Wo Ideen aufeinander treffen, entsteht etwas Neues – so das Motto der „innovate“, der Innovationsmesse für die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Osnabrück. Start-ups, Landwirte, Wirtschaft, Wissenschaft kamen zusammen, um Innovationen und Lösungsansätze voranzutreiben. Dabei zeigte sich in zahlreichen Diskussionen und Gesprächsrunden, dass der Blick über den Tellerrand die Vernetzung mit verschiedenen Akteuren auch für Landwirte unabdinglich ist. Einige Beispiel zeigen, wie das bereits funktioniert.
Mehr Tierwohl für Sau und Kuh
Die gesellschaftlichen Ansprüche an eine artgerechte Haltung von Nutztieren steigen stetig. Aber wie kann Tierwohl in der Praxis gestaltet werden? Lösungsansätze dafür wollen einige EIP-Agri-Projekte finden, die sich im Forum „Farmers meet Founders“ (Landwirte treffen Gründer) vorstellten.
Johanna Krähling vom Projekt „Tierwohl Milchvieh Hessen“ stellte vor, wie die Verpflichtung zur Eigenkontrolle tierhaltender Betriebe erleichtert und wie eine einheitliche Kontrolle von Tierschutzindikatoren ermöglicht werden kann. Per Excel-Tool wurden bisher auf 40 Testbetrieben Indikatoren wie Haltung oder Herdengesundheit erfasst. Die Daten sollen als Grundlage für z. B. Betriebsberater dienen. Auch überbetriebliche Vergleiche seien möglich. Künftig soll die Erfassung der Indikatoren für Landwirte auch per App möglich sein.
Ansgar Deermann vom Projekt „Select4Milk“ zeigte, wie die Ernährungssituation für Saugferkel optimiert werden kann und welche Rolle dabei eine erweiterte Datenerfassung und die Analyse der Gesäuge von laktierenden Sauen mittels Wärmebildkamera spielen. Das Projekt dient der Früherkennung von Gesäugeerkrankungen von Sauen und soll die natürliche Milchversorgung für Saugferkel optimieren.
Darüber hinaus erläuterte Jannik Schulz vom Projekt „PlaLuSt“, wie eine plasmabasierte Luftreinigungsanlage an die Bedienungen im Schweinestall angepasst werden kann. Ziel des Projekts sei es, für einen Schweinestall eine an die vorherrschenden Bedingungen angepasste, plasmabasierte Luftreinigungsanlage zu entwickeln, in den Stall zu implementieren und auf eine Reduzierung des Ammoniakgehalts im Stall sowie den Einfluss auf das Tier zu testen. So sollen sich Tierwohl und Tiergesundheit verbessern.
Alternative Proteine: Geschmack und Preis wichtiger als Umwelt und Tierwohl
Trotz vielfacher Bemühungen in Sachen Tierwohl wächst die Kritik an der Tierhaltung, alternative Proteine geraten zunehmend in die Diskussion. „2040 könnten alternative Proteine 40 % des Marktanteils haben“, so Dr. Christian Janze, Marktexperte von der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Seiner Ansicht nach wird China in diesem Bereich Treiber sein, u. a. wegen der hohen Verfügbarkeit von Frischmilch. Dennoch betonte Janze, dass 60 bis 70 % des Markts weiterhin herkömmliche Fleisch- und Milchprodukte sein werden. Das müsse die Landwirtschaft als Chance sehen, sich neu aufzustellen oder neue Wertschöpfungsketten zu entwickeln.
Seiner Ansicht nach werden pflanzliche Produkte künftig günstiger werden, dennoch sei die Marge derzeit bei einige Produkten bereits erheblich. An der Preisschraube zu drehen, ist auch aus Sicht von Ivo Rzegotta vom Good Food Institute wichtig. „Geschmack, Preis und Verfügbarkeit stehen über Gesundheit, Umwelt und Tierwohl.“ Der Erfolg von Fleisch aus dem Fermenter oder von „In-vitro-Fleisch“ hängt seiner Ansicht nach wesentlich von der Kommunikation ab. „Es macht einen großen Unterschied, ob man stereotypische Begriffe wie ‚Laborfleisch‘ oder ‚In-vitro-Fleisch‘ sagt oder ‚kultiviertes Fleisch‘ oder ‚tierfreier Käse‘ verwendet“, so Rzegotta.
