Jan Schleicher
Jan Schleicher ist Leiter Category Management und Einkauf bei Rewe für die Region Ost. Sie deckt alle östlichen Bundesländer, vom Thüringer Wald bis an die Ostsee, ab.
Welche Rolle spielen heimische und regionale Lebensmittel aktuell für die Sortimente der Rewe-Supermärkte?
Schleicher: Eine riesige! Heimische Lebensmittel sind für uns kein Trend, sondern fester Bestandteil unserer Einkaufsstrategie. Auch weil wir als fast 100 Jahre alte Genossenschaft fest in der Gesellschaft verankert sind. Für unsere Kund:innen bedeuten sie Qualität, Verbundenheit und Vertrauen. Für uns als Händler geht mit den regionalen Geschäftsbeziehungen, die wir teilweise seit Jahrzehnten pflegen, Planungssicherheit einher.
Regionale Produkte haben für Rewe einen hohen Stellenwert, weil sie kurze Lieferwege ermöglichen, den ländlichen Wirtschaftsraum stärken und uns resilient gegenüber globalen Marktschwankungen machen. In der Region Ost arbeiten wir mit über 400 regional gelisteten Betrieben zusammen – das Streckengeschäft, also der 1:1-Kontakt zwischen Erzeugern und Kaufleuten, nicht mitgerechnet. Aus Überzeugung treiben wir das Thema Regionalität konsequent voran, auch dank unserer 1.800 selbstständigen Kaufleute.
Wie hoch sind die Anteile heimischer Produkte bei den verschiedenen Produktgruppen?
Schleicher: Der Selbstversorgungsgrad bleibt aber je nach Warengruppe unterschiedlich und damit auch das Angebot in unseren Märkten. Verfügbarkeit, Qualität und Preis müssen zu den Erwartungen der Kundinnen und Kunden passen.
Gerade bei Frischeartikeln setzt Rewe auf heimische Herkunft. Beim Schweinefrischfleisch stammen 100 % unserer Eigenmarkenartikel aus deutscher Produktion. Wir arbeiten hier konsequent nach dem 5xD-Prinzip. Im Milchbereich führt REWE über 600 regionale Artikel und bringt 49 lokale Erzeugermarken in die Regale.
Und wie sieht es bei Obst und Gemüse aus?
Schleicher: Bei Obst und Gemüse gilt bei uns das Prinzip: „regional vor national vor international“. Bei Produkten wie Äpfeln oder Kohl können wir die Versorgung nahezu vollständig aus Deutschland abdecken. Bei saisonalen Produkten wie Erdbeeren oder Spargel stehen wir vom ersten bis letzten Tag der Saison zu unseren über 850 Partnerbetrieben in Deutschland.
Das funktioniert auch, weil wir bewusst kreative Vermarktungsansätze wie den Abverkauf von Spargel der Klasse 2 oder Hofsortierungen wählen. So wollen wir mehr Ware aus der Region in den Markt bringen und gleichzeitig die landwirtschaftlichen Betriebe unterstützen. Unser Ziel bleibt: den Anteil regionaler Produkte gemeinsam mit der Landwirtschaft weiter ausbauen, aber mit Augenmaß und im Einklang mit der Marktrealität.
Landwirtschaft im Dialog Agrarpolitik: Was plant die neue Bundesregierung?
Welche Rolle heimische Lebensmittel für die Bundespolitik spielen und auf welche Hürden die landwirtschaftlichen Betriebe treffen, werden wir am 2. Juni um 19 Uhr bei "Landwirtschaft im Dialog" in Berlin diskutieren.
Einen politischen Impulsvortrag wird Alois Rainer (CSU), der neue Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, halten. Mit dabei sind außerdem folgende Gäste.
Johannes Steiniger (CDU) und Dr. Franziska Kersten (SPD), die beiden agrarpolitischen Sprecher der Koalitionsparteien
Anne Kokenbrink, Redakteurin bei der FAZ
Joerg Hilbers, Geschäftsführer Fachgruppe Obstbau
Dorothee Berger, Vorstandsvorsitzende des Verbandes Pro Agro und Ackerbäuerin
Jan Schleicher, Leiter Category Management/Einkauf der REWE Region Ost
Katharina Leyschulte, Rinderhalterin aus Nordrhein-Westfalen
Markus vom Stein, Einkaufsleiter Vollsortiment Ultrafrische 2 (Fleisch/ Geflügel, Wurst, Brot und Backwaren) der REWE Group
Dr. Ophelia Nick, Bündnis 90/Die Grünen, Sprecherin für Landwirtschaftspolitik in der Bundestagsfraktion
Lars Ruschmeyer, Bundesvorsitzender Bund der Deutschen Landjugend e.V. (BDL)
Dominik Zupp, REWE-Kaufmann (REWE-Markt WATERKANT Berlin)
Sie können die Veranstaltung live auf YouTube verfolgen. Für den Zugang zum Livestream ist keine Anmeldung erforderlich. Vor Ort ist die Veranstaltung bereits ausgebucht.
Welche Hürden müssen regionale Landwirte nehmen, um bei Ihnen im Regal zu landen?
Schleicher: Die Hürde ist niedriger, als viele denken. Wir haben bei Rewe Strukturen geschaffen, die kleinen wie großen Betrieben den Zugang ermöglichen. Schon ab einem Markt kann eine Listung erfolgen. Unsere Lokalitätsbeauftragten begleiten die Erzeugerinnen und Erzeuger durch den Prozess – vom Erstkontakt bis zur Platzierung im Markt.
Natürlich gelten Standards bei Hygiene und Lebensmittelsicherheit, aber wir versuchen, diese so praxisnah wie möglich umzusetzen. Und: Wir denken nicht nur stationär – auch über unsere digitale Bestellplattform Loql oder den Rewe-Lieferservice bieten wir Absatzwege für heimische Ware an.
Sehen Sie in Zukunft Potenzial für mehr regionale Lebensmittel im Sortiment? Welche politischen Rahmenbedingungen sind dafür nötig?
Schleicher: Absolut. Die Nachfrage wächst, aber das Angebot muss in einem gesunden Verhältnis mitziehen. Damit mehr Landwirte und Landwirtinnen regional vermarkten können, braucht es vereinfachte Genehmigungsverfahren, Planungssicherheit und faire Wettbewerbsbedingungen.
Der Mindestlohn ist ein Beispiel: Für Sonderkulturen kann er zur Belastung werden, wenn gleichzeitig Importware günstiger produziert wird. Hier wünschen wir uns eine Politik, die regionale Wertschöpfung aktiv fördert, ohne in die Marktdynamik einzugreifen. Regionalität funktioniert nur, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen.