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Anbau von Arzneipflanzen: Nische mit Potenzial

Heilpflanzen auf deutschen Äckern? Warum Pharmaunternehmen wieder auf heimischen Anbau setzen und welche Hürden Landwirte erwarten, erklärt Vermarktungsexperte Dr. Christian Matthes im Interview.

Lesezeit: 4 Minuten

Arzneipflanzen wie Fenchel, Baldrian oder Zitronenmelisse sind gefragte Rohstoffe für die Pharmaindustrie. Wer als Landwirt in den Anbau einsteigt, braucht Risikobereitschaft und viel Präzision – doch der Aufwand kann sich lohnen. Dr. Christian Matthes ist Geschäftsführer der agrimed GmbH aus Hessen, die sich seit über 35 Jahren auf die Vermarktung von Heil- und Gewürzpflanzen spezialisiert hat. Im Interview mit top agrar gibt er Einblicke in den Nischenmarkt – und zeigt auf, warum Einstieg und Erfolg eng mit Qualitätsanforderungen, der richtigen Technik und sorgfältiger Planung verknüpft sind.

Warum ist heimischer Arzneipflanzenanbau wieder gefragt?

Dr. Matthes: Tatsächlich werden viele Arzneipflanzen nach wie vor aus Wildsammlungen importiert – also dem Sammeln von Pflanzen in der freien Natur. Das geschieht oft unter fragwürdigen sozialen Bedingungen und ohne gesicherte Qualität. Vor allem größere deutsche Pharmaunternehmen legen inzwischen Wert auf nachvollziehbare Herkunft und nutzen heimischen Anbau gezielt als Qualitätsmerkmal.

 

Was bremst den heimischen Anbau?

Dr. Matthes: Vor allem die hohen Produktionskosten. Arzneipflanzen erfordern viel Handarbeit – etwa bei der Unkrautkontrolle – und damit hohe Personalkosten. Mit dem steigenden Mindestlohn von 15 € wird es immer schwieriger, wirtschaftlich zu produzieren.

Der Einstieg erfordert Mut - und die Bereitschaft, Risiken zu tragen."
Dr. Christian Matthes

Was müssen Landwirte wissen, die in den Anbau einsteigen wollen?

Dr. Matthes: Der Einstieg erfordert Mut – und die Bereitschaft, Risiken zu tragen. Der Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen kann gut gehen, doch ebenso schnell zum wirtschaftlichen Desaster werden. Es spielen viele umweltbedingte Faktoren eine Rolle, auf die man keinen Einfluss hat. Diese wirken sich, wie im klassischen Ackerbau, direkt auf Ertrag und Qualität aus. Bei Heil- und Gewürzpflanzen ist es jedoch so, dass nur Produkte mit einem positiven Analysezertifikat überhaupt einen Marktwert haben. Das Analysezertifikat bestätigt, dass der Rohstoff die festgelegten Anforderungen an Inhaltsstoffe und Schadstoffe erfüllt. Werden diese nicht eingehalten, nehmen Unternehmen das Produkt entweder gar nicht oder nur zu einem deutlich niedrigeren Preis ab.

Was sollte man als Landwirt noch mitbringen?

Dr. Matthes: Man braucht Geduld: Der Erfolg einer Kultur zeigt sich nicht nach einem Jahr. Viele Heil- und Gewürzpflanzen – etwa Fenchel – wachsen mehrjährig und bleiben bis zu drei Jahre auf dem Feld. Im ersten Jahr fällt der Ertrag noch gering aus, während das zweite und dritte Jahr die Hauptmengen bringen.

Dafür braucht es eine durchdachte Fruchtfolge und ausreichend Fläche. Besonders Doldenblütler wie Fenchel oder Anis reagieren empfindlich auf Krankheiten. Wer diese Kulturen auf beispielsweise 20 ha anbaut, muss allein rund 100 ha zur Verfügung haben, um eine vier- bis fünfjährige Anbaupause für die Flächenrotation einzuhalten.

 

Kann man als Landwirt auch allein, ohne Geschäftspartner, in den Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen einsteigen?

Dr. Matthes: Das ist riskant. Bevor man mit dem Anbau von Arzneipflanzen startet, sollte man schon eine funktionierende Vermarktungskette aufgebaut haben. Ansonsten kann man einen massiven Schaden anrichten – sowohl für sich selbst als auch auf dem Markt. Denn der ist extrem sensibel. Neben der gesicherten Vermarktung, sind auch das technische Verständnis und ein gewisses Startkapital notwendig.

 

Mit welchen Investitionen müssen Interessierte zu Beginn rechnen?

Dr. Matthes: Man braucht spezielle Ernte- und Trocknungstechnik. Pfefferminze kann man beispielsweise nicht mit einem Mähdrescher ernten – für den Fenchelanbau funktioniert das zwar, aber auch hier muss die Erntetechnik so sauber sein, dass keine Kreuzkontamination mit Allergenen erfolgt. Jedes Getreide ist ein potenzielles Allergen und die Anforderungen der verarbeitenden Unternehmen sind in diesem Bereich sehr streng. Neben den Investitionskosten zu Beginn, sollte man die hohen Energiekosten für die Trocknung im Blick haben. Die Trocknung ist notwendig, um die Rohstoffe lange haltbar zu machen.

 

Welche Märkte bedient die agrimed?

Dr. Matthes: Unser wichtigster Absatzbereich ist die Pharmaindustrie für pflanzliche Arzneimittel. Daneben beliefern wir Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, Babynahrung, aber auch Kleintiernahrung sowie Anbieter von Tee, Kräutern und Gewürzen.

 

Wie ist die agrimed strukturiert?

Dr. Matthes: Ihre Ursprünge hat die agrimed in Hessen, dort befindet sich heute noch unser Verwaltungssitz. Inzwischen arbeiten wir mit Partnerbetrieben in ganz Deutschland zusammen, vor allem in Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Die meisten dieser Höfe sind reine Ackerbaubetriebe ohne Tierhaltung. Etwa 75 % der Landwirte sind zugleich Gesellschafter der agrimed. Jährlich bauen die Landwirte rund 80 verschiedene Heil- und Gewürzpflanzen an. Darunter gibt es Betriebe, die viele verschiedene Kräuterarten im Anbau haben, aber auch Betriebe, die auf ein bis zwei Kräuter spezialisiert sind.

 

Welche Rolle spielt der ökologische Anbau?

Dr. Matthes: Bei unseren Partnerbetrieben ist es so, dass etwa ein Drittel unserer Partnerbetriebe ökologisch wirtschaftet. Zwei Drittel arbeiten konventionell. Im Tee-, Kräuter- und Gewürzbereich ist der ökologische Anbau sehr gefragt, weil Verbraucher diese direkt verzehren und großen Wert auf die Qualität legen. In der Pharmaindustrie spielt Bio bislang kaum eine Rolle.

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