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Insektenzucht: Biete Larven, suche Mäster

Das Unternehmen Illucens aus Ahaus züchtet, mästet und verarbeitet Insekten in industriellem Maßstab. Um weiter zu wachsen, sucht es Landwirte, die in Mastanlagen investieren.

Lesezeit: 8 Minuten

Dirk Wessendorf ist Massentierhalter. Doch in seinem Stall stehen weder Hühner, noch Schweine. „Mein Nutztier ist ein geniales Insekt“, grinst der 50-jährige Geschäftsführer des Unternehmens Illucens aus Ahaus. Auf seiner Hand wuseln Dutzende kleiner, weicher Würmchen: die Larven der Schwarzen Soldatenfliege – auch Hermetia illucens oder Black Soldier Fly (kurz BSF) genannt.

Exzellente Futterverwerter

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In einer großen Halle, die früher ein Textilwerk war, produziert das Unternehmen rund 9 t Larven täglich. Diese werden getrocknet und zu Insektenfett und Proteinmehl weiterverarbeitet (siehe unten „So funktioniert die Insekten-Mast“).

„Die Schwarze Soldatenfliege könnte künftig in der Proteinversorgung der Welt eine Schlüsselrolle spielen“, ist der Firmengründer überzeugt. Immerhin liegt der Eiweißgehalt der getrockneten Larven bei 40 bis 50 % – fast unabhängig davon, was sie zuvor gefressen haben.

Dirk Wessendorf beschäftigt sich bereits seit 13 Jahren mit der Insektenzucht. Heute führt er uns durch seine selbst konzipierte und zum Patent angemeldete Produktionsanlage. Es ist warm und riecht fast wie in einer Zoohandlung.

Der Geruch stammt weniger von den Tieren selbst, als viel mehr von ihrem Futterbrei. Dieser besteht zu einem wesentlichen Anteil aus Getreide. Hinzu kommen Ernteüberschüsse oder Reste aus dem Obst- und Gemüseanbau. Auch Molke, Treber, Trester und Produkte aus der Süßwarenindustrie landen gelegentlich im Mischer. „Die Larven sind exzellente Futterverwerter. Sie könnten selbst Schlachtabfälle, Biomüll oder Gülle in wertvolles Protein umwandeln. Doch als Nutztiere dürfen sie in der EU nur mit zugelassenen Futtermitteln gefüttert werden“, erklärt Niklas Wolfering.

Der Biologe ist bei Illucens für die Nachzucht zuständig und führt Fütterungsversuche durch. Ziel ist es, Nebenprodukte aus der Nahrungsmittelindustrie und der Landwirtschaft im praktischen Einsatz zu testen und Rezepturen zu finden, mit denen sich die Larven besonders effizient mästen lassen.

So funktioniert die Insekten-Mast

Im Mastbereich der Firma Illucens türmen sich links und rechts insgesamt 4.200 waagerechte Schächte auf – bis knapp unter die Decke der 7,50 m hohen Halle. Das Bild erinnert an ein modernes Hochregallager mit unzähligen Schubladen. Nur die DIN-A5-Blatt-großen Fronten der Schächte sind sichtbar. Jeder Schacht ist bis auf zwei kleine runde Öffnungen geschlossen. Die Larven sind nicht zu sehen.

Alles läuft vollautomatisch. Im Mittelgang bewegt sich der Roboter auf Schienen. Er kann jede Öffnung millimetergenau ansteuern. Vor Mastbeginn bestückt er jeden Schacht einmalig mit einem flüssigen Futterbrei. Im zweiten Schritt setzt er die Junglarven darauf ab. Am Ende leben und fressen in jedem Schacht rund 140.000 Individuen.Die Larven brauchen kein Licht und fühlen sich bei 28 °C wohl. Daher verfügt jeder Schacht über eine Fußbodenheizung. Das System ist zwangsbelüftet und mit Abluftwäscher ausgestattet.

