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topplus Scheunengespräch Biodiversität

Prof. Tscharntke: Kleine Äcker haben enormes Potenzial für mehr Biodiversität

Viele Landwirte sind bereit, etwas für Biodiversität zu tun oder sind schon aktiv. Oft fehlt ihnen aber die Expertise oder eine angemessene Finanzierung. Doch es gibt bereits Lösungsansätze. ​

Lesezeit: 8 Minuten

In der derzeitigen Lage, die unter anderem von Krieg, steigenden Preisen, Wetterveränderungen und allgemeiner Planungsunsicherheit geprägt ist, stehen Themen wie Biodiversität für die Landwirtschaft nicht unbedingt ganz oben auf der Tagesordnung. Jedoch verliert das Thema, auch mit Blick auf die Zukunft, bei vielen Landwirten nicht an Bedeutung. Das zeigte nicht zuletzt der rege Austausch beim digitalen top agrar Scheunengespräch zum Thema Biodiversität in der Landwirtschaft. Rund 130 Teilnehmer aus Praxis, Wissenschaft und Unternehmen tauschten sich über Maßnahmen, Umsetzung und Finanzierung aus. Unterstützt wurde die Veranstaltung von BASF und der Rentenbank.

Eine erste Einschätzung aus der Wissenschaft lieferte Prof. Dr. Teja Tscharntke, Agrarökologe an der Uni Göttingen, im Einführungsgespräch. „Da die Landwirtschaft über 50 % der Fläche ausmacht, hat sie unmittelbaren Einfluss auf die Biodiversität“, so der Wissenschaftler. Daher sei sie noch vor dem Klimawandel der tragende Faktor – auch für den Verlust von Biodiversität, z. B. durch Vergrößerung von Flächen oder engere Fruchtfolgen. Tscharntke räumte zugleich ein, dass die Landwirtschaft durch die Öffnung und das „Mosaik“ der Landschaften sehr vielen Arten einen Lebensraum geschaffen hat, die vorher nicht da waren. Dennoch waren die letzten 20 Jahre Tscharntke zufolge von einem Rückgang vieler Arten geprägt.

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Kleine Flächen für mehr Biodiversität?

Laut Tscharntke haben kleine Ackerflächen ein enormes Potenzial für mehr Biodiversität. „Untersuchungen haben gezeigt, dass wenn man Flächen von 6 ha auf 1 ha reduziert, es dort sechsmal mehr Arten gibt. Das ist deutlich mehr als die reine Zielsetzung von z. B. 30 % Ökolandbau“, betonte der Wissenschaftler. Tscharntke ist sich aber auch bewusst, dass eine starke Verkleinerung der Flächen mit erheblichen Kosten einhergeht.

Daran knüpfte Landwirt Jürgen Maurer an. Er bewirtschaftet einen Betrieb mit 190 ha in Baden-Württemberg und nimmt als Demobetrieb beim FRANZ-Projekt teil. Insgesamt hat Maurer knapp 10 % seiner Flächen für Biodiversität aus der Produktion genommen. Trotz seiner Bemühungen für den Artenschutz forderte der Landwirt eine gerechte Entlohnung für den Aufwand und die Leistungen.

Biodiversität braucht die beste Entlohnung, die man im Ackerbau generieren kann, erst dann wird sie umgesetzt und findet Akzeptanz.“ - Jürgen Maurer

„Wenn ich Extensivgetreide anbaue, habe ich zwischen 30 und 70 % Ertragsverlust. Das muss monetär ausgeglichen werden. Biodiversität braucht die beste Entlohnung, die man im Ackerbau generieren kann, erst dann wird sie umgesetzt und findet Akzeptanz.“ Wenn sie durch eine Überregulierung an Vorschriften reglementiert wird, und man maximal einen Ausgleich für den Aufwand bekommt, dann werden die Maßnahmen laut Maurer nicht umgesetzt. Wichtig ist ihm daher, Erkenntnisse wie etwa aus dem FRANZ-Projekt in die Landesprogramme zu übertragen und auch in der GAP zu berücksichtigen.

