Fernab der Heimat und mit neuen Bekanntschaften lassen sich oft die besten Ideen für die eigene Zukunft sammeln. Zwischen Heimpflanzen, Technik und Tieren diskutierten Junglandwirtinnen und Junglandwirte aus ganz Deutschland und erfahrene Unternehmer gemeinsam über die mögliche Zukunft der Landwirtschaft. Klar wird: Diese kann ganz unterschiedlich aussehen. Ein Reisebericht.
Autonom Ackern
Gestartet in Münster führt uns der erste Stopp knapp hinter der Grenze zu dem Start-up AgXeed in Grubbenvorst. Das junge Unternehmen stellt automatisch fahrende Feldroboter her. Mit der Gründung im Jahr 2018 wollte das Team um Joris Hiddema, Lars Schmitz, Sander Pop und Riek Landstra Problemen, wie dem Arbeitskräftemangel und Bodenverdichtung entgegnen.
Der erste Prototyp rollte 2020 vom Band und die erste Auslieferung an einen Endkunden erfolgte 2022. Weltweit sind bisher 85 Maschinen in Betrieb.
Es gibt drei verschiedene Robotertypen. Eine Ketten-Variante, eine Vierrad-Variante und eine mit drei Rädern, die hauptsächlich für den Weinbau geeignet ist. Ausgestattet mit verschiedenen Sensoren und Kameras überwachen sie die Umgebung und können bei Hindernissen langsamer werden oder stehen bleiben. So kann die Maschine die Arbeit automatisch auf dem Feld verrichten. Alternativ kann der Landwirt den Roboter auch mit einer Fernbedienung mit 300 m Reichweite steuern.
Aus den Reihen der Junglandwirte kommt die Nachfrage, was als nächstes hinzugefügt werden soll, um den Roboter zu verbessern. Vertriebsleiter Malte Höner antwortet: „Es gibt viele Verbesserungsvorschläge, die wir nach und nach angehen wollen. Section Control wird als eines der nächsten Updates kommen.“ Im Anschluss können wir den Roboter selber steuern, mit ihm grubbern und ihn automatisch fahren lassen.
Sechs Millionen Orchideen
Am selben Tag machen wir einen weiteren Stopp auf dem Orchideen-Betrieb Maarel. Hier produzieren 120 Mitarbeiter auf knapp 10 ha jährlich über sechs Millionen Phalaenopsis-Orchideen in Gewächshäusern.
Der Betrieb kauft die Pflanzen als Stecklinge zu und verkauft sie dann nach 43 Wochen als verkaufsfertige Orchidee. 99 % der Pflanzen exportiert der Betrieb, der Großteil davon bleibt allerdings in Europa.
Die Produktion der beliebten Zimmerpflanze ist energieaufwendig. Denn Orchideen benötigen eine gleichbleibende Temperatur von 25 °C. Dafür müssen die Gewächshäuser im Winter aufgeheizt und im Sommer abgekühlt werden, erklärt Gastgeber Alphons Alsemgeest. Außerdem benötigen die Orchideen im Winter eine zusätzliche Beleuchtung.
Um Energie zu sparen, hat der Betrieb die Lampen auf LED umgerüstet. Das hat den Strombedarf für die Beleuchtung um ein Viertel reduziert. Durch die Beheizung mit Blockheizkraftwerken und Erdwärme konnte Maarel Orchideen auch den Gasverbrauch halbieren.
Ackerbau unter dem Meeresspiegel
Der zweite Tag beginnt auf einer von weltweit 29 Bayer Forward Farms in der Nähe des Flughafens Schiphol Amsterdam. Der Betrieb von Jasper Roubos arbeitet eigenständig. In Kooperation mit dem Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer, sollen dort aber Menschen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, moderne Landwirtschaft entdecken können.
Nachhaltigkeitsmanagerin Christy van Beek von Bayer präsentiert einen Versuch, bei dem der Betrieb Weizen für 15 Brote sowohl extensiv als auch intensiv anbaut. Bei der intensiven Bewirtschaftung nutzen sie nur ein Drittel der vorgesehenen Fläche und legen auf dem restlichen Land einen Blühstreifen an, um die Biodiversität zu stärken. Um die gleiche Menge mit extensiver Landwirtschaft zu produzieren, benötigen sie die ganze Parzelle.
Im Anschluss daran stellte der Betriebsleiter Jasper Roubos uns seinen Betrieb vor. Auf 93 ha betreibt er fünf Meter unter dem Meeresspiegel Ackerbau. Der Grundwasserspiegel liegt einen Meter unter der Oberfläche. Seine Flächen sind in lange schmale Stücke unterteilt, um so die Entwässerung durch Gräben zu erleichtern. Hinzu kommt, dass er das Wasser regelmäßig zurück pumpen muss, um aufgrund der Nähe zur Nordsee den Austausch mit Salzwasser zu verhindern.