60 bis 70 % des Markts werden weiterhin herkömmliche Fleisch- und Milchprodukte sein. Das muss die Landwirtschaft als Chance sehen. - Dr. Christian Janze
Darüber hinaus sei die Idee der Fermentation gar nicht neu. Winston Churchill habe bereits 1931 gesagt: "Wir werden der Absurdität entkommen, ein ganzes Huhn zu züchten, um die Brust oder den Flügel zu essen, indem wir diese Teile separat in einem geeigneten Medium züchten... Diese neuen Lebensmittel werden praktisch nicht von den natürlichen Produkten zu unterscheiden sein." Zahlreiche Unternehmen und Start-ups forschen an neuartigen Produkten, so auch „Formo“ aus Berlin. Das Start-up arbeitet an fermentiertem Käse (mithilfe synthetischer Biotechnologie und Präzisionsfermentation). Ihr ambitioniertes Ziel: Bis 2030 10 % der Milchprodukte zu ersetzen.
Insektenzucht: Vernetzung bringt Vorsprung
Eine weitere vieldiskutierte Proteinquelle sind Insekten. Durch ihren hohen Proteingehalt eignen sie sich potenziell als Nahrungs- und Futtermittel. Aber wie sieht das Ganze in der Praxis aus? Und wie lassen sich Kreisläufe damit schließen? Erste Antworten lieferte Laura Schneider vom EIP-Agri Projekt „InsectProEco“. Sie stellte vor, welche Nebenprodukte zur Herstellung des Larvenmehls der Schwarzen Soldatenfliege tauglich sind und wie Empfehlung für die landwirtschaftliche Praxis zur Tierfütterung und Düngereignung aussehen können. Als Futter für die Insekten habe man z. B. Traubentrester, Mühlentrester oder Schlempe getestet. Grundsätzlich könne man aber eine Vielzahl an Nebenprodukten füttern. Die Schwarze Soldatenfliege sei durch ihren hohen Proteingehalt (50-55 %) und Fettgehalt (20-25 %) besonders attraktiv. Das Fett lasse sich etwa für Biodiesel oder Schmierfette nutzen. Auch der von den Insekten ausgeführte „Fraß“ lasse sich etwa als Dünger weiternutzen.
Einen Blick aus der Praxis lieferte Landwirt Julius Große Macke. Er ist mit seinem Betrieb am EIP-Projekt „Evelin“ beteiligt. Das Projekt untersucht, wie sich die Verfütterung von Larven der Schwarzen Soldatenfliege auf das Tierverhalten und die Ei-Qualität von Legehennen auswirkt. Die Grundannahme ist, dass der Zusatz lebender Insektenlarven einen positiven Einfluss sowohl auf Tierwohl als auch auf die Wirtschaftlichkeit der Geflügelhaltung hat. Der Praxisversuch des Projektes erfolgt in Mobilställen. Die Insekten werden im Projekt lediglich als zusätzliches Futterangebot dargereicht und ersetzen keine anderen Futterkomponenten. „Unsere erste Beobachtung ist, dass die Tiere entspannter sind, da sie auf den Larven herumpicken können“, so der Landwirt. Er wäre potenziell interessiert, die Insektenzucht auch in großem Stil zu betreiben, sieht aber vor allem Herausforderungen im Aufbau eines Vertriebsnetzes, z. B. mit Futtermittelunternehmen.
Preisträger: Vermarktung und Biodiversität
Für besonders innovative Projekte wurden auf der innovate der Agri-Start-up und der Food-Start-up Award vergeben. Nach Zuschauer-Voting ging der German-Agri-Startup-Award an biodivers. Biodivers möchte durch eine frei verfügbare und bundesweite Plattform, auf der Landwirten alle zur Verfügung stehenden staatlichen und privaten Umweltfördermaßnahmen aufgezeigt werden, mehr Umweltschutz mit einer fairen Entlohnung auf den Acker bringen. Regioshopper durfte den German-Food-Startup-Award mit nach Hause nehmen. Durch KI-Inventur und Tracking mittels Tiefenbildkamera soll eine personenlose Betreuung des Lebensmitteleinzelhandel möglich sein. Die KI-Trackingmethode sorgt hierbei als Diebstahlschutz. Nicht nur die begehrten Trophäen wechselten die Besitzer, sondern auch 3000€ Preisgeld gingen an die Gründer.