Potenzial bei kleinen und „Eh da“-Flächen

Teja Tscharntke nannte einen weitern Punkt, der in GAP-Verhandlungen einfließen müsse: „Es ist in der Vergangenheit überschätzt worden, dass Biodiversitätsmaßnahmen immer auf großen Flächen umgesetzt werden müssen. Es können aber auch kleine Flächen in Vernetzung miteinander einen großen Effekt haben.“ Das sieht Jürgen Maurer ähnlich. „Flächen, die kleiner als 1.000 m² sind werden im Antrag nicht berücksichtigt, oder müssen als Puffer-/Gewässerrandstreifen einem Gewässer zugeordnet werden, um hier überhaupt Biodiversität produzieren zu können." Er versucht, auch dort Maßnahmen umzusetzen, egal ob mit oder ohne Förderung.

Kombination und Vernetzung entscheidend

Dass es auf die Kombination unterschiedlicher Maßnahmen ankommt, machten Markus Röser (Leiter Nachhaltigkeit und Kommunikation bei BASF) und die Landwirtin Jana Gäbert deutlich. „Wir versuchen beispielsweise, mehrjährige Blühflächen mit Brachen mit Rohboden zu kombinieren und diese dann noch am Waldrand zu platzieren“, so Gäbert, die einen Betrieb mit 4.000 ha in Brandenburg leitet. Genau solches Verbinden der Maßnahmen strebt das Biodiversitätsprojekt von BASF eben auch an. „Es sollen 10% vernetzte Biodiversitätsfläche in Deutschland entstehen“, informierte Röser. „Aber ohne Verlust von Ertrag oder Flächen.“ Bislang seien rund 20.000ha Biodiversitätsfläche durch die Initiative in Deutschland erschlossen worden. Nach der Inspiration des digitalen Scheunengesprächs werden es vielleicht noch ein paar mehr. Teilnehmende Betriebe erhalten eine finanzielle Vergütung für ihre freiwilligen Maßnahmen.

Zahlt der Verbraucher für Biodiversität?

Einen eigenen Weg für mehr Biodiversität ist Landwirt Tobias Krutemeier gegangen. Sein Start-up „Feldwerk“ zielt bewusst auf die Kommunikation und den Dialog mit dem Verbraucher. „Wir haben die Online-Plattform Feldwerk geschaffen und vermitteln u. a. Blühpatenschaften an interessierte Personen.“ Egal ob Landwirt oder Unternehmen – alle, die in der eigenen Region aktiv werden möchten, können mit Feldwerk selbstständig und auf eigene Faust in der Nachhaltigkeit aktiv werden.

Ob aber wirklich eine Zahlungsbereitschaft beim Verbraucher dafür vorhanden ist, wurde kontrovers diskutiert. Nach Ansicht von Teja Tscharntke ist der Ökolandbau ein gutes Beispiel dafür, dass der Verbraucher bereit ist zu zahlen. Daher könnte er sich für Biodiversität z. B. verpflichtende Labels oder Standards vorstellen. Es gelte, den Verbraucher zu sensibilisieren. Jürgen Maurer entgegnete: „Die Bereitschaft vieler Verbraucher ist da, aber an der Ladentheke sieht das anders aus.“

In der Praxis gibt es bereits ein Label, das Biodiversität bewusst fördert: Über das Programm "Landwirtschaft für Artenvielfalt" erhalten Biobetriebe einen finanzielle Entlohnung für freiwillige Maßnahmen auf ihren Flächen. Über ein Siegel auf Produkten wie Fleisch oder Apfelsaft ist das für den Verbraucher ersichtlich. "Seit 2012 setzt sich der WWF gemeinsam mit Öko-Anbauverbänden wie Biopark sowie EDEKA und dem Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung für den Schutz und die Förderung wildlebender Tier- und Pflanzenarten in der deutschen Agrarlandschaft ein", so Biologe Frank Gottwald in seinem Vortrag.Basis für das Programm sind landwirtschaftliche Betriebe, die bereit sind, zusätzliche Naturschutzleistungen zu erbringen.Mit über 170 teilnehmenden Landwirten und insgesamt 52.000 ha landwirtschaftlicher Fläche sei “Landwirtschaft für Artenvielfalt” das größte privat finanzierte Artenschutzprogramm in der deutschen Agrarlandschaft.

