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Robotik in der Landwirtschaft

Kameras im Stall: Dieser Bereich wird videoüberwacht

Ein Machine-Learning-System überwacht das Verhalten von Schweinen und Hähnchen und kann damit dem Landwirt Hinweise geben, wann was im Stall schiefläuft: Das ist die Idee von „VetVise“. 

Lesezeit: 5 Minuten

Das Auge des Herrn mästet das Vieh. Heißt so viel wie: Wer seine Tiere gut beobachtet und zur gegebenen Zeit handelt, erzielt die besseren Leistungen im Stall. Daran will auch das Start-up „VetVise“ im Grundsatz nichts ändern. Sein Ziel ist es, viele weitere Augen ins Spiel und in den Stall zu bringen – mit Kameras und Machine-Learning.

Vetvise, das sind die Gründer Norman Caspari, Johannes Schmidt-Mosig und Jakob Wendt. Damit haben sich ein Physiker, ein Tiermediziner und ein Entwickler zusammengetan. Ihre Technik ermittelt unter anderem, ob die Futteranlage kaputt, die Tiere krank oder die Lichtverhältnisse unpassend sind.

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MAGIE LIEGT AUF DEM PC

Die nötige Ausstattung dafür ist bewusst simpel. „Im Stall brauchen wir Kameras, Kabel und einen Internetanschluss, damit ist das System effektiv online", erklärt Norman Caspari. Den Prozess hat das vielseitig aufgestellte Team so entwickelt, das die Aufnahmen handelsüblicher 2D-Überwachungskameras ausreichen – ohne Schnickschnack. „Die Magie findet auf dem PC statt“, sagt Johannes Schmidt-Mosig. Auch damit hat sich das Team an die häufigen Begebenheiten auf dem Land eingerichtet: Eine LTE-Internetverbindung reicht für alle Prozesse raus und ist nicht zwangsläufig durchgehend nötig. Der PC liegt beim Landwirt. „Das Vertrauen in Clouddienstleister ist häufig noch gering. Wenn die Anwender Sorge um ihre Daten haben, können sie den PC theoretisch abends in den Safe schließen“, ergänzt er. Die herkömmlichen Kameras werden an mehreren Stellen im Geflügelstall verteilt.

TIER-TRACKING

Das entwickelte Assistenzsystem kann durch die Kameras verschiedene Verhaltensweisen von Schweinen und Masthähnchen ermitteln. Dazu hat das Team „in Handarbeit“ zunächst Videoaufnahmen ausgewertet. Das heißt, sie mussten zum Beispiel jedes einzelne Tier auf dem Bild kennzeichnen und dem Machine-Learning-Netz bzw. der KI „beibringen“, das zu erkennen. Als Ergebnis von rund 100.000 eingelernten Bildern kann das VetVise-System mittlerweile Aktivität und Geschwindigkeit, Flächennutzung und das Wachstum der Tiere ermitteln. Für die Praxis heißt das beispielsweise: Liegen mehr Schweine in einer Stallecke als sonst, kann das die KI sehen. Ebenso kann bestimmt werden, ob Hähnchen bestimmte Futterlinien meiden oder nachts plötzlich die Aktivität der Tiere steigt. „In einem Versuchsstall konnten wir zum Beispiel schnell herausfinden, dass andauernd ein Nachtlicht angegangen ist und die Tiere gestört hat“, sagt Norman.

Den Gründern zufolge ermittelt das System mittlerweile 95 % der Tiere sicher. „Die Erkennung der Tiere mit Hilfe eines einfachen lokalen PCs ist das, was wir derzeit im Vergleich zu Mitbewerbern einzigartig schaffen. Da bleiben wir in den nächsten ein bis zwei Jahren meiner Meinung nach führend“, ist Johannes sich sicher. Bisher arbeitet die Technik in einigen Testställen und für Versuche in Hochschulen. Die Hardware vertreiben sie dazu zum Selbstkostenpreis. Geld verdienen sie mit einer Nutzungsgebühr, die von der Anzahl an Kameras abhängt.

