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Regenerative Landwirtschaft: Kritik ja, aber bitte differenziert

Regenerative Landwirtschaft wird überschätzt? Diese These einer Studie des Thünen-Instituts sorgte jüngst für Aufsehen. Robert Gerlach von Klim kritisiert den Diskurs und fordert: genauer hinschauen!

Lesezeit: 5 Minuten

Die regenerative Landwirtschaft verspricht Antworten auf zentrale Herausforderungen wie Klimawandel, Bodendegradation und Biodiversitätsverlust zu liefern. Doch wie belastbar sind diese Versprechen?
Eine aktuelle Studie des Thünen-Instituts und des global agierenden Netzwerks agri-benchmark sorgte zuletzt für kritische Diskussionen: Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die positiven Effekte regenerativer Maßnahmen wie Zwischenfruchtanbau und reduzierte Bodenbearbeitung überschätzt würden – insbesondere im Hinblick auf das Klimaschutzpotenzial.

Diese Bewertung sieht Dr. Robert Gerlach, Gründer des Start-ups Klim, kritisch: Er plädiert in seinem Gastbeitrag für eine ganzheitliche Betrachtung der regenerativen Landwirtschaft und warnt davor, komplexe Systeme vorschnell zu vereinfachen.

Ein Gastbeitrag von Dr. Robert Gerlach, Gründer und CEO des Start-ups Klim:

Während die Anforderungen an Landwirte steigen, nehmen gleichzeitig ihre Spielräume ab – durch volatile Märkte, steigende Betriebsmittelkosten und einen immer stärkeren Einfluss des voranschreitenden Klimawandels. Hier rückt eine zentrale, oft unterschätzte Ursache der aktuellen Krisen in den Fokus: der Zustand unserer Böden. Laut EU-Kommission befinden sich bereits 60 bis 70 % der Böden in Europa in einem schlechten Zustand mit abnehmendem Humusgehalt – eine Krise mit weitreichenden Folgen.

Weil wir gerade jetzt die Grenzen unserer landwirtschaftlichen Systeme erleben – mit sinkender Bodenfruchtbarkeit, zunehmendem Extremwetter und wachsendem Druck auf Erträge und Betriebe – braucht es eine grundsätzliche Neuausrichtung. Hier kommen inzwischen für viele Landwirte, aber auch Unternehmen und Forschende, regenerative Anbausysteme als Lösungsansatz ins Spiel.

Die Praktiken an sich sind nicht neu: Landwirte setzen auf vielfältige Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte, reduzierte Bodenbearbeitung und organische Düngung – mit dem Ziel, die natürlichen Prozesse im Boden zu unterstützen und die Bodengesundheit zu verbessern.

Regenerative Landwirtschaft – Die fehlende Definition als Vorteil

Ich spreche dabei bewusst von regenerativen Systemen, weil es derzeit keine einheitliche, international verbindliche Definition für den Begriff „regenerative Landwirtschaft“ gibt. Das ist aus meiner Sicht sogar ein Vorteil. Denn landwirtschaftliche Betriebe sind so vielfältig wie die Regionen, in denen sie wirtschaften.

Was in Brandenburg sinnvoll ist, funktioniert in Baden-Württemberg womöglich nicht – schon innerhalb eines Landes sind die klimatischen Bedingungen und Bodenbeschaffenheiten stark unterschiedlich und erst recht über verschiedene Kontinente und Klimazonen hinweg.

Eine zu enge Definition würde die notwendige Offenheit und Innovationskraft einschränken. Sie könnte eine künstliche Schwelle schaffen, die Landwirte davon abhält, sich auf den Weg zu machen – aus Sorge, bestimmte Kriterien nicht zu erfüllen. Viel wichtiger ist die Frage: Welche Maßnahmen sind für einen individuellen Betrieb tatsächlich sinnvoll?

