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FBN

MV: Leibniz‐Gemeinschaft streicht Förderung für Dummerstorfer Institut

Das Leibnitz Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf erhält keine Förderung mehr, da die Forschung nicht überzeugt habe. Die Mitarbeiter fürchten nun um den Erhalt der Einrichtung.

Lesezeit: 7 Minuten

Der Senat der Leibniz‐Gemeinschaft hat empfohlen, dem Leibnitz Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf die Förderung zu streichen. Wie das Institut mitteilt, habe das Konzept der Nutztierforschung für mehr Tiergerechtheit und die nachhaltige Integration von Nutztieren in eine zukunftsfähige Landnutzung offenbar nicht überzeugt.

Gemeinsam mit Ministerien des Bundes und des Landes Mecklenburg‐Vorpommern wollen die Forscher nun nach Lösungen suchen, um die über Jahrzehnte am Forschungsstandort Dummerstorf gewachsene wissenschaftliche Expertise auf dem Gebiet der Nutztierbiologie zu bewahren.

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In Dummerstorf beschäftigt das Institut 300 Mitarbeiter. Es betreibt nach eigener Aussage national und international anerkannte Forschung über die gesamte Breite der Nutztierbiologie. Die moderne Nutztierforschung des FBN leiste einen unverzichtbaren Beitrag zur faktenbasierten Entscheidungsfindung, heißt es in einer Pressemitteilung weiter. Darum erforsche das Haus mit disziplinärer Tiefe und interdisziplinärer Breite die biologischen Grundlagen von Nutztieren in ihrer Umwelt. Die Forschung erstreckte sich bislang vom Genom über die Ernährung und die Reproduktion bis zum Verhalten und beantworte Fragen von der Züchtung bis hin zum Tierwohl.

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Minister schaltet sich ein

Mit Unverständnis nimmt Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Dr. Till Backhaus die Entscheidung zur Kenntnis: „Das FBN steht für Agrarspitzenforschung in Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland und Europa. An diesem Anspruch halten wir fest. Nach der Leitungsübernahme durch Prof. Wimmers 2016 ein Erneuerungsprozess in Gang gebracht worden, der viele positive Ergebnisse hervorgebracht hat. Leider sind diese zum Teil nicht mehr in den Bewertungszeitrum 2015 – 2017 gefallen und haben damit keine Berücksichtigung erfahren. So ist die Einwerbung von Drittmitteln in den Jahren 2017 und 2018 gesteigert worden. Auch die Anzahl an Publikationen in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen konnte erhöht werden. Seit 2016 wurden 8 Patente eingereicht. Es enttäuscht mich maßlos, dass das FBN ausgerechnet in dieser Phase so einen herben Rückschlag einstecken muss“, sagte Backhaus.

Der Minister versprach den Mitarbeitern des Instituts den Rücken zu stärken. „Ich verstehe und akzeptiere, dass die Leibniz-Gemeinschaft den Anspruch hat, dass in ihren Mitgliedsinstituten herausragende Forschung betrieben wird. Das ist angesichts der Finanzmittel, die von Bund und Ländern für diese Forschung bereitgestellt werden, berechtigt und notwendig. Evaluierungen zur Bewertung der wissenschaftlichen Leistung sind für die Weiterentwicklung der Institute und zum Erhalt des hohen wissenschaftlichen Standards essentiell. Dennoch werbe ich eindringlich dafür, aus den Ergebnissen der Evaluierung eine andere Schlussfolgerung zu ziehen“, so der Minister.

Sein Ministerium wolle sich dafür einsetzen, dass das FBN ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft bleibt.

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Forschung vorbei an der Praxis

Gastkommentar von Prof. Dr. habil Wilfried Brade, Norddeutsches Tierzuchtberatungsbüro:

"Das traditionsreiche Forschungsinstitut für Nutztierbiologie in Dummerstorf (FBN) soll künftig nicht mehr durch eine zugehörige gemeinsame Förderung durch Bund und Land finanziert werden. Es wird deshalb aber noch keiner in Dummerstorf entlassen, denn es werden erst noch weitere drei Jahre durch den Steuerzahler finanziert. Aber trotzdem: eine erste bahnweisende Entscheidung in der deutschen Agrarforschung. (...)

