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Precision Farming

Wissen schlägt Technik

Beim Precision Farming werden die Teilflächen eines Feldes punktgenau bearbeitet. Diesen Prozess will Peer Leithold mit seinem Unternehmen „Agricon“ automatisieren und den Pflanzenbau digitalisieren.

Lesezeit: 6 Minuten

Dieser Artikel erschien zuerst in f3 farm. food. future.

Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich Peer Leithold, Geschäftsführer von „Agricon“ aus Ostrau in Sachsen, bereits wissenschaftlich mit dem Pflanzenbau. Als Sohn eines Landwirtes vertiefte er sein Wissen durch ein agrarwissenschaftliches Studium in Berlin und Halle an der Saale. Danach arbeitete er als Berater im Bereich Agraranalytik, als die Anfänge des Precision Farming Ende der 1990er Jahre sichtbar wurden. „Man betrieb damals Acker- und Pflanzenbau auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das macht man auch heute noch. Mehr ist Precision Farming nicht“, ordnet er den Hype ein. Denn Begriffe dafür gibt es mittlerweile viele: Präzisionsackerbau, teilschlagbezogene Landwirtschaft, Computer-Aided oder auch Smart Farming.

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Um Dünger oder Pflanzenschutzmittel so präzise wie möglich einsetzen zu können, müssen eine ganze Reihe von Feldversuchen, Berechnungen und Programmierarbeiten durchgeführt werden. Was bisher analog und erfahrungsgetrieben war, automatisieren und digitalisieren Peer und sein Team. Agricon hat Lösungsansätze entwickelt, um Maschinenflotten, Arbeitsgeräte und Betriebsmittel in Großbetrieben exakt zu planen und effizient einzusetzen. Weil sich das Unternehmen schon seit der Gründung 1997 damit beschäftigt und mittlerweile 100 Mitarbeiter zählt, ist es kein Start-up im eigentlichen Sinne mehr.

Datenmanagement im Auftrag des Landwirts

Wie digitaler Pflanzenbau im Detail aussehen kann, verdeutlicht Peer am Beispiel der Stickstoff-Düngung. Sensoren messen dabei die Stickstoffaufnahme der Pflanzen auf Grundlage reflektierter Wellenlängen. Die gemessenen Werte werden direkt im Sensor über Regelfunktionen in eine Empfehlung umgewandelt. Diese wird dann vom Düngerstreuer verarbeitet. Der Algorithmus berechnet in Echtzeit, wie viel Stickstoff der Pflanze für ein optimales Wachstum zugeführt werden muss. Über eine Schnittstelle ist der Sensor zusätzlich mit dem Cloud-basierten Datenportal "agriPORT" vernetzt. Dort werden alle Informationen des Sensors gesammelt und die Arbeiten dokumentiert.

Die Technik ist nur ein Hilfsmittel. Wenn man als Landwirt die Praxis nicht beherrscht, dann bringt auch die modernste Technik nichts." - Peer Leithold

Ein zweites Standbein von Agricon ist die Optimierung der Grunddüngung. Dabei nehmen die Regionaltechniker des Unternehmens Bodenproben, die dann in einem Labor analysiert und nach Teilschlag und Bodengruppe klassifiziert werden. Die optimale Düngemenge an Phosphor, Kali und Magnesium sowie Kalk wird dann auf Grundlage dieser Daten für alle Schläge automatisch berechnet. Vom Datenportal aus wird im Anschluss eine entsprechende Streukarte „over the air“ auf ein Terminal exportiert. „Alle Berechnungen laufen im Hintergrund ab. Unser System führt sie im Auftrag des Landwirtes durch. Er bekommt in der Regel nichts davon mit“, sagt Peer.

Der Sensor auf dem Traktor misst die Stickstoffaufnahmen der Pflanzen auf dem Feld. Der Algorithmus von Agricon berechnet in Echtzeit, wie viel Dünger der Streuer auf den Teilflächen ausbringen soll. (Fotos: Agricon).

Damals und heute

Schon bevor es Agricon gab, wurden Düngemittel teilschlagbezogen ausgebracht. „GPS war eine Schlüsseltechnologie für Maschinen auf dem Feld. Man konnte damit Ende der 1980er Jahre erstmals Teilflächen präzise lokalisieren und bearbeiten“, erklärt Peer. Ende der 1990er Jahre kamen dann Sensoren, später Softwaresysteme und digitale Streukarten dazu. Der Ackerbau wurde dadurch immer präziser.