WER WILL DAS GLÄSERNE TIER?

Kritiker von digitalen Assistenzsystemen in der Tierhaltung bemängeln, dass ein Landwirt und seine Mitarbeiter selbst in der Lage sein müssen, solche Auffälligkeiten zu entdecken. Dafür brauche es keine KI und Kameras. Dem stimmen die Gründer grundsätzlich zu. Sie geben aber zu bedenken: „Unser System hilft dabei, kleine Faktoren, die guten Landwirten dabei helfen, gut zu bleiben oder noch besser zu werden, zu identifizieren“, sagt Norman Caspari. „Am Ende des Tages trifft weiterhin der Mensch die Entscheidung “, ergänzt Johannes.

Weltweit gesehen gibt es viele integrierte Betriebe, in denen von der Zucht bis zur Schlachtung die gesamte Wertschöpfungskette unter dem Dach und der Verantwortung eines Unternehmens laufen. - Auszug

Mit Blick auf die potenzielle Kundschaft sieht das Team weltweit Bedarf. „Für den mitteleuropäischen Raum und dessen Ansprüche an Tierwohl und Haltung ist unser System interessant, um Tierwohl noch besser nachweisbar zu machen“, erklärt Johannes. Das könnte für den Handel nützlich sein, wenn ein unabhängiges System belegen kann, ob die Tiere ihr gesamtes Leben optimal versorgt wurden – im Sinne eines gläsernen Produktionsprozesses.

Weltweit gesehen gibt es viele integrierte Betriebe, in denen von der Zucht bis zur Schlachtung die gesamte Wertschöpfungskette unter dem Dach und der Verantwortung eines Unternehmens laufen. Für diese zählen im Controlling harte Statistiken und Produktionszahlen: Sind die Produktionsbedingungen und das Tierwohl optimal, steigt die Schlachtausbeute. Das lässt sich über Kamerasysteme in verschiedenen Phasen der Aufzucht kontrollieren. „Durch die Technik erhöht sich allerdings nicht der Druck auf das Tier, sondern immer auf das Management“, macht Johannes deutlich.

NÄCHSTER SCHRITT: SCHLACHTHOF

Die Überwachung des Tierverhaltens ist auch für Schlachthöfe interessant: Die Treibgeschwindigkeit, Anzahl und Zustand der Tiere, die vom Hänger gehen, und deren Ruheverhalten sind wichtige Parameter für das Management und das Tierwohl. „Die bisherige Technik schaut sich den Menschen und seine Arbeit an. Wir schauen auf das Tier“, sagt Norman. Datenschutztechnisch sei das ein Plus. Die Gründer haben ein erstes Projekt dazu gestartet.

Am Schlachthof schließt sich auch der Kreis der Datenaufnahme: Denn zukünftig will VetVise Daten aus allen Prozessen der Tierproduktion verbinden: Kamera, Klimadaten und Schlachthofbefunde. Ermittelt der Schlachthof, dass z.B. die Fußballengesundheit der Hähnchen nicht gut ist, gibt das Rückschluss auf den Durchgang im Stall. Das Machine-Learning liefert Daten, wie der Durchgang lief, und kann in Verbindung mit Klima und Fütterung dann mögliche Faktoren identifizieren, so der Plan.

FINANZIERUNG OHNE MARKETING

Dass man in der breiten Öffentlichkeit bisher wenig von dem Start-up gehört hat, ist bewusst gewählt. „Wir wollen auf fachlicher Ebene überzeugen und nicht durch Veranstaltungen und Wettbewerbe“, sagt Norman Caspari. Auch für die Finanzierung war das erstmal nicht nötig: 2019 erhielt das Dreierteam ein Exist-Gründerstipendium und fand darauf drei Business Angel. Cashflow generieren sie seitdem zudem als Partner in Forschungsprojekten und mit Aufträgen von Unternehmen, die Ihre Versuche mit dem Assistenzsystem schneller und mit wenig Personal auswerten können. Die nächste größere Finanzierungsrunde soll 2022 anstehen.

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