Digitale Technologien gelten als Schlüssel für eine produktivere und nachhaltigere Landwirtschaft. Doch wie weit ist die Digitalisierung auf deutschen Ackerbaubetrieben tatsächlich fortgeschritten? Eine aktuelle Studie des Arbeitsbereichs Landwirtschaftliche Betriebslehre der Georg-August-Universität Göttingen, unter der Leitung von Dr. Marius Michels und Prof. Dr. Oliver Mußhoff, gibt einen Überblick über den Stand der Digitalisierung auf deutschen Ackerbaubetrieben. Es wurde untersucht, welche von 32 digitalen Technologien Landwirten bekannt sind, welche sie bereits nutzen und in welche sie in den nächsten 12 Monaten investieren wollen.
Die fünf Technologiekategorien im Überblick
In der Studie wurden die digitalen Technologien in fünf Kategorien eingeteilt:
Aufzeichnungs- und Kartierungstechnologien: Diese Technologien sammeln Informationen über Boden, Pflanzen und Mikroklima. Dazu gehören Bodensensoren, Erntesensoren, Ertragskartierung, Drohnen sowie Satelliten zur Bestandsüberwachung.
Lenksysteme und kontrollierte Befahrungssysteme: Hier werden landwirtschaftliche Fahrzeuge auf festgelegten Bahnen gelenkt. Diese Systeme reduzieren Überlappungen bei der Ausbringung von Betriebsmitteln, schonen den Boden und tragen zur Kraftstoffeinsparung durch Vermeidung unnötiger Überfahrten bei.
Variable Applikationstechnologien: Diese ermöglichen eine teilflächenspezifische Ausbringung von Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Wasser entsprechend dem individuellen Pflanzenbedarf.
Robotersysteme und intelligente Maschinen: Hierunter fallen Technologien wie Feldroboter sowie automatische Hacktechnik, die die Landwirtschaft automatisieren.
Landwirtschaftliche Managementinformationssysteme: Technologien von einfachen Dokumentationssystemen (z.B. elektronische Ackerschlagkarteien) bis hin zu komplexen Plattformen (z.B. Farm Management Informationssystemen und Telemetrie), die Entscheidungsunterstützung und verbessertes Qualitätsmanagement bieten.
Ergebnisse nach Technologiekategorien
Bei den Aufzeichnungs- und Kartierungstechnologien zeigt sich eine durchschnittliche Bekanntheit von 91,7%. Besonders weit verbreitet sind Erntesensoren mit 50,6% Nutzung und Drohnen für verschiedene Zwecke wie z.B. Wildtiererkennung mit 53,5% Nutzung. Deutlich seltener eingesetzt werden hingegen Drohnen zur Erstellung von Applikationskarten (4,1%) sowie Boden- und Pflanzensensoren (jeweils 8,2%). Das größte Investitionsinteresse innerhalb dieser Kategorie besteht bei der Nutzung von Satelliten zur Erstellung von Applikationskarten (4,1%).
Die Kategorie Lenksysteme und kontrollierte Befahrungssysteme weist mit 97,2 % die höchste durchschnittliche Bekanntheit und mit 44,7% auch die höchste durchschnittliche Nutzungsrate aller Kategorien auf. Zu den Spitzenreitern zählen RTK-Lenksysteme (60,2%) und Section Control im Pflanzenschutz (54,7%). Controlled Traffic Farming (CTF) wird mit 25,4% in dieser Kategorie am wenigsten genutzt. Das Investitionsinteresse ist relativ hoch bei RTK-Systemen (5%).
Durchführung der Studie
Die Befragung erfolgte im Zeitraum Dezember 2024 bis Januar 2025 durch ein etabliertes Marktforschungsinstitut mittels standardisierter, computergestützter Telefoninterviews (CATI) mit 342 landwirtschaftlichen Betriebsleitern und -leiterinnen in Deutschland. Die systematische Stichprobenziehung mit Fokus auf professionelle landwirtschaftliche Ackerbaubetriebe ermöglicht eine aussagekräftige Erfassung von Betrieben, die für die aktuelle landwirtschaftliche Produktionsrealität in Deutschland relevant sind.
