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Wie alternative Proteinquellen die Landwirtschaft verändern könnten

Wenn alternative Proteinquellen weiter an Marktanteil gewinnen und die Fleischnachfrage sinkt, würde das für Landwirte zunächst Einkommensrückgänge bedeuten. Es könnten sich aber auch Chancen ergeben.

Lesezeit: 7 Minuten

Es mag wie eine Zeitenwende auf dem Teller erscheinen: Derzeit tun sich viele neue Start-ups und Produkte im Bereich alternativer Proteinquellen auf, die oft mit großen Summen unterstützt werden. Zwar halten alternative Proteine bislang nur 2 % am Gesamtmarkt für Proteine. Laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) wird dieser Markt bis 2035 aber auf 11 % ansteigen. In dieser Analyse wurden Ersatzprodukte aus Pflanzen, Mikroben oder In-vitro-Herstellung berücksichtigt. Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft gehen davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten grundlegende Veränderungen auf die Land- und Ernährungswirtschaft zukommen werden und der Markt für tierische Produkte schrumpfen wird.

Auf globaler Ebene sehen die Zahlen dagegen anders aus: Einerseits werden Prognosen geäußert, dass durch eine Zunahme der Weltbevölkerung auf knapp 10 Mrd. Menschen bis zum Jahre 2050 bei steigendem Wohlstand in Schwellen- und Entwicklungsländern die Nachfrage nach Fleisch von derzeit 338 Mio. t auf 455 Mio. t ansteigen wird. Andere Prognosen sagen einen Transformationsprozess in den westlichen Ländern zugunsten von Fleischersatzprodukten voraus. So schätzt das Marktforschungsunternehmen Kearney, dass auf globaler Ebene bis 2040 eine Abnahme des Anteils von konventionellem Fleisch auf 40 % des Gesamtumsatzes sowie gleichzeitig eine Zunahme von In-vitro-Fleisch auf 35 % und von pflanzlichen Fleischersatzprodukten auf 25 % zu beobachten sein wird.

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In einer Übersichtsstudie zeigt die Bayrische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Auswirkungen von künftigen Lebensmitteln auf die Land- und Ernährungswirtschaft auf. Diese stützt sich auf theoretische Überlegungen, da es bislang keine konkreten Daten zu den Auswirkungen gebe, da die Marktanteile zu gering seien.

Einkommensrückgänge bei weniger Tierhaltung

Wissenschaftler des Thünen-Instituts haben angenommen, dass sich der Fleischkonsum bis 2030 um 20 % reduzieren würde und die Nachfrage nach Gemüse entsprechend ansteige. Das Ergebnis: Die Verbraucher-Nachfrage nach Fleisch könnte in Deutschland in Abhängigkeit von der Fleischart um bis zu 14,1 % sinken. Die Erzeugerpreise würden um 9 % fallen, die Produktion um 10 %. Das sei weniger als der Nachfragerückgang, ließe sich aber mit steigenden Exporten erklären.

Durch die sinkenden Preise wäre vor allem die Schweinehaltung mit einem Einkommensrückgang von 37 % betroffen, die Milchbauern mit 6 %. Dabei wären Betriebe regional unterschiedlich stark betroffen. Dennoch wären Betriebsaufgaben zu befürchten.

Auch die Futtermittelindustrie wäre betroffen, so würden Produzentenpreise für Ölschrote oder Futtergetreide um 2,6 und 1,4 % in Deutschland sinken. Allerdings wird der Großteil der Futtermittel importiert, daher würde sich ein Rückgang der Fleischerzeugung in Europa drastischer auf die Märkte der entsprechenden Exportländer auswirken.

Die Autoren erwarten, dass die Erzeugerpreise von Gemüse und Dauerkulturen für Fleischersatzprodukte in Deutschland bis 2030 um 3,4 % zulegen und die Preise für die Pacht von Ackerland zurückgehen. Dieser Annahme zufolge würden sich die finanziellen Einbußen von Ackerbaubetrieben in Grenzen halten.

Dennoch können z. B. fleischverarbeitende Betriebe auch Pflanzenrohstoffe zu entsprechenden Produkten verarbeiten, wie es bereits einige Betriebe in Deutschland tun. - Auszug

Auch in vor- und nachgelagerten Bereichen wie der Saatgut- und Düngemittelindustrie oder bei fleischverarbeitenden Betrieben wäre mit Nachfragerückgängen zu rechnen. Dennoch können z. B. fleischverarbeitende Betriebe auch Pflanzenrohstoffe zu entsprechenden Produkten verarbeiten, wie es bereits einige Betriebe in Deutschland tun. Gleichzeitig würden jedoch tierische Nebenprodukte wegfallen, die sonst etwa in die Herstellung von Leder oder Tiernahrung wandern würden.

Koppelprodukte aus der Tierhaltung fehlen

Rinder, Schafe, Schweine und Geflügel liefern nicht nur Fleisch, Milch und Eier, sondern auch Wolle, Fasern und Leder. Vor allem Wiederkäuer bieten soziokulturelle Dienstleistungen wie der Landschaftspflege, touristischer Veranstaltungen und Produkte mit lokalem Image, wie z.B. Käse mit geschützter Herkunftsbezeichnung.

Ökologische und ökonomische Rolle der Tierhaltung

Betrachtet man die Umweltauswirkungen von Tierhaltung, kommt der Weidehaltung eine Schlüsselrolle beim Erhalt der Kohlenstoffmenge im Boden und der Bodenfruchtbarkeit zu, da der Dung der Tiere eine Quelle für organische Stoffe, Stickstoff und Phosphor ist. Darüber hinaus können Rinder, nicht aber der Mensch, Grünfutter verwerten. Etwa zwei Drittel der weltweiten Agrarflächen stellen jedoch Grünland dar. Die Autoren der Studie plädieren also dafür, Weidehaltung auf diesen Flächen auszuweiten.

