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Prognosemodell für den Weinbau

Das Göttinger Start-up „VineForecast“ verspricht schlagspezifische Krankheitsprognosen für den Echten und Falschen Mehltau im Weinbau per App. Nutzer werden zur Mitarbeit eingeladen. 

Lesezeit: 7 Minuten

Paul und Richard Petersik, zwei Brüder aus der Umgebung von Berlin, wollen einen nachhaltigen Weinbau mit digitalen Lösungen fördern. Daraus entstanden ist das Start-up "VineForecast" – ein Prognosesystem für den Echten und Falschen Mehltau. Wir sprachen mit den Gründern im Interview.

top agrar: Was ist VineForecast und was genau bieten Sie an?

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Paul Petersik:VineForecast ist ein Prognosetool für Pilzkrankheiten im Weinbau, v.a. den Echten und Falschen Mehltau. Unsere langfristige Vision ist es, Winzern zu helfen, nachhaltiger zu wirtschaften und Fungizide einzusparen. Vorhersagen halten wir für besonders wichtig, weil es eben nicht ausreicht, zu wissen, ob eine Krankheit den Weinberg in diesem Moment infiziert, sondern auch in Zukunft infizieren wird. Dadurch, dass die meisten Fungizide nur protektiv wirken, muss man in die Zukunft blicken. Deswegen liegt unser Fokus eher auf der Vorhersage - und deshalb heißen wir nicht VineMonitoring, sondern VineForecast.

Und was unterscheidet Ihr Konzept von anderen Prognosemodellen? Mir ist z.B. VitiMeteo ein Begriff.

Petersik:Die Frage hören wir oft. Zunächst haben wir herausgefunden, dass sich pflanzenbauliche Prognosen auch ohne Wetterstationen und deutlich geringere Kosten treffen lassen. Unsere Modelle können mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 bis 95 % das Krankheitsrisiko im Weinbau vorhersagen. Darüber hinaus bleiben wir bezahlbar. Das ist eine zentrale Forderung eines jeden Winzers.

Es gibt eine Menge Forschung zu dem Thema. Diese Forschung fundiert auf Wetterstationen und ist damit meist nur sehr kostspielig zugänglich. Das ist eigentlich der Kern. Wir können das, was die Forschung schon hergibt, in die Fläche rechnen und jedem Weingut individuell zugänglich machen.

DIE TECHNIK

Wie funktioniert Ihre Technik denn dann? Schließlich sagen Sie, dass Sie keine Wetterstationen benötigen. Muss der Winzer im Gegenzug überall Blattnässe-Sensoren installieren?

Petersik:Nein. Wir arbeiten mit „virtuellen Wetterstationen“. Diese Bezeichnung macht die Erklärung etwas verständlicher. Wir haben Zugriff auf mehr als 13 Millionen Stundenwerte von verschiedenen Wetterstationen, unter anderem vom Deutschen Wetterdienst. Diese nutzen wir auf Basis anderer Daten als Grundlage. Darunter fallen Wettervorhersage-Modelle, also Simulationen von Wetter, die die Zukunft abbilden, aber ebenso in der Vergangenheit zur Verfügung stehen.

Wir können das, was die Forschung schon hergibt, in die Fläche rechnen und jedem Weingut individuell zugänglich machen. - Paul Petersik

Diese Modelle sind Flächendaten, die uns in ganz Deutschland zur Verfügung stehen. Sie haben eine Pixel-Auflösung von einem Kilometer für die Vergangenheit und werden größer, je weiter man in die Zukunft blickt. Auf diese 13 Millionen Stundenwerte haben wir einen Machine-Learning-Algorithmus trainiert. Mit diesem können wir Wetterstationen „imitieren“. Das ist dann so etwas wie eine virtuelle Wetterstation, die wir überall hinstellen können, wo wir wollen und diese Flächendaten zur Verfügung haben.

Kann es auch mal sein, dass diese Flächendaten auf irgendeiner Fläche nicht zur Verfügung stehen?

Petersik:Unsere Technik benötigt lediglich die Koordinaten der Weinberge. Anschließend bezieht es die nächstliegenden Datenpunkte der Wettervorhersage-Modelle. Die aktuellen Modelle sind insbesondere auf Deutschland oder das nahe Umland beschränkt. Im Ausland wird zukünftig mit globalen Wetter-APIs gearbeitet.

HERAUSFORDERUNGEN BEI DER GRÜNDUNG

Wie schaffen Sie es, die Prognosen schlagspezifisch vorherzusagen?