Thünen-Studie zur Regenerativen Landwirtschaft war zu vereinfacht

Diesen differenzierten Blick hätte ich mir auch im Diskurs rund um eine Studie vom Thünen-Institut und dem global agierenden Netzwerk agri-benchmark gewünscht, die erst kürzlich für Aufsehen gesorgt hat.

Zunächst möchte ich betonen: Jede neue Studie, die regenerative Methoden systematisch untersucht, ist ausdrücklich zu begrüßen. Wir brauchen mehr davon – um einzelne Effekte besser zu verstehen und gezielter in der Praxis anzuwenden.

Nicht hilfreich ist es jedoch, wenn „die regenerative Landwirtschaft” auf eine einzige Metrik reduziert und pauschal als „überbewertet“ oder „überschätzt“ bezeichnet wird."

Im Gegensatz zur offenen Frage der Definition sehen wir nämlich bei der Wirkungsmessung eine klare Notwendigkeit zur Standardisierung. Deshalb entwickeln wir gemeinsam mit einem DIN-Konsortium einen wissenschaftlich fundierten und praxistauglichen Standard zur Messung des Bodenkohlenstoffaufbaus, und freuen uns über jeden neuen Datenpunkt.

Nicht hilfreich ist es jedoch, wenn „die regenerative Landwirtschaft” auf eine einzige Metrik reduziert und pauschal als „überbewertet“ oder „überschätzt“ bezeichnet wird. Nicht, weil Kritik unangebracht wäre – ganz im Gegenteil: Nur durch kritisches Hinterfragen entsteht Fortschritt.

Aber wer eine so komplexe systemische Veränderung verallgemeinert und abwertet, ignoriert die Vielfalt der aktuell angewendeten regenerativen Systeme in Anwendung und Wirkung.

Durch den gezielten Einsatz regenerativer Anbausysteme lässt sich eine Vielzahl von positiven Effekten erreichen, die durch Studien z.B. des Thünen Institutes (Poeplau & Don, 2015)., ZALF (Strauss et al., 2024) und der TUM (Wiesmeier et al. 2017) auch als belegt gelten. Dazu zählen:

  • Stabilisierung der Erträge und Stärkung der Ernährungssicherheit durch verbesserte Bodenfruchtbarkeit, erhöhte Wasserspeicherkapazität, geringeres Erosionsrisiko und langfristig gesteigerte agrarische Produktivität.

  • Förderung der Biodiversität durch die Stärkung biologischer Vielfalt über und unter der Bodenoberfläche.

  • Verbesserung der Kostenbilanz durch reduzierten Einsatz von Düngemitteln und Treibstoffen sowie effizientere Ressourcennutzung.

  • Verbesserung der Klimabilanz durch geringere Emissionen und langfristige CO₂-Bindung im Boden über Humusaufbau.

Umso mehr verwundert es dann, wenn Handlungsempfehlungen an die Landwirte ausschließlich auf den Einsatz und die Optimierung von Düngemitteln begrenzt werden, wie es in der Studie der Fall war.

Regenerative Systeme sind besser ganzheitlich zu bewerten

Der Mehrwert der Anwendung regenerativer Systeme liegt in der Vielschichtigkeit der Effekte: gesündere Böden, stabilere Ernten, mehr Biodiversität, geringerer Einsatz von Betriebsmitteln, Klimaschutz – ein systemischer Nutzen, der in der Praxis immer sichtbarer wird. Und zwar dadurch, dass bereits viele Landwirtinnen und Landwirte täglich daran arbeiten. Sie sind zentrale Gestalter der Zukunft und sie benötigen ganzheitliche Konzepte, die die Anpassungsfähigkeit der Betriebe von innen heraus stärken, anstatt mit Eingriffen von außen zu stützen.

Das können wir mit wissenschaftlich fundierten Standards, praxistauglichen Lösungen und einer Gesellschaft, die diese Veränderung mitträgt.

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie über die Wirksamkeit regenerativer Maßnahmen zur Ertragssicherung? Was bewegt Sie an dem Thema? Schreiben Sie gern an malin.dietrich@topagrar.com oder redaktion@topagrar.com!

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