Die Europäische Kommission hat mit ihrem Clean Industrial Deal ein neues Narrativ der Kreislaufwirtschaft etabliert: Klimaschutz oder Biodiversität treten in die zweite Reihe, angesichts der dramatischen geopolitischen Herausforderungen. Es geht jetzt vor allem um die Unabhängigkeit von Rohstoffimporten, die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Europa. Die Ende 2024 verabschiedete Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie der Bundesregierung benennt dabei als ein Handlungsfeld die Entwicklung einer zirkulären Bioökonomie – ein Thema, das trotz seiner Potenziale bislang nur stiefmütterlich behandelt wurde.
Rolle und Potenziale der Bioökonomie
Bioökonomie, d. h. der Wechsel auf erneuerbare Rohstoffe und Kreislaufwirtschaft, werden zwar intensiv diskutiert, aber bisher oft nebeneinander, mit nicht immer konsistenten Zielen und Prioritäten. Die inhaltliche Neuausrichtung der Kreislaufwirtschaft sollte daher genutzt werden, um viel stärker in den Blick zu nehmen, wie auch landwirtschaftliche Rohstoffe und Produkte in sinnvollen Kaskaden genutzt werden können. So ist z. B. absehbar, dass die Zukunft des Chemiestandortes Europa davon abhängen wird, ob es hier gelingt, durch den Einsatz biogener Rohstoffe zu einer defossilisierten Produktion zu gelangen.
Auch das konsequentere Zusammendenken von Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft könnte erheblich dazu beitragen, die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen zu reduzieren. Ein Thema, bei dem man fast immer an Seltene Erden denkt, aber auch Phosphor steht auf der Liste der kritischen Rohstoffe – unverzichtbar für Europa, bislang jedoch kaum in sinnvollen Kreisläufen geführt, obwohl die Technik dafür vorhanden wäre. Um hier viel stärker als bisher auch private Investitionen zu mobilisieren, braucht es jedoch langfristige Planungssicherheit.
Landwirtschaft im Kontext der Kreislaufwirtschaft
Hier wird es zentral auf die Expertise der Landwirtschaft ankommen, die Grenzen der Bioökonomie transparent aufzuzeigen und sinnvolle Prioritäten zu setzen: Erneuerbar heißt keineswegs beliebig verfügbar. Insbesondere die Verfügbarkeit von Anbaufläche wird zunehmend zu einer kritischen, weil knappen Ressource.
Für die Landwirtschaft ergeben sich damit zirkuläre Handlungsfelder, die weit über klassische Themen wie die Vermeidung von Lebensmittelabfällen hinausgehen – dafür braucht es aber ein viel besseres gegenseitiges Verständnis von Geschäftsmodellen und aktuellen Herausforderungen. Die Transformation zu einer zirkulären Bioökonomie wird kein Selbstläufer und keinesfalls eine Win-Win-Situation für alle sein, aber langfristig ohne Alternative.
top agrar-Rubrik "Der Blick von außen"
Dieser Text stammt aus der Rubrik "Der Blick von außen", die jeden Monat in der top agrar-Heftausgabe erscheint. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar weiter unten.