Petersik: Zum Interpolieren auf Einzelschlagebene nutzen wir topografische Daten mit einer sehr hohen Auflösung von 25 x 25 m. Diese topografischen Punkte können erkennen, ob an dem jeweiligen Punkt eher ein Tal oder ein Hügel vorliegt. Dies hilft uns, verschiedene Effekte zu erkennen, wie zum Beispiel einen Cold Pool. Einen Cold Pool nennt man in der Meteorologie einen Kaltluftsee, der sich nachts in Tälern bilden kann. Gegenwärtige Wettermodelle können Cold Pools häufig nicht sauber auflösen und ein aufkommendes Frostereignis deshalb gerne mal übersehen. Aber dadurch, dass wir unsere Algorithmen u. a. mit Wetterstationen trainiert haben, welche genau in solchen „Cold-Pool-Tälern“ stehen, können wir die Wettervorhersage für unsere Kunden deutlich verbessern.

Hört sich kompliziert an. Wo lagen die Probleme? Wahrscheinlich eher auf der technischen Seite?

Petersik:Rein fachlich gesehen hatten wir tatsächlich eher weniger Probleme. Die größeren Herausforderungen lagen vielmehr in der operationellen Umsetzung. Das bedeutet: Die ganzen Daten, die wir jeden Tag vom Deutschen Wetterdienst beziehen müssen, zu verarbeiten und für die Nutzer zu integrieren. Hinzu kommt, dass die Nutzer ihre Beobachtungen, z. B. über die Phänologie oder beobachtete Krankheiten, bei uns eingeben können. Diese Daten haben einen langfristigen Einfluss auf die Machine-Learning-Modelle und passen die App Stück für Stück auf die Gegebenheiten eines Schlages an.

Wie erhalten Sie Feedback aus der Praxis?

Dieses Jahr sind wir schon darauf ausgerichtet, mehr Nutzer zuzulassen. Und deswegen sind wir natürlich konsequent auf der Suche nach Kunden. Vor allem nach Kunden, die Bock haben, ihre Ideen mit einzubringen. Nach Kunden, die VineForecast noch nicht als absolut fertiges Produkt ansehen und sagen: „Ich konsumiere das Produkt lediglich“. Die Kunden sollen eher sagen: „Hier habe ich die Chance, ein Produkt in meinem Sinne zu formen.“ Dieser enge Austausch war von Anfang an unser Ansatz. Und das hat sich als sehr wertvoll herausgestellt. VineForecast würde heute nicht so aussehen, wenn wir nicht in einem stetigen Austausch mit unseren Winzern gestanden hätten.

VineForecast würde heute nicht so aussehen, wenn wir nicht in einem stetigen Austausch mit unseren Winzern gestanden hätten. - Paul Petersik

Auf Ihrer Website bieten Sie verschiedene Abonnements an. Diese liegen zwischen 22 und 40€ pro Monat. Die Preise sind allerdings eher auf kleinere Betriebe ausgerichtet. Können auch größere Betriebe von den Angeboten profitieren?

Petersik:Wir haben viele Anfragen von großen Betrieben. Hier sagen wir aber auch der Fairness halber, dass uns immer noch einige Funktionen fehlen, die ein großer Betrieb wahrscheinlich benötigen würde. Beispiele wären u.a. die Möglichkeiten, seinen Betrieb in Cluster aufzuteilen oder Shapefiles automatisch zu importieren. Die App ist daher auf eine Betriebsgröße von bis zu ca. 15 ha ausgerichtet. Wenn jemand darüber dabei sein möchte, kann er das Programm natürlich auch nutzen. Es läuft ganz genauso. Lediglich die Funktionalität ist nicht ganz darauf angepasst.

FINANZIERUNG UND FÖRDERUNG

Nun arbeiten Sie beide schon für eine gewisse Zeit hauptberuflich für VineForecast. Planen Sie mit Investoren oder sind Sie schon investiert bzw. gefördert?

Petersik:Ich bin seit Ende 2020, also ca. einem Monat vor EXIST-Förderung, bei VineForecast hauptberuflich beschäftigt. Paul macht das schon ein bisschen länger. Er hat 2019 nach seinem Studium direkt angefangen und auch viel Eigenkapital investiert. Unsere EXIST-Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium ist Ende Oktober ausgelaufen. Für die kommende Zeit suchen wir auf jeden Fall nach Investoren.

Sie kommen aus der Betriebswirtschaft bzw. Klimaphysik. Wie kommen Sie dazu, ein Start-up zu gründen, das sich mit Pilzkrankheiten im Weinbau beschäftigt?

Petersik: Der Bezug zum Weinbau war immer schon da, weil unsere Eltern mit uns oft Urlaub auf Weingütern gemacht haben. In dieser Zeit waren wir viel unterwegs und haben bei der Lese geholfen. So entwickelte Paul die Leidenschaft zum Weinbau. Er absolvierte Praktika und wollte eigentlich immer Winzer werden. Im Endeffekt hat es ihn aber zur Meteorologie verschlagen. Darüber hat er den Weg zum Weinbau gefunden. Ganz weit weg sind wir von der Landwirtschaft also nicht, aber wir besitzen keinen eigenen Weinberg oder stammen aus einer Winzer-Familie.

ZUR KONTAKTAUFNAHME

Hier können Sie die Gründer von VineForcast kontaktieren.

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