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Mikroalgen als regionales „Superfood“

Familie Cordes aus Niedersachsen veredelt Mikroalgen zu regionalem „Superfood“. Von der Petrischale bis zur Sterneküche haben es ihr die grünen Einzeller angetan. Und die haben Ansprüche!

Lesezeit: 5 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin f3 - farm.food.future erschienen.

Sie heißen „Chlorella“ und „Spirulina“. Sie können im Alltag durchaus divenhaft sein. Doch sie erreichen Wachstumsraten, von denen andere landwirtschaftliche Kulturen nur träumen können. Die Rede ist von den Mikroalgen „Chlorella vulgaris“ und „Spirulina platensis“, die Cathleen Cordes ihren Besuchern als grüne Zellmasse in der Petrischale präsentiert, und die anschließend in einem System aus Schläuchen und Vermehrungsbecken zu ansehnlicher Größe reifen.

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Algen als Alleskönner

Seit rund 20 Jahren wachsen auf dem Betrieb der Familie in der Gemeinde Langförden im Landkreis Vechta keine Schweine oder Rinder, sondern grüne Einzeller. Senior Rudolf Cordes (66), eine Art Daniel Düsentrieb des Gartenbaus, hat die Produktion der Mikroalgen in unzähligen Versuchen optimiert und die notwendige Technik entwickelt. Anfangs belächelt, haben seine Systeme für die Kultivierung der Chlorella-Alge inzwischen Standards in dem noch kaum erschlossenen Markt gesetzt. Er ist gemeinsam mit seiner Tochter Caroline Cordes (32), die als Gartenbauingenieurin den Betrieb der Familie weiterführt, für die Produktion zuständig.

Die Küche der Zukunft?

Gerade die Süßwasseralge Chlorella liegt derzeit als „Superfood“ im Trend. Sie besteht bis zu 60 % aus hochwertigem Eiweiß, enthält alle essenziellen Aminosäuren, ist Quelle für pflanzliches Vitamin B12 und Eisen sowie reich an Omega-3-Fettsäuren. Ihr Geschmack erinnert an grünen Tee. Mit gerade einmal 0,004 mm Größe sind die Einzeller nur unter dem Mikroskop als kugelförmige Algen erkennbar. Sie gehören zu den ältesten Organismen der Welt.

Cathleen Cordes ist überzeugt, dass bis 2030 jeder Deutsche Algen isst und vermarktet bereits erfolgreich Algen-Öl und Algen-Perlen (Konsistenz wie Kaviar) an Feinschmecker und ambitionierte Hobbyköche. Begleitet von TV-Berichten und Kochevents mit Fernsehköchen entwickeln sich die Umsätze gut. Die Rezeptvorschläge reichen vom Algen-Latte und Algen-Smoothie bis zur Algen-Tagliatelle mit Garnelen.

Seit 2014 produziert Familie Cordes die Chlorella-Algen nun auch für die Lebensmittelherstellung. Die Bio-Zertifizierung erfolgte im Oktober 2015. Seitdem rühmen sich die Vechtaraner damit, die Chlorella als erste europäische Bio-Alge kultiviert zu haben.

Wie die Algen wachsen

Algen benötigen zum Wachstum nur Kohlenstoffdioxid aus der Luft, Sonnenlicht, Nährstoffe und Wasser. Um die Einzeller zu kultivieren, vermehren Familie Cordes und ihre sechs Mitarbeiter zunächst kleine Mengen im Labor. Ist genug Vorkultur aufgezogen, kommen die Algen von der Petri­schale und dem Erlenmeyerkolben in ein Gewächshaus, wo sie in Folienschläuchen weiterwachsen. Die Folien bestehen aus einem 3-Schicht-System und sind lebensmittelecht. Jeweils 144 Schläuche bilden ein Modul mit 5.000 l Fassungsvermögen.