Nach einer Mastdauer von nur zehn Tagen werden die Larven geerntet. Zunächst werden sie mit Wasser aus ihren Schächten gespült. Über eine Rohrleitung gelangt die pumpfähige Masse zu den nächsten Stationen. Mittels Sieben werden die fetten Larven von Kot, Futter- und Häutungsresten getrennt. Dann landen sie in einem Becken mit 70 °C heißem Wasser, wo sie deaktiviert werden. Anschließend geht es in die Trocknung. Die getrockneten Larven kommen in eine Presse. Übrig bleiben Insektenöl und das proteinreiche Insektenmehl.

Larvenmehl im Essen

Hauptabnehmer der Endprodukte Insektenfett und proteinreiches Insektenmehl sind aktuell Hersteller von Hunde- und Fischfutter. Hinzu kommen Proteingroßhändler und Kunden aus der Industrie – europaweit. „Die Nachfrage ist gigantisch. Wir brauchen mehr Menge, um zusätzliche Großaufträge annehmen zu können“, versichert Wessendorf. Dabei seien die Märkte gerade erst dabei, sich zu entwickeln. Als Beispiele nennt der Insektenhalter Kosmetik und Klebstoff: „Amazon und Co. brauchen immense Mengen an Klebstoff, um ihre Kartons zu verkleben. Hierfür bildet unser Proteinmehl eine gute Basis.“

Die Nachfrage ist gigantisch. Wir brauchen mehr Menge, um zusätzliche Großaufträge annehmen zu können - Wessendorf

Der Unternehmer erwartet 2023 noch einen weiteren Nachfrageschub für seine Produkte. Denn voraussichtlich wird auch die Soldatenfliege, wie zuvor schon Grille und Mehlwurm, in Kürze für die menschliche Ernährung zugelassen. „Dabei geht es uns nicht darum, dass Leute die BSF als Snack beim Fernsehen knuspern sollen. Wir denken vielmehr an den Einsatz als eine Art Zusatzstoff in Lebensmitteln, um zum Beispiel den Eiweißgehalt zu erhöhen.“

„Kein Schweinefutter!“



Seit 2021 darf Insektenprotein wieder an Hühner und Schweine verfüttert werden. Das Spektrum der essenziellen Aminosäuren von Insekten passt gut zu ihrem Bedarf. Doch gleich zu Beginn unseres Gesprächs stellt Insektenmäster Dirk Wessendorf klar: „Unsere Larven haben nicht den Zweck, als Nutztierfutter zu dienen. Das wäre Unsinn!“



Der Bauingenieur sieht die Schwarze Soldatenfliege vielmehr als weiteres Nutztier auf einer Stufe mit Rind, Schwein und Geflügel. Vorteil der Schwarzen Soldatenfliege (BSF): Sie braucht deutlich weniger Futter, Wasser und Fläche. Das spart Kosten. Auch Tierarztbesuche, Medikamente und Impfungen sind überflüssig, prognostiziert Wessendorf. Im adulten Stadium, also als Fliege, lebt die BSF nur wenige Tage und nimmt keine Nahrung mehr zu sich. Einziger Daseinszweck sind Fortpflanzung und Eiablage.

Pioniere gesucht

Um die Produktion zu steigern, bietet Dirk Wessendorf Landwirten die Möglichkeit, in die Larvenmast einzusteigen. Wie das funktionieren würde: Illucens liefert die Junglarven und nimmt zehn Tage später die getrockneten Larven zurück. Für eine kontinuierliche Auslastung der Mastanlage fahren täglich Lkws hin und her. Das Unternehmen bietet einen festen Abnahmevertrag über 15 Jahre. Bezahlt wird nach Erntegewicht. Der Preis soll sich an einem Getreide- bzw. Futterindex orientieren sowie am tatsächlich realisierten Erlös für die weiterverarbeitete Ware.