Der Landwirt muss sehen, was die Maschine macht, um die Entscheidung mittragen zu können." - Peer Leithold

Peer warnt jedoch vor zu großer Technikversessenheit: „Die Technik ist nur ein Hilfsmittel. Wenn man als Landwirt die Praxis nicht beherrscht, dann bringt auch die modernste Technik nichts“, beteuert er. Zudem sind Wissen und Know-how im digitalen Pflanzenbau seiner Ansicht nach immer noch essentiell, genau wie eine stetige Weiterbildung. „Im Jahr 2000 hatten wir gerade einmal 25 Prozent des Wissens, das wir heute besitzen. In zehn Jahren werden wir noch einmal mehr Know-how haben“, ist er überzeugt.

Keine Technik ohne Beratung

„Keine Technik ohne Beratung“ lautet deswegen das Motto von Agricon. Vor acht Jahren wurde dafür ein internationales Kompetenzzentrum auf dem Firmengelände von Agricon in Ostrau fertiggestellt, in dem heute regelmäßig Schulungen stattfinden. „Wir zeigen hier, wie die Sensortechnik und der Algorithmus funktionieren. Der Landwirt muss sehen, was die Maschine macht, um die Entscheidung mittragen zu können“, sagt Peer. Auch deshalb werden Neukunden im ersten Jahr nach dem Kauf eines Sensors mehrfach auf ihren Betrieben von einem Fachberater besucht, der den Integrationsprozess der Technik begleitet.

Zur Zielgruppe von Agricon gehören Vollerwerbsbetriebe ab 300 ha Ackerland aufwärts. Die Anschaffung eines Sensors schlägt einmalig mit 24.000 € zu Buche. Für rund 2.000 € erhalten die Kunden darüber hinaus ein Service- und Beratungspaket mit einer Lizenz für das Datenmanagement in agriPORT, der aktuellsten Version der Precision Farming-Software, Installation und Wartung des Sensors, Zugang zu einer Service-Hotline sowie die Einführung im ersten Jahr und Betreuung in der Zeit danach.

Besser kann man Feldforschung gar nicht machen: Nur zuhören, was die Landwirte aktuell bewegt." - Peer Leithold

Agricon selbst produziert keine Hardware, sondern verknüpft herstellerunabhängig Sensoren mit Maschinen. Nach eigenen Angaben verdient ein Landwirt durch das N-Düngungsverfahren pro Hektar und Jahr in etwa 100 €. Bei einer Betriebsgröße von 1.200 Hektar würde sich demnach die Investition bereits nach zwei Jahren rentieren. Zirka 2.000 Kunden, mehrheitlich in den neuen Bundesländern und Osteuropa, betreut Agricon heute. Bis 2023 wollen die Sachsen weitere Organisationsstrukturen in Skandinavien, BeNeLux und Frankreich aufbauen.

Die Änderung muss in den Köpfen stattfinden

Die größte Herausforderung für AgTech-Unternehmen bestünde derzeit jedoch noch in den Köpfen der Landwirte. Sie müssen zunächst einmal verstehen, dass sie ihr Managementsystem ändern und digitalisieren müssen, so Peer. Eine solche Umstellung sollte allerdings strategisch und auf vier bis sechs Jahre ausgerichtet sein. Auch Sorgen um die Datensicherheit treiben die Landwirte um. Bei Agricon liegen alle Daten auf Servern in Thüringen und sind nach deutschem Datenschutzrecht gesichert. Peer betont: „Ich mache nichts mit den Daten. Ich verkaufe dem Landwirt keine Traktoren oder Düngemittel. Ich bin auch nicht das Amt, dass ihn überwacht. Ich bin lediglich der Treuhänder, der die Daten für ihn managt“. Was die Sensoren- und Maschinen-Hersteller mit den Daten machen, dafür kann Peer keine Garantie abgeben.

Für den Vertrieb setzt der Unternehmer auf den langsamen Beziehungsaufbau zum Kunden. In regelmäßigen Austausch-Treffen mit Betriebsleitern lernen Peer und sein Team, was den Landwirten fehlt und was sie benötigen. „Besser kann man Feldforschung gar nicht machen: Nur zuhören, was die Landwirte aktuell bewegt“. Werte wie „made in Germany“ und „familiengeführt“ sind dabei wichtig. Mit Investitionen wird umsichtig umgegangen. Sie werden aus liquiden Mitteln finanziert. Die nächste technische Innovation steht schon in den Startlöchern. Auch auf die nächste Generation muss nicht mehr lange gewartet werden: „Mit meinem Sohn, der seit ein paar Jahren im Unternehmen arbeitet, habe ich bereits einen Nachfolger“, sagt Peer.

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