Bei den Variablen Applikationstechnologien liegt die durchschnittliche Bekanntheit bei 93,9%. Am häufigsten genutzt werden teilflächenspezifische Düngung (22,5%) und präzise Pflanzenschutzanwendungen (Einzeldüsenschaltung oder Spot Spraying) (20,2%). Teilflächenspezifische Aussaat kommt auf 17% der befragten Betriebe zum Einsatz. Die variable Düngung zeigt mit 6,1% das höchste Investitionsinteresse aller untersuchten Technologien in dieser Kategorie.
Die Kategorie Robotersysteme und intelligente Maschinen weist trotz ebenfalls hoher Bekanntheit (90,2%) die niedrigsten Nutzungsraten mit durchschnittlich 5,5% auf. Führend in dieser Kategorie sind Drohnen zur Ausbringung von Betriebsmitteln (z. B. Ausbringung Schlupfwespen zur Maiszünslerbekämpfung) (14%) und automatische Hacktechnik (10,8%). Roboter für Bodenbearbeitung und Aussaat werden hingegen kaum genutzt (jeweils 0,6%). Das höchste Investitionsinteresse besteht bei Drohnen zur Ausbringung von Zwischenfrüchten (3,5%).
Bei den landwirtschaftlichen Managementinformationssystemen findet sich die an der weitesten verbreiteten Technologie überhaupt: Entscheidungsunterstützungssysteme (Apps, Wettervorhersagen, Befallsprognosen etc.) werden von 89,5% der Betriebe genutzt. Elektronische Ackerschlagkarteien sind mit 68,7% ebenfalls weit verbreitet, während Flottenmanagement (Telemetrie) (14%) und Farm Management Informationssysteme (23,1%) deutlich seltener zum Einsatz kommen. Bei elektronischen Ackerschlagkarteien besteht mit 5,6% ein vergleichsweise hohes Investitionsinteresse in dieser Kategorie.
Digitalisierung erfolgt stufenweise
Die Ergebnisse zeigen deutlich: Landwirte gehen bei der Digitalisierung schrittweise vor. Zuerst kommen grundlegende Technologien zum Einsatz, die einfach zu implementieren sind und einen unmittelbaren Nutzen bieten, wie Entscheidungsunterstützungssysteme und elektronische Ackerschlagkarteien. Im zweiten Schritt folgen Lenksysteme und Section-Control-Technologien, die direkte Einsparungen bei Betriebsmitteln und Arbeitszeit ermöglichen. Variable Applikationstechnologien befinden sich in einer mittleren Adoptionsphase. Robotersysteme und vollautonome Maschinen stehen trotz hoher Bekanntheit erst am Anfang der Verbreitung.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Lenksysteme als Basis-Investment: Die hohe Verbreitung von Lenksystemen bestätigt deren wirtschaftlichen Nutzen durch Einsparungen bei Betriebsmitteln und Arbeitszeit. Hinzu kommt die Arbeitserleichterung für den Fahrer. Sie stellen einen sinnvollen Einstieg in die Präzisionslandwirtschaft dar, da sie die Grundlage für viele weitere Anwendungen (variable Ausbringungstechnologien) bilden.
Vorsicht bei Spitzentechnologien: Bei Robotersystemen und vollautonomen Maschinen ist eine sorgfältige Prüfung der Wirtschaftlichkeit unter betriebsindividuellen Bedingungen besonders wichtig. Die niedrigen Nutzungsraten weisen auf bestehende Unsicherheiten hin.
Beratung nutzen: Die Entscheidung für digitale Technologien sollte auf einer fundierten Kosten-Nutzen-Analyse basieren und kann durch gezielte Beratungsangebote unterstützt werden. Demonstrationsbetriebe und Schulungen können Implementierungshürden senken.
Ausblick
Die Studie zeigt: Deutsche Ackerbaubetriebe sind grundsätzlich offen für digitale Technologien, aber bei der Implementierung pragmatisch und kostenorientiert. Um das volle Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen, braucht es zielgerichtete Fördermaßnahmen, praxisnahe Schulungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen für verschiedene betriebliche Bedingungen. Für Betriebsleiter und bietet die Studie eine gute Orientierung, wo ihr eigener Betrieb im Vergleich zum Branchendurchschnitt bei der Digitalisierung steht und welche nächsten Schritte sinnvoll sein könnten.