Die Investition in eine Anlage der Größenordnung, wie sie in Ahaus steht, ist immens. Von daher will Wessendorf mit seinem Angebot nicht nur Einzelinvestoren ansprechen, sondern auch Zusammenschlüsse von Landwirten. Im Einzelnen geht es um folgende Dinge, die vorhanden sein müssen:

Stallanlagen: Für die komplette Mastanlage mit einer Kapazität von knapp 600 Mio. Larven pro zehntägigem Mastdurchgang ist bei der größeren Ausbaustufe mit einer Investition von über 6 Mio. € zu rechnen, inklusive der Robotik für die Vollautomation. Mit Altställen kann man anteilig sparen – wenn die Höhe ausreicht. 7,5 m sind ideal. Die Technik kann der vorhandenen Gebäudehülle angepasst werden. „Wir können auch den Güllekeller mitnutzen, um an Höhe zu gewinnen“, erklärt Illucens-Techniker Norbert Hunke.

Das Ahauser Unternehmen kann auch den Bauantrag managen. So betreibt Dirk Wessendorf selbst ein Architekturbüro. Der Kontakt zu Kreisen und Kommunen ist bereits geknüpft. „Das Thema ist für alle Neuland. Daher haben wir sämtliche Behörden und Beteiligten früh an einen Tisch geholt“, berichtet der Insektenprofi. Die Gespräche seien durchweg positiv verlaufen. Doch bislang hat noch kein Bauamt eine Genehmigung erteilt. Derzeit kümmere man sich bei zwölf Interessenten um eine Baugenehmigung. Diese kommen aus den Kreisen Borken, Coesfeld, Steinfurt und Münster sowie aus Süd-Niedersachsen. Die Mehrheit will neubauen, wenige planen, vorhandene Gebäude umzunutzen.

Arbeitskraft: Dank Robotik ist der Arbeitsaufwand überschaubar. Für eine 1000-t-Anlage soll 1 AK ausreichen. Die täglichen Aufgaben bestehen im Wesentlichen darin, Futter anzumischen, die Junglarven anzunehmen, sie dem Roboter palettenweise vorzusetzen und Prozessschritte zu quittieren.

Futterflächen: Getreide bildet eine gute Basis für die Insektenfütterung. Wie bei anderen Nutztieren gilt auch hier: Wenn die Anlage landwirtschaftlich genehmigt werden soll, muss 50 % des Futters von eigenen Flächen stammen. Wie viel das tatsächlich sein wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Überschlägig benötigt die genannte 1.000-t-Anlage aber wohl unter 100 ha erforderliche Fläche.

Zugriff auf Nebenprodukte: Die Wirtschaftlichkeit der Anlage lässt sich weiter steigern, wenn der Mäster zusätzlich gut an Erntereste, Nebenprodukte usw. herankommt. Je günstiger, desto höher die Marge. Wer diesbezüglich noch keine eigenen Beziehungen aufgebaut hat, kann das zusätzliche Futter auf dem Markt erwerben. Die Agravis unterstützt hierbei als Kooperationspartner der Illucens.

Energieversorgung: Den genauen Wärmebedarf seiner Anlage will Wessendorf nicht verraten. Nur so viel: Eine Biogasanlage (oder eine andere verfügbare Wärmequelle) vor Ort ist quasi Pflicht. Die Abwärme lässt sich gut nutzen, um die Larven warmzuhalten, ihr Futter anzuwärmen, das Wasser für die Devitalisierung aufzuheizen und die anschließende Trocknung zu versorgen. Effiziente Wärmetauscher halten die Energie möglichst lange im System. Darüber hinaus gibt es einen weiteren Anknüpfungspunkt zur Biogasanlage: Der sogenannte Frass der Insekten (Futter-, Häutungsreste, Kot) kann als Substrat eingesetzt werden und liefert vergleichbare Erträge wie etwa Rindermist. Im Anschluss dient der Output als Bodenhilfsstoff.

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