Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Maisaussaat Erster Schnitt 2024 Rapspreis

topplus Interview

„Grund und Boden als Ressource für neue Geschäftsmodelle nutzen“

Links und rechts schauen, Trends beobachten und für sich als Chance nutzen: Heike Zeller, Beraterin für regionale Vermarktungsstrategien, spricht darüber, wie Landwirte neue Wege einschlagen können.

Lesezeit: 7 Minuten

In der Wertschöpfungskette von der Urproduktion bis auf den Teller kennt sich Heike Zeller aus. Mit ihrem Unternehmen „aHEU“ setzt die Geschäftsfrau aus Bayern ihre Erfahrungen für die Landwirtschaft und andere Lebensmittelbetriebe ein. Sie ist außerdem als Speakerin, Moderatorin und Milch-/Käse-Sommelière tätig. Als konzeptionelle Beraterin und mit Erfahrung aus dem LEH unterstützt sie Betriebe beim Aufbau einer regionalen Vermarktung und anderen neuen Betriebszweigen sowie bei Marketing, Vertrieb und Strategieentwicklung.

Wir sprachen mit der Unternehmerin über Trends und Innovationen auf landwirtschaftlichen Betrieben, was es dafür braucht und wie Landwirte die passenden Ideen für sich finden können.

Das Wichtigste zum Thema Perspektiven dienstags, alle 14 Tage per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Sie arbeiten im Bereich Vermarktung und haben viel mit neuen Produktentwicklungen und Wertschöpfungsketten zu tun. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Trends aus diesem Bereich, mit denen die Landwirtschaft in den kommenden Jahren rechnen kann?

Heike Zeller: Sicherlich werden alternative Proteine, in Verbindung mit der Tierhaltung, nach wie vor ein starkes Thema sein. Die aktuelle Auswertung der auf Issue-, Risiko- und Krisenmanagement spezialisierten Beratung AFC Risk & Crisis Consult zeigt, dass Missstände in der Tierhaltung etwa seit Jahren auf Platz 1 in der kritischen Berichterstattung stehen.

Verstärkend dazu interessieren sich die Menschen zunehmend für pflanzliche Lebensmittel. Viele Molkereien erhalten zum Beispiel Anfragen für pflanzliche Drinks. Deshalb jedoch wie manche davon zu sprechen, dass wir die unter 30-jährigen Konsumenten für tierische Produkte schon verloren haben, halte ich für falsch. Die Absatzzahlen sprechen eine andere Sprache: Über 90% der Deutschen nehmen täglich oder mehrmals pro Woche Milch oder Milchprodukte zu sich. Zwar wächst der Markt für Milch- und Fleischalternativen schnell, liegt aber dennoch auf einem niedrigen Niveau.

Ähnliches stellen wir bei Bio fest: Es ist ein Segment, das oft innovativ ist und konstant wächst, nach wie vor aber auf einem eher niedrigen Niveau, verglichen mit der umfangreichen Diskussion darum.

Ein Trend, der aus meiner Sicht Potenzial bietet, sind Convenience-Lebensmittel. Sowohl Start-ups als auch als Direktvermarkter können selbst ein weiteres Glied der Wertschöpfungskette übernehmen: Also Urprodukte selbst verarbeiten, bodenständiges Convenience-Food anbieten und damit verschiedene Bedürfnisse der Verbraucher stillen: Komfort, Natürlichkeit, Gesundheit etc.

Auch das Thema Regionalität wird weiter in Bewegung bleiben. Hier wird es zunehmend wichtiger, nicht nur das Wort „regional“ zu verwenden, sondern sich konkret auf die jeweilige Region zu beziehen. Verbraucher mögen Produkte mit einem eigenen Profil.

Wie können landwirtschaftliche Betriebe diese Trends nutzen? Haben Sie ein Beispiel dafür?

Zeller: Landwirte können versuchen, die produzierten Rohstoffe weiter zu verarbeiten und als fertiges Produkt zu vermarkten. Zwei Landwirte aus Bayern haben zum Beispiel die Marke „Voiguad“ ins Leben gerufen. Sie produzieren und vermarkten pflanzliche Drinks auf Basis von Hafer. Die Rohstoffe beziehen sie von den eigenen Höfen sowie Partnerbetrieben aus Bayern.

Der Vorteil ist, dass im Hintergrund zwei Vollerwerbsbetriebe weiterlaufen, die als Rückhalt dienen und es leichter machen, einen solchen Schritt zu wagen. Das unterscheidet landwirtschaftliche Betriebe von Start-ups: Sie können auf Grund und Boden zurückgreifen und auf Basis dieser Ressourcen neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Das unterscheidet landwirtschaftliche Betriebe von Start-ups: Sie können auf Grund und Boden zurückgreifen und auf Basis dieser Ressourcen neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Der Betrieb hat für Firmengründung und Produktentwicklung seiner Pflanzendrinks eine kleinere sechsstellige Summe ausgegeben. Auch wenn das Projekt erste Früchte trägt, zeigt sich, dass Landwirte mit denselben Problemen wie Food Start-ups konfrontiert sind: Marketing, Kontakt zum LEH aufnehmen, Kommunikation, Vertrieb etc.