1.200 Kunden jede Woche
Der nächste Stopp auf der Reise führte uns auf den Milchviehbetrieb Hoeve Biesland in der Nähe von Den Haag. Familie Duijndam setzt auf verschiedene Standbeine: Die Milch und das Fleisch des Betriebes verarbeiten sie in der hofeigenen Molkerei und Metzgerei. Zudem gibt es eine Bäckerei.
Die Produkte verkaufen sie im Hofladen. Dort tätigen die Kunden wöchentlich mehr als 1.200 Einkäufe. Samstags besuchen in der Regel rund 400 Gäste den Laden. „Das liegt daran, dass wir für einen größeren Betrieb ungewöhnlich nah an der Stadt liegen,“ erklärt Elien Phernambucq von Hoeve Biesland.
Der Betrieb liefert seine Produkte auch an Restaurants. Außerdem ist es möglich ein Gemüsekisten-Abo abzuschließen, bei dem die Verbraucher jede Woche eine frische Gemüsekiste erhalten.
Um alle Aufgaben erfüllen zu können, sind bei den Duijndams rund 100 Menschen beschäftigt. Darunter sind 45 angestellte Mitarbeiter. Der Rest der Arbeiter sind Freiwillige oder sogenannte Hilfslandwirte. Das sind Langzeitarbeitslose, die dort an die Arbeit herangeführt werden sollen.
Ammoniak reduzieren
Die letzte Station des zweiten Tages ist der Betrieb Nieuw Bijstervelt von Peter Hulbos. Sein Hof mit 120 Milchkühen ist ein Demobetrieb des niederländischen Melktechnikherstellers Lely in Maasluis. „Trotz der Zusammenarbeit mit Lely soll der Betrieb keinen Stall der Zukunft darstellen. Es soll ein Betrieb sein, wie es jeder andere Milchviehbetrieb auch sein könnte“ erklärt Peter Hulsbos.
Nachdem wir unsere Overalls für die Biosicherheit angezogen haben ging es in den Kuhstall. Hier zeigt uns Peter zunächst seine zwei Melkroboter. Über einen Bildschirm konnten wir die Leistungs- und Aktivitätsdaten seiner Herde über die Lely App beobachten. Ein Junglandwirt fragt: „Hattest du letztes Jahr Probleme mit dem Blauzungenvirus?“ Das kann der Landwirt bestätigen: Der flächendeckende Ausbruch im Spätsommer 2024 sorgte für starke Probleme, die sich durch einen Rückgang der Milchleistung von 35 auf 25 kg widerspiegelten. Zum Winter hin habe sich seine Herde wieder erholt.
Neben den Melkrobotern ist auf dem Betrieb auch der automatische Fütterungsroboter Vector integriert. Neu ist das Lely Sphere im Einsatz. Hierbei handelt es sich um ein System, welches im Kuhstall den Urin vom Kot trennt und somit Ammoniakemissionen reduziert. Ein weiterer Vorteil sei die gezieltere Düngung, erklärt der Landwirt.
Wenn Stickstoff direkt verfügbar sein muss, sollte die Düngung mit Urin erfolgen. Wenn dieser erst später mineralisiert werden soll, ist die Düngung mit Kot sinnvoller. Denn der Stickstoff im Kot wird erst später verfügbar. Er fungiert als Langzeitdünger. Des Weiteren saugt das System die ammoniakreiche Luft aus der Güllegrube ab und wandelt ihn mit einer Lösung in Flüssigdünger um.
120 Roboter in der Woche
Am letzten Tag fahren wir in das Lely Werk nach Maasluis. Hier werden alle Lely Produkte für den weltweiten Handel hergestellt. Lediglich für den Markt in den USA gibt es dort noch ein zweites Werk. Lely fertigt vor allem automatische Produkte für die Milchviehhaltung wie Melkroboter, Fütterungsroboter oder Spaltenschieber.
In Maasluis werden jede Woche rund 120 Melkroboter gebaut. Aber auch neue Lösungen wie der Lely Sphere, finden immer mehr Anklang, erklärt Jana Schmid, Marketing-Spezialistin von Lely Deutschland. Nach der Führung durch das Werk besichtigten wir das Lely Museum. Das Unternehmen verkaufte nach der Gründung 1948 zunächst Landmaschinen und 1992 den ersten Melkroboter.
Für die Junglandwirte und uns ging es von dort zurück in die Heimat. Im Gepäck viele Eindrücke der niederländischen Landwirtschaft und Ideen für die eigenen Betriebe.
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