Laut dem Senat der Leibniz-Gesellschaft „fehlt dem Institut in Dummerstorf ein Konzept, um die notwendige Dynamik für wissenschaftlich innovative Ergebnisse zu erzeugen“. Dem kann man nur zustimmen!

Es fehlt meines Erachtens vor allem aber an einem gerüttelten Maß an Praxisbezug bei vielen Führungskräften des FBN, die zwar hochqualifiziert sind (promovierte Biologen, Physiker, Chemiker, Mathematiker, Informatiker, Tierärzte, Ökotrophologen etc.) aber vorrangig isoliert in ihren ‚Forscherstübchen‘ wenig anwendungsorientiert arbeiten. Allerdings muss hier korrekterweise auch gesagt werden: in der Leibniz-Gesellschaft ist es nicht das Ziel, lösungsorientiert zu arbeiten. Sie charakterisiert sich selbst als ‚erkenntnisorientiert arbeitend‘ (Zitat).

Entscheidend in der Forschungszielsetzung der Leibniz-Gesellschaft ist somit auch nicht der praxisorientierte Lösungsansatz sondern die Erstellung von möglichst ‚viel Papier‘ (= sogenannte ‚Paper‘) publiziert in ‚Nature‘ und anderen Grundlagen-orientierten Fachblättern; also in landwirtschaftlich fernen Fach-Journalen ausschließlich in englischer Sprache.

Doch das ist eigentlich nicht das, was aktuell der tierhaltende Landwirt in Deutschland benötigt oder dem deutschen Steuerzahler aktuell zu Gute kommt. Fragt man nach den Forschungsleistungen des FBN Dummerstorf, die in den letzten 15 Jahren zur Praxiseinführung in der Nutztierhaltung gelangten, so findet man folglich auch nur sehr sehr wenig.

Auch ist die Frage weiter berechtigt: Wo sind die Stellungnahmen der FBN-Wissenschaftler zu aktuellen Problemen in der deutschen Tierhaltung? Kurz: es gibt keine einzige Aussage zu den zahlreichen, aktuell diskutierten Tierhaltungsproblemen in der Praxis seitens des FBN (z.B. zum Schwanzkopieren beim Schwein, zur Ferkelkastration, zur aktuellen Sauenhaltung oder zum „Magdeburger Urteil“, zum Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung, zur Güllebehandlung und -lagerung, zur Nitratbelastung durch die Güllewirtschaft, zur Haltung von Milchkühen, zum Transport von Schlachttieren, zur Gesundheit unserer Tierbestände etc.!

Schaut man sich die Mitglieder des Kuratoriums des FBN (= ein Gremium für die interne Forschungsbewertung für das FBN oder andere Institute), so findet man keinen einzigen praktischen Tierhalter in diesem Gremium. Man vermisst auch Vertreter aus dem Bauernverband in MV (oder anderen Regionen) oder Vertreter aus der praktischen Wirtschaft (z.B. fleischverarbeitendes Gewerbe etc). Schade!

Als Geschäftsführer einer tierzüchterischen Beratungsorganisation verfolge ich seit Jahren sehr aufmerksam die realisierten Forschungsergebnisse in Dummerstorf oder Potsdam-Bornim oder….oder .., damit ich meinen Kunden in der Beratung schnell neueste Lösungen anbieten kann. Doch es kam (besser: kommt) auffallend wenig an praxisorientierten Lösungen aus dem FBN (oder anderen Leibniz-Instituten); außer viel Papier.

Noch ein kleines weiteres Beispiel: Das FBN hat im letzten Jahr ein Symposium zur Digitalisierung in der Landwirtschaft (konkret: Tierhaltung) organisiert. Erwartungsvoll war ich dort. Leider beschäftigt sich im FBN überhaupt keiner der zahlreichen FBN-Arbeitsgruppen schwerpunktmäßig mit der Digitalisierung in der Tierhaltung. Warum nicht? Genügend Wissenschaftler sind vor Ort vorhanden!