Wie finden Landwirte die passende Idee für ihren Betrieb?

Zeller: Wenn jemanden mit den Füßen nach Veränderung scharrt, sind seine Augen weit geöffnet für mögliche neue Wege. Auch Not macht erfinderisch. Irgendwann bleibt eine Idee hartnäckig im Hinterkopf. Dann sollte man sich möglichst von allen Seiten mit ihr auseinandersetzen. Man sollte sich klar werden, welche Probleme diese Idee löst, welche Fragen durch sie beantwortet werden. Gute Ideen entstehen nicht auf dem Reißbrett, nicht auf Knopfdruck.

Um die Idee zu prüfen, können Sie klassische und neue, auch die sozialen Medien nutzen. Natürlich hilft es, den Markt, die Mitbewerber, die Kundenwünsche und die Gesellschaft zu beobachten. Ein Blick auf andere landwirtschaftliche Betriebe im In- und Ausland oder sogar ein Besuch dort kann helfen, Ideen zu finden oder zu schärfen. Wichtig dabei ist, neue Gedanken zuzulassen und erstmal losgelöst vom bisherigen Betrieb einzuordnen. Es kann auch helfen, die Perspektive zu wechseln und gemeinsam mit Außenstehenden zu überlegen, welches Konzept sich eignen könnte.

Wichtig ist es, neue Gedanken zuzulassen und erstmal losgelöst vom bisherigen Betrieb einzuordnen.

Der Betrieb sollte wissen, wo seine persönlichen und betrieblichen Stärken liegen und was die Personen besonders gerne tun. Im Gegensatz dazu sollte man sich auch die eigenen Schwächen bewusst machen. Generell ist es immer sinnvoll, das Umfeld zu beobachten, von der eigenen Region über den Markt, bis hin zu gesellschaftlichen Trends und gesetzlichen Regelungen.

Was heißt es, innovativ zu sein? Muss die Idee immer ganz neu sein?

Zeller: Innovation heißt, sich selbst zu erneuern. Innovation muss nicht etwas sein, das es noch nie gab. Manchmal ist es genau so hilfreich, festzustellen, dass ein Betriebszweig nicht (mehr) zu einem passt und man sich dann dafür entscheidet, etwas Neues zu machen, z.B. im Rahmen eines Generationswechsels. Dabei muss man das Rad nicht immer neu erfinden. Manchmal ist es auch sinnvoll, von Geschäftsmodellen anderer Branchen oder Betriebe sich etwas abzuschauen.

Wichtig für alle neuen Wege ist, zu prüfen, ob eine Idee zu Hof passt. Der Betrieb muss hinter dem Projekt stehen, sein bestehendes Portfolio sollte nicht überdehnt werden und die Betriebszweige effizient organisiert sein. Denn eine neue Idee umzusetzen bedeutet meist viel Arbeit, die die Familie und Mitarbeiter mittragen müssen.

Nach außen sind die Erfolgsfaktoren ein geschlossener Außenauftritt, passende Werbung und Kommunikation in der Region und gegebenenfalls darüber hinaus, die Bildung von Netzwerken und die Beteiligung von Presse und Politik, eventuell auch Kooperationen mit anderen Betrieben. Und: Gerade der direkte Austauschzwischen Produzent und Konsument ist Stärke und Chance für die Zukunft der Betriebe.

Wie geht man vor, um zu prüfen, ob eine Geschäftsidee umsetzbar ist?

Zeller: Man sollte möglichst konkret prüfen: Was heißt es, die neue Idee umzusetzen? Sich ganz praktisch fragen, welche Räumlichkeiten braucht man? Wie läuft die Zeiteinteilung? Sind zusätzliche Arbeitskräfte nötig? Gibt es dafür vielleicht eine Förderung? Dabei ist es auch immer wichtig, das Worst-Case-Szenario an die Wand zu malen und darüber zu sprechen, was passieren könnte, wenn eine Idee schiefgeht.

Ich bin kein große Freundin von Marktpotenzialanalysen. Wenn man eine Produktidee hat, sollte man lieber einen Testpiloten entwickeln und beobachten, was dann mit den Arbeitsabläufen passiert, ob es bei den Kunden ankommt und so weiter. Die Rückmeldungen helfen, Schwachstellen rechtzeitig aufzudecken und zu beheben. Auch nach Produkteinführung gilt es, den gewünschten Erfolg stetig zu prüfen und das Geschäftsmodell zu verbessern. Aber das ist so oder so, was gute Unternehmer täglich tun!

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.