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Interview

„Die Landwirtschaft kann von anderen Branchen lernen“

Landwirtin Charlotte Rothert ist die Gründerin von „Galaxis“, einer Wissensplattform für Landwirte. Das Ziel: praxisrelevantes und unabhängiges Wissen für jeden zugänglich machen.

Lesezeit: 6 Minuten

Charlotte Rothert aus Niedersachsen ist die Gründerin des Start-ups „Galaxis“, einer unabhängigen Wissensplattform für Milchviehhalter. Sie sprach im Interview mit top agrar über ihren Schritt in die Selbstständigkeit, ihre Erfahrungen und das Unternehmertum in der Branche.Ihr Appell: Die Landwirtschaft kann von anderen Branchen lernen und unterscheidet sich nicht so stark von anderen, wie oft angenommen wird.

top agrar: Wie kamst du dazu, dich mit einem Start-up im Agrarsektor selbstständig zu machen?

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Charlotte Rothert: Vor meiner Ausbildung dachte ich immer: Landwirt und Unternehmer, das gibt es nicht zusammen. Nach ein paar Praktika und meiner landwirtschaftlichen Lehre auf zwei großen Milchviehbetrieben wurde ich eines Besseren belehrt und habe gesehen, wie sehr es auf Controlling, Arbeitsprozesse, Mitarbeiterschulung und Wirtschaftlichkeit ankommt. Ich habe dann nach der landwirtschaftlichen Lehre angefangen, als Herdenmanagerin auf einem 700-Kuhbetrieb zu arbeiten und diesen, gemeinsam mit einem starken Team, zu restrukturieren.

Kleine Betriebe können es sich oft gar nicht leisten, auf hochwertiges Wissen zuzugreifen, Berater zu engagieren oder Fortbildungen wahrzunehmen." - Charlotte Rothert

Im Agrarstudium habe ich mich dann selbstständig gemacht und knapp 40 Betriebe beraten. Ich habe gemerkt, dass das gelehrte Wissen oft veraltet oder nicht praxistauglich war. Gleichzeitig können kleine Betriebe, zum Beispiel in Bayern, es sich oft gar nicht leisten, auf hochwertiges Wissen zuzugreifen, Berater zu engagieren oder Fortbildungen wahrzunehmen. Ähnliches gilt für Milchviehbetriebe mit mehreren, zum Teil ausländischen Mitarbeitern.

Daher habe ich mich gefragt, ob es nicht auch einfacher geht. In anderen Branchen waren Videokurse schon vor Corona Gang und Gebe. Meine Idee: eine unabhängige Wissensplattform namens „Galaxis“ mit Videokursen im Abo für Landwirte anzubieten. Damit leiste ich meinen Beitrag, die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Deutschland zukunftsfähig zu machen. Vor allem weil das, was auf die Branche zurollt, echt herausfordernd ist.

Wie haben die Erfahrungen aus der Start-up Branche deinen Blick auf die Landwirtschaft verändert?

Einmal war ich für 10 Tage im Silicon Valley auf einer Unternehmerreise, ganz losgelöst von der Landwirtschaft. Das hat meinen Blick geöffnet." - Charlotte Rothert

Rothert: Nach meiner Ausbildung und im Studium habe ich ständig Fortbildungen im In- und Ausland besucht. Sowohl landwirtschaftlich als auch branchenfremd, zum Beispiel zum Thema Psychologie, Storytelling oder Online-Marketing. Einmal war ich für 10 Tage im Silicon Valley auf einer Unternehmerreise, ganz losgelöst von der Landwirtschaft. Das hat meinen Blick geöffnet. Die Landwirtschaft denkt immer, sie ist individuell und nicht mit anderen Branchen vergleichbar. Natürlich braucht ein Start-up morgens und abends keine Melker, aber die Ansichten im Bereich Mitarbeiterführung und Arbeitsorganisation sind zum Beispiel die gleichen. Daher wusste ich: Die Landwirtschaft kann ihre Probleme auch mit Lösungen aus anderen Branchen lösen.

Wie hat sich dein Start-up bisher entwickelt? Was lief gut, was weniger?

Rothert: Es ist kein blumiger Weg, wenn du ein Start-up gründest. Niemand hat auf deine Idee gewartet. Als ich vor Corona mit der Idee um die Ecke kam, Videokurse für Landwirt anzubieten, waren die Reaktionen echt verhalten („Wer soll das denn gucken?“). Allerdings hat uns Corona sehr in die Karten gespielt. Sonst hätten wir uns nicht so schnell entwickelt.