Andere Wege der Finanzierung

Abseits der klassischen Förderungen stellten die Referenten in Kurzvorträgen alternative Finanzierungsmöglichkeiten dar. Margarethe Schneider vom Online-Marktplatz „AgoraNatura“ erläuterte, wie Landwirte Biodiversitätsprojekte per Crowdfunding finanzieren können. Landwirt Christian Ringenberg etwa konnte auf diesem Weg Moorfroschinseln auf 3,5 ha anlegen. Er bewirtschaftet einen Betrieb mit rund 1.000 ha nahe Greifswald. Sein Vorhaben wurde durch Privatpersonen über den Kauf von Zertifikaten unterstützt. Rückblickend für ihn ein sinnvolles Projekt. „Ich wusste nicht, was ein Moorfrosch ist und dass die sich auf meinen Flächen tummeln“, so Ringenberg rückblickend. Über AgoraNatura erhielt er Unterstützung bei der Umsetzung. „Auch konventionelle Betriebe können im kleinen Rahmen etwas für die Artenvielfalt tun, sie müssen sich nur damit befassen.“

Für mehr Durchblick im Dschungel der Fördermöglichkeiten – egal ob öffentlich oder privat – will das Start-up „biodivers“ sorgen. Ein kostenloses Tool soll Landwirten alle ihnen zur Verfügung stehenden Umweltfördermaßnahmen aufzeigen und sie bei der Planung unterstützen. Über Zertifikate sollen Unternehmen dann die Vorhaben unterstützen können. Derzeit steckt biodivers aber noch in der Pilotphase und testet die Plattform mit Landwirten in Niedersachsen.

Doppelförderung: staatlich und privat?

Bei der Vielzahl an Finanzierungsmöglichkeiten kam auch das Thema „Doppelförderungen“ auf derselben Fläche zur Sprache – staatliche Gelder plus Förderung durch Unternehmen und Privatpersonen. Laut Peter Gräßler, Biodiversitätsberater der LWK NRW, ist es grundsätzlich möglich, doppelte Förderungen für ein und dieselbe Maßnahme bzw. Fläche zu erhalten. Wichtig sei aber eine transparente Kommunikation, z. B. gegenüber Unternehmen. Georg König von biodivers betonte, dass die Doppelförderung die Umsetzung von Maßnahmen für einige Landwirte oft erst interessant mache. Andere Teilnehmer hingegen sahen diesen Weg eher kritisch. Grundsätzlich waren sich die Diskutanten einig, dass Biodiversität ein gutes Instrument ist, mit dem Landwirte werben können und sollten, genau wie es Unternehmen auch tun.

„Auch kleine Betriebe können etwas tun“

Einblicke in die Praxis lieferte Landwirtin Jana Gäbert, Betriebsleiterin der Agrargenossenschaft Trebbin und Mitglied im BASF FarmNetzwerk Nachhaltigkeit. Dort werden mittlerweile 56 Betriebe Maßnahmen erproben und wissenschaftlich begleitet. Gäbert stehen dafür in Brandenburg rund 4.000 ha Fläche zur Verfügung, mit überwiegend märkischem Sand, durchschnittlich 23 Bodenpunkten und sehr wenig Niederschlag. Doch davon solle man sich nicht abschrecken lassen. „Es gibt durchaus auch punktuelle Maßnahmen wie die Anbringung von Nistkästen, die auch kleine Betriebe durchführen können", so die Landwirtin. Sie selbst sendete ermutigende Botschaften, als Landwirt ebenfalls in die Förderung der Artenvielfalt einzusteigen. „Das ist wie eine Einstiegsdroge“, scherzte Gäbert. „Dann sieht man erste Erfolge und macht weiter.“ Die sichtbaren Effekte helfen dann auch über bürokratische Hürden hinweg, die es leider auch gebe, waren sich Röser und Gäbert einig. „Wir sehen einfach, wie sich die Natur verändert“, sagte die Landwirtin.

Es gibt durchaus auch punktuelle Maßnahmen wie die Anbringung von Nistkästen, die auch kleine Betriebe durchführen können." - Jana Gäbert

Über 200 verschiedene Wildbienenarten und neu angesiedelte Schwalbenkolonien sind da nur die am leichtesten sichtbaren. Ein wissenschaftliches Monitoring begleitet die teilnehmenden Landwirte und leitet daraus für die Betriebe entsprechende Empfehlungen ab, welche Maßnahmen für welche Effekte am besten eingesetzt werden sollten.

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