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Fleischalternativen aus Gras? Dieser Landwirt geht neue Wege

Landwirt Christoph Geil arbeitet zusammen mit dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik daran, Fleischalternativen aus Gras herzustellen. Eine Konkurrenz zur Tierhaltung sieht er darin nicht.

Lesezeit: 6 Minuten

Rinder in extensiver Weidehaltung, Ackerbau, Biogas – so weit, so normal für einen landwirtschaftlichen Betrieb in Norddeutschland. Doch mit seinem neuen Standbein dürfte Landwirt Christoph Geil wohl etwas aus der Reihe fallen. Denn seit zwei Jahren steht auf seinem Hof eine mobile Versuchsanlage, in der er das Weidegras presst und die darin enthaltenen Proteine extrahiert. Die sollen dann als Basis für Fleischalternativen dienen.

Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) hat der Landwirt das Projekt „RuBisCo – Peptide aus Gras“ ins Leben gerufen. „Erste Ergebnisse sind vielversprechend, aber der Weg ist noch lang“, sagt Christoph Geil. Der 35-Jährige hofft, dass sich seine Idee vielleicht in zehn Jahren zu einem zukunftsfähigen und rentablen Betriebszweig entwickelt.

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„Auch in zehn Jahren zukunftsfähig sein“

Dass ein Tierhalter an einem Projekt tüftelt, dass in Zukunft möglicherweise Rindfleisch Konkurrenz machen könnte, mag zunächst abwegig klingen. Für den Hofnachfolger ist die Idee aber naheliegend. „Wer weiß, ob wir in zehn oder zwanzig Jahren bei den sich stetig ändernden Rahmenbedingungen überhaupt noch so wirtschaften können wie heute. Daher will ich schon jetzt nach einem Standbein suchen, das möglichst klimaneutral ist und Antworten auf die gängigsten Fragen unserer Zeit hat“, sagt er.

Daher will ich schon jetzt nach einem Standbein suchen, das möglichst klimaneutral ist und Antworten auf die gängigsten Fragen unserer Zeit hat. - Christoph Geil

Eine dieser Fragen ist, was die Landwirtschaft für das Klima tun kann. Als Christoph Geil vor einigen Jahren die Klimabilanz seines Betriebs erstellen ließ, fiel diese vor allem wegen des Methanausstoßes der Rinder ziemlich ernüchternd aus. Daher machte er sich auf die Suche nach Alternativen. Das Protein im Gras als Basis für Fleischalternativen könnte seiner Meinung nach ein Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit sein. „Wir können das Gras im Moment nur über Dritte verwerten. Bei Rindern geht dabei zum Beispiel viel Energie für die Lebenserhaltung verloren. Wir glauben, dass der Prozess fünf- bis siebenmal so effektiv sein könnte, wenn man die Proteine direkt aus dem Gras extrahiert.“

Und Gras gibt es in seiner Heimat, der Wesermarsch, genug. So könnte das Konzept in Zukunft seiner Meinung nach auch anderen Landwirten Einkommensmöglichkeiten bieten, indem sie zum „Proteinlieferant“ werden.

So funktioniert die Anlage

Die mobile Versuchsanlage auf dem Hof besteht aus zwei Containern. Pro Jahr laufen hier rund 30 Versuche mit verschiedenen Parametern. Die Anlage „füttert“ Christoph Geil mit Gras, ähnlich wie eine Biogasanlage. Über eine Schnecke wird das Gras dann zu einer Presse befördert und ausgepresst. Der dabei entstehende grüne Saft wird komplett aufgefangen. Denn um ihn geht es: Die im Saft enthaltenen Proteine sollen extrahiert werden.

„Der Saft wird dann gefiltert, erhitzt, der pH-Wert stabilisiert. Anschließend zentrifugieren wir ihn, sodass am Ende nur noch die Proteine enthalten sind“, sagt er. Der Proteinsaft geht dann nach Quakenbrück zum DIL. Dort trennt man ihn weiter auf. Zum Schluss sei eine feste Masse vorhanden, die sich beispielsweise zu vegetarischen Burgerpatties verarbeiten lasse.

Bisherige Ergebnisse vielversprechend

Laut Christoph Geil liegt die Proteinausbeute beim Gras derzeit bei 1 %. Für ihn ist das kein schlechter Wert. „Wir haben uns schon verbessert, aber es gibt viele Stellschrauben, an denen wir drehen müssen.“ Die Gewinnschwelle liege ungefähr bei 4 %. Das sei realistisch. Möglich sind ihm zufolge sogar 15 bis 20 %. Gemeinsam mit dem DIL dreht er ständig weiter an technischen Stellschrauben, denn es gibt einiges zu beachten, zum Beispiel die Temperatur des Prozesses in der Anlage oder die Geschwindigkeit.

