Für top agrar beleuchtet Prof. Dr. Sabine Kulling vom Max Rubner-Institut die Vorteile des Indoor Farmings und erläutert, warum diese Anbaumethode weiter vorangetrieben werden sollte.
Indoor Farming steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen, aber das sollte sich ändern. Die Vorteile sind klar: Geschützter Anbau ermöglicht wetter- und jahreszeitenunabhängige, pestizidfreie, wasser- und nährstoffsparende Produktion von bestimmten Gemüse- und Obstarten, Kräutern, Gewürz- und Heilpflanzen. Mehrere Ernten pro Jahr sind möglich, Kontaminationen durch toxische Beikräuter nahezu ausgeschlossen und mikrobiologische Risiken minimiert. Optimal gewählte Kultivierungsbedingungen, insbesondere Lichtregime, erlauben die Produktion von hoher Qualität hinsichtlich des Inhaltsstoffprofils. Dies ist aber kein Selbstläufer und erfordert Erfahrung und Optimierung. Nur bei Premium-Qualitäten wird der Verbraucher bereit sein, höhere Preise zu akzeptieren.
Ein wesentlicher Nachteil sind die hohen Investitionskosten für Infrastruktur und der hohe Energiebedarf, da die kostenlose Sonne durch LED-Licht ersetzt werden muss. Wirtschaftlich rechnet sich das nur, wenn die Energie aus erneuerbaren Quellen wie Photovoltaik stammt. Trotzdem wird der ökologische Fußabdruck wahrscheinlich kaum besser sein als bei konventionellem Anbau.
Warum sollten wir das in Deutschland trotzdem vorantreiben? Die Ernährung wird sich in den nächsten Jahren zu höheren pflanzlichen Anteilen verschieben. Setzen wir die aktuellen Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung um, brauchen wir enorme Mengen an Obst und Gemüse. Der Selbstversorgungsgrad liegt aktuell laut BLE bei nur 22% für Obst und 35% für Gemüse. Ein erhöhter Bedarf erfordert entweder mehr Anbau bei uns oder höhere Importe. Dadurch exportieren wir Umweltbelastungen in Regionen wie Südspanien, die bereits unter Wassermangel und anderen Umweltschäden leiden. Ist das mit unserem neuen Wertesystem vereinbar?
Auch in Deutschland wird die Konkurrenz um Ackerfläche zunehmen. Vertical Farming kann hier eine Entlastung schaffen und zur Resilienz unseres Lebensmittelsystems beitragen. Besonders für Kulturen, die von hohen Ernteausfällen durch Schaderreger betroffen sind, ist Indoor-Anbau interessant. Zudem sind rückstandsfreie Lebensmittel für die Weiterverarbeitung zu Produkten für sensible Gruppen wie Babys und Kleinkinder hochinteressant. Auch Sonderkulturen für den Bereich der Geschmacks- und Aromastoffe mit hoher Wertschöpfung sind vielversprechende Kandidaten. Eine gleichbleibend hohe Qualität, Verlässlichkeit der Ernten und Unabhängigkeit von globalen Lieferketten sind hier die Pluspunkte.
top agrar-Rubrik "Der Blick von außen"
Dieser Text stammt aus der Rubrik "Der Blick von außen", die jeden Monat in der top agrar-Heftausgabe erscheint. Der Streitpunkt zeigt, wie die Landwirtschaft von außen gesehen wird und ist nicht die Meinung der Redaktion. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar weiter unten.