Rinder, Schafe, Schweine und Geflügel liefern nicht nur Fleisch, Milch und Eier, sondern auch Wolle, Fasern und Leder. - Auszug

Für die Produktion von In-vitro-Fleisch seien lediglich kleine Nutztierherden notwendig, um Stammzellen zu entnehmen. Dies könnte den Autoren zufolge einem Teil der Landwirte ermöglichen weiterhin Tiere zu halten, zumal entsprechende Biopsien finanziell hochpreisig und damit finanziell interessant sein könnten.

Änderungen beim Ackerbau

Gleichzeitig solle der Anbau von eiweißhaltigen Futtermitteln in Europa weiter vorangetrieben werden. Im Jahr 2021 wurden demnach auf 245.000 ha Fläche Körnerleguminosen wie Soja, Lupinen oder Erbsen angebaut, was einer Wachstumsrate von 9 % gegenüber dem Vorjahr entspreche.

Eine weiter steigende Nachfrage nach pflanzlichen Ersatzprodukten wie Hülsenfrüchten oder auch Samen und Nüssen könnte den Markt pflanzlicher Rohstoffe verändern. Landwirte müssten entsprechend umdenken. Allerdings sei die Suche nach dem „richtigen“ Protein immer noch ein großes Thema. Denn Landwirte müssen die nötigen pflanzlichen Rohstoffe auch langfristig in entsprechenden Mengen an Hersteller verkaufen können. Sie brauchen für zusätzliche Investitionen in alternative Ackerpflanzen darum bestenfalls langfristige Verträge und Preisgarantien. Beispielsweise hat Eat Just, ein Produzent von Ei-Ersatz auf der Basis von Mungbohnen, mit Lieferantenorganisationen solche Verträge etabliert.

Landwirte als Rohstoff-Lieferanten für neue Lebensmittel?

Die für die zelluläre Landwirtschaft nötigen Kohlenstoffquellen werden derzeit über pflanzliche Quellen, etwa Glukose aus Weizen oder Mais, gedeckt. In Zukunft sollen dazu vermehrt Nebenströme genutzt werden. So könnten laut Studie etwa Kartoffelstärke oder Brauerei-Abwässer als Futter für Mikroben dienen. Auch bei der Fütterung von Insekten könnten Nebenströme zum Einsatz kommen, bei landbasierten Makroalgensystemen könnten Gärreste als Dünger dienen. Die Land- und Forstwirtschaft könnte also weiterhin Rohstoffe für die Produktion von innovativen Lebensmitteln liefern, wenn auch nicht in dem Maße, wie es derzeit die Futtermittel-Industrie verlangt.

Anpassungsfähigkeit von Landwirten nötig

Bleibt dennoch offen, wie stark die Entwicklung in diesem Bereich vorangehen wird. Entscheidend wird den Autoren zufolge auch sein, wie gut sich Landwirte anpassen können. Laut ersten Studien adaptieren sie dabei allerdings eher Innovationen von vorgelagerten Wertschöpfungsstufen, etwa aus der Futtermittelindustrie und sind wichtige Feedbackgeber. So scheinen viele Betriebe recht aufgeschlossen gegenüber neuen Futtermitteln aus Mikroalgen oder Insekten zu sein.

Will ein Teil der Landwirte auf neue Produktionssysteme umsteigen, seien dafür mehr oder weniger große Investitionen sowie Beratungen nötig. Es gebe dazu bereits einige positive Beispiele. So ist ein Milchbauer auf die Produktion von Hafer für Haferdrinks umgestiegen, ein Schweinehalter hat seine Ställe für den Pilz-Anbau umgebaut.

Im Fall von Insekten, Mikroalgen und Makroalgen wären die Anforderungen auch andere als in der herkömmlichen Landwirtschaft. So wären Algenbauern sowie Insektenwirte zunehmend gefragt. Damit könnten jedoch auch neue Arbeitsplätze im ländlichen Raum entstehen.

So wären Algenbauern sowie Insektenwirte zunehmend gefragt. Damit könnten jedoch auch neue Arbeitsplätze im ländlichen Raum entstehen. - Auszug

Diskutiert wird auch, ob Landwirte kleine Bioreaktoren wie Mikrobrauereien betreiben könnten, um etwa Mikroben oder In-vitro-Fleisch auf ihren Höfen herzustellen. Allerdings sei fraglich, ob sie dafür Zugang zu staatlichen Subventionen und dem notwendigen technologischen Know-how haben. Hier bedarf es rechtlicher Grundlagen.

Hannelore Daniel, Ernährungswissenschaftlerin und Professorin an der Technischen Universität München, sieht hier keine großen Chancen für Landwirte: „Für einen bäuerlichen Betrieb sind diese Technologien, da sie nahezu sterile Umgebungen benötigen, bis auf Weiteres keine Perspektive. Die Idee Einweg-Bioreaktoren zu entwickeln, würde dies zwar ermöglichen, jedoch wäre damit nahezu Jeder befähigt, entsprechende Produkte zu generieren“, sagte Daniel.

Einige Baustellen bleiben

Trotz der Euphorie für alternative Proteine bleiben noch zahlreiche Baustellen. Die Herstellungsprozesse etwa seien relativ energieintensiv, Verbraucher stehen alternativen Proteinen skeptisch gegenüber und auch über die gesundheitlichen und geschmacklichen Aspekte wird zuweilen kritisch diskutiert. Eine große Hürde stelle auch die Novel-Food-Verordnung der EU dar, da eine Zulassung innovativer Produkte für die Hersteller zeitintensiv und teuer sei.

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