Es ist kein blumiger Weg, wenn du ein Start-up gründest. Niemand hat auf deine Idee gewartet." - Charlotte Rothert

Fakt ist, ein Geschäftsmodell entwickelt sich immer weiter, und Druck treibt Veränderungen am besten an. Ich habe auch gelernt, dass wir den Ertrag nicht als einzige Kenngröße messen können. Wachstum, Bekanntheit, Service und Vertrauen sind genauso wichtig. Die Leute sollen an Galaxis denken und an das Wissen denken, das sie weiterbringt im Job. Dafür muss man auch mal eine extra Meile gehen, bei der man nichts verdient. Rückblickend war ich vielleicht etwas leichtgläubig, bin aber froh, den Schritt gegangen zu sein. Denn Gründen schockt, man verpflichtet sich aber und muss an seine Idee glauben. Es ist also immer auch eine Wette. Ohne Corona hätten wir wahrscheinlich auch Fuß gefasst, aber schwieriger.

Was ist dir wichtig bei der Führung eines Unternehmens und von Mitarbeitern?

Rothert: Wir sind mittlerweile 12 Leute bei Galaxis und doinstruct, unserem zweiten Start-up – dort bieten wir mehrsprachige Schulungen auf dem Smartphone für den Lebensmittelsektor an. Mir ist wichtig, dass unsere Mitarbeiter Lust auf ihre Arbeit haben, denn nur so kommt man mit seinem Produkt vorwärts. Unsere Mitarbeiter arbeiten maximal 40 Stunden die Woche, werden stärkenorientiert eingestellt, eingearbeitet und gefördert und beteiligen sich aktiv an unserer Weiterentwicklung.

Mein Vorbild in dieser Hinsicht sind Start-ups, die sich nachhaltig entwickeln. Eigenverantwortung und persönliches Wachstum der Mitarbeiter ist wichtig. Wir setzen auch auf ein agiles Projektmanagement und eine agile Kultur, schauen immer sofort, wie wir besser werden können.

Eigenverantwortung und persönliches Wachstum der Mitarbeiter ist wichtig." - Charlotte Rothert

Wie bist du beim Aufbau deines Unternehmens vorgegangen?

Rothert: Von der Idee bis zur Gründung verging ungefähr ein halbes Jahr. Allerdings ist ein Geschäftsmodell nie final. Wichtig war uns von Anfang an: Das Wissen in unseren Videos muss praxisnah sein, aktuell, unabhängig und richtig vermittelt werden. Ich habe mir Landwirte, Tierärzte und Agraringenieure ins Boot geholt. Dafür brauchten wir professionelles Equipment für 30.000 €, Drehbuchschreiber und ein Kamerateam.

Wie finanziert sich das Ganze?

Rothert: Zum Start haben wir ein Gründungsdarlehen von 50.000 € aufgenommen und privates Kapital eingesetzt. Förderungen haben wir keine in Anspruch genommen. Unser ursprüngliches Geschäftsmodell war auf Abos fokussiert. Wir wollen unser Wissen möglichst vielen Leuten günstig zugänglich machen. Aus Erfahrung wissen wir, dass es für viele Leute abschreckend ist, mehrere hundert Euro für einen Kurs oder ein Seminar zu bezahlen.

Deshalb stellen wir unsere Inhalte für monatlich 19,90 € zur Verfügung. Bislang zählen wir rund 500 Mitgliedsbetriebe, 30 Berufsschulen, Universitäten, Landwirtschaftskammern und Tierärzte. Ein Teil der Videos wird kostenlos in den sozialen Medien veröffentlicht. Für Bildungseinrichtungen bieten wir ein kostenloses Angebot.

Die B2B-Schiene kam erst später dazu. Heute arbeiten wir mit festen Partnern und Firmen aus der Branche zusammen, deren Produkte wir in den Videos platzieren. Sie haben keinen Einfluss auf unsere Inhalte, können die Videos aber ebenfalls intern nutzen. Mittlerweile machen die Abos etwa ein Drittel unseres Umsatzes aus, zwei Drittel werden über Partnerschaften generiert so können wir Landwirten weiterhin günstig praxisnahes Wissen zur Verfügung stellen. In diesem Jahr haben wir einen mittleren sechsstelligen Betrag umgesetzt.

Eigenverantwortung und persönliches Wachstum der Mitarbeiter ist wichtig." - Charlotte Rothert

In der Corona-Pandemie sind wir angefangen, auch Onlinekonferenzen zu Themen wie Fütterung, Kälberhaltung, Ökonomie oder Melken anzubieten. Das kam auf Anhieb sehr gut an. Wir haben dort oft internationale Experten und auch mal Keynote-Speaker aus anderen Branchen zu Gast. Bisher hatten wir pro Event zwischen 600 und 2.000 Teilnehmer aus 55 verschiedenen Ländern. Ein Simultan-Dolmetscher übersetzt die Inhalte auf Englisch.

Was steht als nächstes an?

Rothert: Gerade planen wir die Skalierung in den Ackerbau. Hier werden wir nicht nur Videokurse, sondern auch digitale Veranstaltungen und Kurzvideos produzieren. Außerdem werden intensiver als digitale Stütze für Landwirte agieren. Wir möchten Landwirte auf ihrem Weg begleiten und deutsche Landwirtschaft nicht nur erhalten, sondern zukunftsfähig machen.

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