Streng vertraulich: „Reichsnährstand“ ging es schlecht 1938
Vereinzelt ist zu hören, dass es den Bauern im Dritten Reich sehr gut ging; auch in TV-Dokus werden die Landwirte als umworbene Gewinner und Unterstützer des NS-Regimes dargestellt.
Der Reichsnährstand hatte ein klares Selbstbild, das vom „Wochenblatt des Landesbauernschaft Westfalen“ verbreitet wurde. Demnach hatten der Reichsnährstand und seine regionalen Landesbauernschaften das Durcheinander und den Streit der Agrarverbände der „Systemzeit“ vor 1933 beendet. Nun, im NS-Staat, herrsche eine „straffe Organisation, die den Bauern als „Quell von Blut und Boden“ wieder zu Ansehen und Wohlstand verhelfe und die „Nahrungssicherheit Deutschlands“ anstrebe.
Das Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben hat sich die Realität damals genauer angeschaut, und die sah völlig anders aus. Gerade in der Landesbauernschaft Westfalen tobten Machtkämpfe, die hohe Wellen schlugen bis in die oberste Führungsriege der Hitler-Diktatur. In den Medien war davon jedoch nichts zu lesen.
Im Zuge der Recherchen zu dem Artikel „Das stand nicht im Wochenblatt“(Ausgabe 23/2019) stieß der Redakteur und Historiker Gisbert Strotdrees auch auf ein Geheimpapier, das im Frühjahr 1938 in der Landesbauernschaft und in der NSDAP-Gauleitung kursierte. „Streng vertraulich! Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt!“ – so stand es auf dem Titel des 45-seitigen Dokuments.
Der Betriebswirtschaftler Paul Rintelen legte darin die Folgen der NS-Marktordnung für die Landwirte in Westfalen dar, gestützt auf Buchführungsergebnisse aus 700 Betrieben in Westfalen. Während das NS-Wochenblatt die Erfolge der „Erzeugungsschlachten“ herausstrich, bilanzierte Rintelen nüchtern:
„Sinkende Einkommen der Bauern bei steigendem Einkommen anderer Volksschichten, eine bis ins Unerträgliche gestiegene Arbeitsbelastung und steigende Verschuldung sind im Augenblick die Zeichen, unter denen der Klein- und Mittelbauer Westfalens steht. Kein Wunder, dass man in diesen Kreisen angesichts der trostlosen Lage auf eine hoffnungslose Resignation stößt.“
Die Hauptlast der Arbeiten, so Rintelen, trügen die ohnehin überlasteten Bäuerinnen. Und weiter: „Wenn die Bäuerin heute von morgens früh bis spät abends arbeitet und schuftet, wenn die ganze Last der Arbeit im Betriebe auf ihr ruht, so wird der Geburtenrückgang auf dem Lande eine unausbleibliche Folge sein und die „Blutquelle des Volkes“ versiegen.
Vernichtender hätte die Kritik nach nur fünf Jahren Rasse-, Blut- und Bodenpolitik nicht ausfallen können. Unnötig zu sagen, dass die Ergebnisse Rintelens nicht im NS-Wochenblatt zu lesen waren.
Mehr zu den Rügen und Intrigen in der Bauernschaft jetzt im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
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Der Reichsnährstand hatte ein klares Selbstbild, das vom „Wochenblatt des Landesbauernschaft Westfalen“ verbreitet wurde. Demnach hatten der Reichsnährstand und seine regionalen Landesbauernschaften das Durcheinander und den Streit der Agrarverbände der „Systemzeit“ vor 1933 beendet. Nun, im NS-Staat, herrsche eine „straffe Organisation, die den Bauern als „Quell von Blut und Boden“ wieder zu Ansehen und Wohlstand verhelfe und die „Nahrungssicherheit Deutschlands“ anstrebe.
Das Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben hat sich die Realität damals genauer angeschaut, und die sah völlig anders aus. Gerade in der Landesbauernschaft Westfalen tobten Machtkämpfe, die hohe Wellen schlugen bis in die oberste Führungsriege der Hitler-Diktatur. In den Medien war davon jedoch nichts zu lesen.
Im Zuge der Recherchen zu dem Artikel „Das stand nicht im Wochenblatt“(Ausgabe 23/2019) stieß der Redakteur und Historiker Gisbert Strotdrees auch auf ein Geheimpapier, das im Frühjahr 1938 in der Landesbauernschaft und in der NSDAP-Gauleitung kursierte. „Streng vertraulich! Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt!“ – so stand es auf dem Titel des 45-seitigen Dokuments.
Der Betriebswirtschaftler Paul Rintelen legte darin die Folgen der NS-Marktordnung für die Landwirte in Westfalen dar, gestützt auf Buchführungsergebnisse aus 700 Betrieben in Westfalen. Während das NS-Wochenblatt die Erfolge der „Erzeugungsschlachten“ herausstrich, bilanzierte Rintelen nüchtern:
„Sinkende Einkommen der Bauern bei steigendem Einkommen anderer Volksschichten, eine bis ins Unerträgliche gestiegene Arbeitsbelastung und steigende Verschuldung sind im Augenblick die Zeichen, unter denen der Klein- und Mittelbauer Westfalens steht. Kein Wunder, dass man in diesen Kreisen angesichts der trostlosen Lage auf eine hoffnungslose Resignation stößt.“
Die Hauptlast der Arbeiten, so Rintelen, trügen die ohnehin überlasteten Bäuerinnen. Und weiter: „Wenn die Bäuerin heute von morgens früh bis spät abends arbeitet und schuftet, wenn die ganze Last der Arbeit im Betriebe auf ihr ruht, so wird der Geburtenrückgang auf dem Lande eine unausbleibliche Folge sein und die „Blutquelle des Volkes“ versiegen.
Vernichtender hätte die Kritik nach nur fünf Jahren Rasse-, Blut- und Bodenpolitik nicht ausfallen können. Unnötig zu sagen, dass die Ergebnisse Rintelens nicht im NS-Wochenblatt zu lesen waren.
Mehr zu den Rügen und Intrigen in der Bauernschaft jetzt im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.