Der Beschluss des Senats der Leibniz-Gesellschft beinhaltet meines Erachtens eine gute Chance für einen völligen Neubeginn in Dummerstorf bezüglich einer nutztierbezogenen Forschung. Hier bleibt einiges zu hinterfragen (Größe, Struktur, Schwerpunktsetzung, künftige Formulierung neuer Forschungsthemen, Controlling, Praxisbezug etc.) Und: das ist gut so!

Beispielsweise wird seit Jahren ein TÜV für die objektive Bewertung von Tierhaltungssysteme bundesweit seitens der Hersteller, Tierhalter oder Agrar-Politiker gefordert. Dieser TÜV (notwendigerweise tierartenspezifisch organisiert) könnte zusätzlich zur Aufklärung der Verbraucher und/oder zur Positionierung der Nutztierhalter gegenüber zahlreicher selbstherrlicher NGOs oder selbsternannter Tierschützer dienen.

Rinder, Schweine, Geflügel, Fische, Ziegen, Mäuse etc. werden seit Jahren in Dummerstorf gehalten. Sogar eine Fliegenhaltung wurde kürzlich etabliert.

Fehlend ist auch eine bundesweite Einrichtung, die eine höhere Wertschöpfung speziell von Lebensmitteln tierischer Herkunft - in der Stufe einer Prozessbearbeitung unmittelbar nach der Stufe der Erzeugung - im Interesse der Erzeuger erlaubt (= Erarbeitung regionaler Marken etc.). kurz: Themen über Themen, die gleichzeitig eine größere Praxisnähe in Dummerstorf künftig sicherstellen würde.

Wie schrieb Hermann Hesse in ‚Stufen‘:….Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen…“

Es muss endlich einen „Ruck“ in der deutschen Agrarforschung geben, will man die Lethargie vieler hochbezahlter Wissenschaftler in ihren Inseln der „Glückseligkeit“ (= den steuerfinanzierten deutschen Agrarforschungsinstituten des Bundes und der Länder) beenden. Die landwirtschaftliche Praxis benötigt vor allem lösungsorientierte Forschungsansätze. Die sogenannten ‚Exzellenzcluster‘ gehören berechtigterweise demgegenüber in die grundlagenorientierten Forschungsgemeinschaften (Max-Plack, Helmholtz, Leibniz etc.) bzw. an die Universitäten!

Dummerstorf sollte ein erster Anfang sein, die Effizienz der deutschen Agrarforschung endlich einmal ehrlich zu hinterfragen. Die tierhaltenden Landwirte brauchen eine permanente Begleitung ihrer Produktion, um weitere Problemlösungs- oder erforderliche Veränderungsprozesse anzustoßen Die kürzliche Schließung des letzten großen Schlachthofes in MV (= da die Schweinehaltung hier stark rückläufig ist) oder die jüngsten Schließungen von Molkereien in MV (= da die Milchviehhaltung zusätzlich stark rückläufig ist) sind warnende Signale für alle Regionen mit vorrangig ackerbaufähigen Standorten!

Der Erhalt einer tierbezogenen Forschung in Dummerstorf (MV) mit engem Praxisbezug macht Sinn!

Das Gleiche gilt übrigens für die Beantwortung der Frage nach der Notwendigkeit der hohen Zahl an weiteren berufsständischen Organisationen oder ähnlich gerichteter Aktivitäten von DLG, DGfZ, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter, BRS, ZDG etc. etc. etc.

Die nachweislich vorhandene Entfremdung der Agrarforschung von der Praxis im FBN Dummerstorf und anderswo bedarf längst einer Beendigung!"

Hinweis der Redaktion: Gastkommentare geben nicht in allen Bereichen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie dann, wenn wir sie für einen interessanten Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft halten.

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