„Wir müssen es jetzt schaffen, den Prozess zu stabilisieren“, sagt er. Der Landwirt hat bereits verschiedenen Pflanzengräser sowie Klee als Inhaltsstoff für die Versuchsanlage angebaut und getestet. Einige Sorten haben sich bereits als geeignet erwiesen.

Es gibt noch einiges zu tun

Zeitlich will sich der 35-Jährige nicht festlegen, wann die Rechnung aufgehen könnte. Wichtiger als der Zeitfaktor sei, dass Wirtschaftlichkeit und Qualität stimmen. Dass es viele Nachahmer geben wird, glaubt er zwar nicht, aber inzwischen läuft in Deutschland bereits ein weiteres Projekt. Auch in den Niederlanden und in Dänemark gibt es ähnliche Versuche. „Wenn wir es nicht schaffen, die Proteine aus dem Gras rauszuholen, dann wird es irgendwer anders schaffen“, sagt er.

Bislang haben fleischähnliche Produkte auf Basis von Gras noch keine Zulassung als „Novel Food“ (z.dt. neuartiges Lebensmittel) und bekanntlich gestalten sich diese Prozesse als langwierig. Der Landwirt glaubt, dass vor allem die Hygieneanforderungen darüber entscheiden werden, wann und wie schnell sich das Konzept durchsetzt. Nicht zu unterschätzen sei auch die Produktentwicklung fleischähnlicher Lebensmittel, bei der es noch einige Punkte zu verbessern gebe. Hier verfüge das DIL über Expertenwissen, das Geil schätzt. „Das sind Faktoren, die kann ein Landwirte alleine kaum leisten, ohne einen Partner oder enorm viel Kapital.“

Landwirt sieht großes Marktpotenzial

Das Potenzial des Projekts hält Christoph Geil für groß – einerseits am Markt der Fleischalternativen, andererseits für die Landwirtschaft. „Landwirte könnten über das Verfahren drei-bis viermal mehr pro Hektar erzielen als heute mit der herkömmlichen Flächennutzung“, sagt er. Und auch für das beim Pressen übriggebliebene Gras gibt es reichlich Verwertungsmöglichkeiten, etwa in der stofflichen Nutzung, z. B. als Baumaterial, oder über Pyrolyse als Biokohle.

Landwirte könnten über das Verfahren drei-bis viermal mehr pro Hektar erzielen als heute mit der herkömmlichen Flächennutzung. - Christoph Geil

Und trotz aller Euphorie bleibt, wie bei vielen anderen Innovation, stets ein Risiko. „Wir können auch scheitern. Andere würden ihr Geld lieber in ein Projekt investieren, bei dem sie mehr Sicherheit haben“, sagt er.

Wissenschaftliche Ergebnisse

Erste Erfolge aus dem Projekt hat das DIL in einem wissenschaftlichen Beitrag im Magazin Future Foods veröffentlicht. Insgesamt weist die Studie auf ein großes Potenzial für die Proteinextraktion aus grüner Biomasse und für künftige Lebensmittelanwendungen hin.

Ziel war es, in einer Schneckenpressanlage mit einem gepulsten elektrischen Feld (PEF)-System im industriellen Maßstab die Ausbeute an Pflanzensaft und Rohprotein zu untersuchen. Eingesetzt wurden dazu frisch geerntetes Weidelgras (70 %) und Weißklee (30 %). Ein Scheibenseparator wurde demnach erfolgreich für die Trennung von 400 l Rohsaft und schrittweise ausgefälltem Protein bei pH 5,0 und 60 °C eingesetzt. Die Ausbeute an gepresstem Saft und Rohprotein konnte so um etwa 25 % bzw. 31 % gesteigert werden. Der Rohproteingehalt erreichte 37,3 g/100 g in der Trockenmasse.

Neben dem Rohprotein enthielt das ausgefällte Sediment Mineralien wie Ca, K, Na, Mg und P, die für die Gesundheit wichtig und für künftige Anwendungen wie Fleischalternativen vielversprechend seien. Außerdem untersuchte man Faktoren wie den mikrobiellen Status, die chemische Zusammensetzung, die Größe der Makromoleküle und die Fett-Protein-Mikrostruktur der in verschiedenen Prozessschritten gesammelten Proben. Diese Werte liefern ein besseres Verständnis der Extraktionsprozesse im Pilotmaßstab und sollen deren Optimierung ermöglichen.

Weitere Details zur Anlage und zum Versuch finden Sie in diesem wissenschaftlichen Beitrag.

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