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Vorwurf

Umstrittene Unterstützung: SPIEGEL kritisiert Agrarblogger

Weil sie von der Wirtschaft finanzielle Unterstützung für Öffentlichkeitsarbeit erhalten, stehen mehrere Agrarblogger in der Kritik. Der SPIEGEL wittert verdeckte Lobbyarbeit der Industrie.

Lesezeit: 6 Minuten

Influencer in den sozialen Netzwerken – vor allem bei Youtube und Facebook – haben in den vergangenen Jahren deutlich an Einfluss gewonnen. Sie prägen mit ihren Videos und Einträgen Kultur, Mode und Meinung. Bezahlt werden sie nicht selten von der Wirtschaft, deren Produkte sie vorstellen.

Auch im landwirtschaftlichen Bereich gibt es Blogger – allerdings mit einem großen Unterschied: Das Ziel von z.B. Bauer Willi, Jutta Zeisset und Co. ist nicht die Selbstdarstellung, sondern die Öffentlichkeitsarbeit für den bäuerlichen Berufsstand, der immer wieder medial in der Kritik steht.

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Mit ihren Videos und Wortmeldungen setzen sie sich für die Interessen der Landwirtschaft ein, bilden eine Gegenstimme, widerlegen Pauschalkritik, erklären Hintergründe und empören sich auch mal über politische Entscheidungen. Natürlich vertreten sie dabei eine bestimmte Art von Landwirtschaft.

Das Magazin Der Spiegel sieht darin allerdings eine verdeckte Lobbyarbeit, unterstützt und bezahlt von der Industrie. Indirekt entsteht der Eindruck, als seien die Agrarblogger verdeckte Mitarbeiter der „Pestizidindustrie“, wie das Magazin die Saatgut- und Pflanzenschutzbranche häufig nennt.

Zeisset

So schreibt der Spiegel zu „CDU-Politikerin Jutta Zeisset“: „Mal lobt sie bei einem Messerundgang die geile Pestizidspritzmaschine eines Herstellers. Dann plauscht sie per Video mit dem Pflanzenschutz-Chef von Bayer. Und zwischendurch findet sie noch Zeit, Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) per Brief einzuhämmern, dem geplanten Insektenschutzgesetz NICHT zuzustimmen.“

Laut Spiegel sei das ganz im Sinne des „mächtigen Bauernverbandes“, der seit Jahren dagegen wettert. Aber die öffentliche Meinung habe sich gegen Großbauern wie ihn gedreht, gegen die Agrarindustrie und Pestizidhersteller sowieso, stellt das Magazin weiter fest.

Die wachsende Zahl der Agrar-Blogger scheine da mehr Glaubwürdigkeit zu genießen als Funktionäre vom Schlage Rukwieds. Als „Erklärbauer“, „Hofheld“ oder unter „Frag den Landwirt“ seien sie auf diversen Social-Media-Kanälen unterwegs, mitunter erreichen sie mehr als 10.000 Menschen mit einem Post.

Zeisset sieht in der Unterstützung kein Problem. Gegenüber dem Spiegel erklärte sie: „Wir entwickeln Ideen und suchen uns dann Partner – Baywa, machst du mit, Syngenta, machst du mit?“ So habe auch Agravis in ihrem Buch „Social Media für Landwirte“ Anzeigen geschaltet und Kosten für gute Grafiken übernommen.

Bauer Willi

Auch im Fokus der Hamburger Journalisten ist der rheinische Rübenanbauer Willi Kremer-Schillings, bekannt als Bauer Willi. Seine Kritik an Umweltministerin Schulze ist für den Spiegel ein Beweis dafür, dass die „Pestizidhersteller und Agrarhändler“, die schon länger um ihre Einkünfte fürchten würden, dankbar auf Influencer aus dem Kundenkreis setzten. Kremer-Schillings habe lange als Agrarchemieberater und Pestizidverkäufer gearbeitet, merkt das Magazin an.

Dokumente würden laut Spiegel belegen, dass er als Blogger schon früh die Nähe zur Industrie suchte: So habe er beim damaligen Agravis-Chef Clemens Große Frie um finanzielle Unterstützung bei einem Imagekonzept für die Landwirtschaft geworben. Und auch von Saatgutherstellern wie BASF oder Händlern wie Rewe habe er Geld erhalten. Das Forum Moderne Landwirtschaft habe ebenfalls angefragt, ob man ihn für eine PR-Tour buchen könne, heißt es.

