaft tun. Ihnen fehlt aber die gesellschaftliche Wertschätzung ihrer Arbeit. Dabei ist die tiefergehende Frage, wie sich der Platz der Landwirtschaft in der öffentlichen Meinungsbildung verbessern kann. Landwirte sind hier alles andere als naiv und erkennen auch Defizite in der Öffentlichkeitsarbeit. Landwirtschaftliche Öffentlichkeitsarbeit war in der Vergangenheit von der Frage geleitet, wie man das Bild der Ernährer und Versorger am besten vermittelt. Unsere Studie hat jedoch gezeigt, dass es eben nicht das ‚Wie?‘ sondern das Thema an sich ist, das zu hinterfragen ist.

Laut der Studie bewegen sich Bürger und Landwirte in verschiedenen Lebenswelten, Sie sprechen sogar von Parallelwelten. Wie können geeignete Brücken zwischen den Gesellschaftsgruppen gebaut werden?

Lönneker:Die Lebens- und Arbeitswelten von Landwirten und Nicht-Landwirten werden immer stärker getrennt. Landwirte bilden gerademal 2 % der Gesellschaft, in den Dörfern ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe massiv gesunken. Wenn es Berührungspunkte gibt, in Vereinen oder der Kirchengemeinde, wird kaum über die Landwirtschaft geredet. Landwirtschaftliche Thematiken werden von Landwirten häufig nur unter Berufskollegen diskutiert. Man bleibt ein Stück weit unter sich und eine Parallelwelt etabliert sich. Es braucht also mehr Kontakte zwischen Landwirten und Gesellschaft, aber eben auch eine gemeinsame Themenbasis, die für beide Parteien interessant ist. Unsere Studie legt Konzepte dazu vor.

Es braucht mehr Kontakte zwischen Landwirten und Gesellschaft, aber eben auch eine gemeinsame Themenbasis, die für beide Parteien interessant ist."

In der Studie empfehlen Sie Landwirten „Zukunftsbauer“ zu werden. Können Sie diese gesellschaftliche Perspektive konkretisieren?

Lönneker:Mit der Studie möchten wir den Landwirten keinen detaillierten Maßnahmenkatalog an die Hand geben. Für die Entwicklung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft sind sie selbst die kompetentesten Fachleute.Wir haben jedoch festgestellt, dassLandwirte und Verbraucher sich in der Tatsache einig sind, dass es Veränderung in der Landwirtschaft braucht. Menschen finden Zukunftskonzepte rund um Landwirtschaft und Ernährung spannend und Medien greifen diese gerne auf. Oftmals haben Landwirte und Unternehmen bereits konkrete Ideen oder Konzepte in der Schublade.

Sehen Landwirte und Verbraucher in einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Landwirtschaft nicht auch zweierlei? Beispielsweise beim Thema der neuen Züchtungsmethoden?

Lönneker:Ich warne ausdrücklich davor, das Thema Zukunft der Landwirtschaft sofort zu ideologisieren. Der offene, wertungsfreie Diskurs sollte im Vordergrund stehen. Ich stelle mir einen Diskurs ganz unterschiedlicher Ideen vor, die zeigen, dass es intelligente Lösungen für die Zukunft der Landwirtschaft gibt. In der Studie fanden z.B. Züchtungen hohe Akzeptanz, die speziell für ertragsarme Böden entwickelt wurden oder auch der Einsatz von Wärmebildkameras um Tiere bei der Ernte zu schützen. Die Bewertung solcher Konzepte sollte anschließend im politischen Umfeld geführt werden.

Zwischen Landwirt und Verbrauchern braucht es Berührungspunkte, dann entsteht eine Faszination. Die Landwirtschaft ist sehr gut durchorganisiert – lokal und national. Diese Strukturen kann man nutzen, ohne riesige Summen für Werbung ausgeben zu müssen. Aber auch für Einrichtungen wie das „Forum Moderne Landwirtschaft“ kann das Thema „Zukunftsbauer“ spannend sein.

Wie geht es nun mit der Studie weiter? Was sind die nächsten Schritte?

Lönneker:In der zweiten Phase der Studie sollen konkretere Themenfelder rund um die Zukunft der Landwirtschaft herausgearbeitet werden. Diese werden aus Verbrauchersicht priorisiert, um für Landwirte die gesellschaftliche Bedeutung einzelner Themen darzustellen. Wie diese Themenfelder aus der Landwirtschaft bespielt werden, ist dann ein weiterer Schritt.

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