Die Chlorella-Algen teilen sich bei optimalen Bedingungen täglich. Nach knapp zwei Wochen kann die Familie dadurch rund 1000 l Starterkultur entnehmen und mit der eigentlichen Massenproduktion beginnen. Dann wachsen die Einzeller in flachen Becken mit bis zu 15.000 l Fassungsvermögen zu stattlicher Größe. Für den Schutz vor Fressfeinden wie Pantoffeltierchen und Fremdalgen sorgen das Gewächshaus und diverse Fließabdeckungen. Ein Lüfter in den Becken regelt die ausreichende Zufuhr von Luft und CO2 .

Tägliche Ernte

Sobald die Becken voll mit frischen Algen sind, steht die kontinuierliche Ernte an, damit neue nachwachsen können. Dafür separieren die Algen-Pioniere eine feste Algenpaste, die knapp 20 % Wasser enthält, und lassen diese kontrolliert bei niedrigen Temperaturen trocknen. Anschließend vermahlen sie das Rohprodukt zu Pulver. Der Produktionszyklus erstreckt sich über zehn Monate mit einer zweimonatigen Pause im Winter.

Um die Produktion weiter zu steigern, arbeitet Familie Cordes inzwischen mit Landwirten aus der Region zusammen. Ähnlich wie bei der Kooperation zwischen Sauenhalter und Schweine­mäster beliefert die Familie die Betriebe mit Jungalgen, die in Vermehrungsbecken auf den Höfen in die „Endmast gehen“.

Derzeit haben zwei Landwirte aus der Region in den neuen Betriebszweig investiert, vier weitere haben eine Bauvoranfrage für den Bau einer Anlage gestellt. Schon bald soll die Algenproduktion im größeren Umfang in Form einer eigenen Genossenschaft starten. Neben den Jung­algen, Beratung und der nötigen Produktionstechnik erhalten die Betriebe auch eine Abnahmegarantie für ihre produzierten Einzeller.

Partner gesucht

Als Algen-Produzenten eignen sich vor allem Biogasanlagen-Betreiber, da sich die Wärme gut nutzen lässt und außerdem Technik und Know-how in Teilen vergleichbar sind. Herausforderungen beinhaltet der neue Produktionszweig dennoch reichlich: Algen reagieren sehr empfindlich, sobald Elemente wie Man­gan oder Eisen fehlen. Da der Lebensraum Wasser anders als der Boden keinen Puffer bietet, kann eine Kultur schnell kippen. Krankheiten, Bakterien, Pilze und vor allem andere, unerwünschte Algen erfordern eine strikte Hygiene.

Ein klarer Vorteil ist, dass es für die Herstellung keine besonderen Genehmigungshürden gibt. In der Praxis hat sich die Nutzung von Gewächshäusern für die Vermehrungsbecken bewährt. Und diese sind bei landwirtschaftlicher Nutzung bis zu einer Höhe von 4 m genehmigungsfrei. Pro Hektar Gewächshausfläche lassen sich rund 25 t Algen Trockenmasse pro Jahr

erzeugen. Die Kooperationspartner sind mit jeweils einem Viertel ha, also rund 2.500 m2, in die Produktion eingestiegen. Bislang danken es die „grünen Diven“ „Chlorella“ und „Spirulina“.

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Algen, das nächste große Ding?

Viele Algen-Produzenten zielen auf die Nahrungsmittel-, Kosmetik- und Pharma-Industrie ab. Die Preise schwanken von 10 €/kg Trockenmasse für Massenprodukte aus Asien bis hin zu mehreren Hundert Euro je kg für seltene Algensorten und besondere Qualitäten. Die Inhaltsstoffe und Lebensräume der verschiedenen Sorten sind grundverschieden.

Die „Trägermedien“ für die Mikro­algen-Produktion reichen von Süß- und Salzwasser bis hin zu Gärresten oder der Abwasserreinigung. Während einige Produzenten in den USA auf Massenerträge für Biokraftstoffe oder Futtermittel setzen, schielen andere auf wertvolle Inhaltsstoffe wie etwa „Q-10“ für Hautcremes oder wichtige Omega-3-Fettsäuren (z. B. EPA, DHA) für die Ernährung. Viele der Einzeller sind noch weitgehend unerforscht, die meisten Sorten noch nicht einmal kultiviert.

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