Doch auch andere Agrarblogger kooperieren. Gerade habe eine Baywa-Tochter eine einjährige Kooperation mit dem Junglandwirteportal Hofheld abgeschlossen. BayWa wird mit den Worten zitiert, der Einsatz von Bloggern stelle ein wirkungsvolles Kommunikationsmittel dar.

Und eine Insiderin habe dem Spiegel berichtet, dass Lobby und Bauernverband „Angst vor Kontrollverlust“ hätten. Sobald jemand im Netz erfolgreich sei, schlage das System zu. Das laufe oft ganz subtil: „Man zahlt hier eine Übernachtung, da ein kleines Honorar – um Linientreue muss man sich dann nicht mehr sorgen“, soll sie dem Nachrichtenmagazin weiter gesagt haben. Und: „Die Vielfalt der Blogger täusche. Die meisten seien Leibeigene der Industrie.“

Bauer Willi enttäuscht

Dr. Kremer-Schillings kommentiert in seinem Blog auf www.bauerwilli.com besagten Spiegel-Artikel. „Auch wenn jeder, der mich kennt, weiß, dass das, was sich der Redakteur da zusammengezimmert hat, Schwachsinn ist, so musste ich das trotzdem erst mal mental verdauen. (…) Ich verzeihe auch dem Redakteur des Spiegels. Nicht nur unsere Kinder waren der Meinung, dass der Artikel journalistische Schwächen aufweist. Andere wiederum werfen ihm schlechte Recherche und eine gewisse Schnoddrigkeit vor. Daran sollte er also noch arbeiten. Oder ist das der Stil des Hauses?“

Erstaunt zeigt er sich über die Aussage, er habe 3.500 € von Rewe für einen Workshop-Auftritt erhalten. „Es war kein Workshop, sondern ein Streitgespräch auf offener Bühne mit dem REWE-Nachhaltigkeitsbeauftragten anlässlich einer REWE-Stakeholder-Tagung in Berlin“, schreibt er. Beunruhigt zeigt er sich, wieso der Spiegel die Höhe des vertraulichen Honorars kenne.

Zudem zitiere das Magazin wörtlich aus einer Mail, die er an einen Studienfreund geschickt habe. „Das ist aber schon einige Jahre her und ich habe die Mail längst gelöscht. Dass er das Zitat aus dem Zusammenhang reißt und so den Sinn entstellt, hat mich nicht mehr überrascht.“ Sein Fazit: „Billige Effekthascherei, die natürlich beim Leserpublikum des Spiegel ankommt.“

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Kurz kommentiert

Öffentlichkeitsarbeit, nicht Youtube-Werbesternchen

Der im geschlossenen Bereich des Spiegels erschienene Artikel mit einem Zitat von Bauer Willi als Überschrift - „Warum ich diese Mail schreibe, dürfte klar geworden sein: Geld!“ – schürt beim Lesen die Erwartung, hier werde ein unerhörter Fall von Bestechlichkeit entlarvt.

Der Autor arbeitet darauf hin, den Agrarbloggern eine bewusste Nähe zur Industrie zu unterstellen. Der Leser soll den Eindruck gewinnen, als arbeiteten Wirtschaft, Bauernverband und Agrarblogger Hand in Hand, um Einfluss z.B. auf politische Entscheidungen zu nehmen. Die dazu notwendigen Beweise und Enthüllungen bleibt der Spiegel dem Leser allerdings schuldig. Außer, dass Handel und Hersteller branchenintern die von den Bauern selbst immer wieder geforderte Öffentlichkeitsarbeit mit kleinen Beiträgen oder Anzeigen unterstützen, gibt es nichts.

Natürlich ist es ein schmaler Grat, wenn sich Blogger auf die Nähe zur Industrie einlassen. Gibt es Vereinbarungen, muss dies transparent kenntlich gemacht werden. Auch muss ihnen stets klar sein, dass ihr Tun auch eine Reihe negativer Kommentare bis hin zum Shitstorm zur Folge haben kann.

Doch in dem oben beschriebenen Fällen darf man schon fragen, ob das verwerflich ist und der Spiegel hier nicht künstlich einen Skandal konstruiert.

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