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Bauern bereit für Wandel

top agrar-Chefredakteur im SWR-Talk: Landwirte zwischen Dürre und Anfeindung

Im SWR2-Talk berichtete Matthias Schulze Steinmann über die Bereitschaft der Bauern zu Veränderung und Anpassung. Prof. Stengel sieht die Lösung aller Probleme dagegen in Vertical Farms.

Lesezeit: 10 Minuten

Die Landwirtschaft hat schwer an der Dürre und den immer neuen politischen Vorgaben zu knacken. Vor allem, dass es kaum planungssichere Details zur Zukunft der Landwirtschaft gibt. Und was die Ernährungssicherheit angeht, so könnten sie viel mehr produzieren, wenn sie nur dürften. Doch die Umweltschutzseite hält an der 4 % Stilllegung fest und warnt vor Rückschritten.

Das Problem: Die Bauern im Land sind mittlerweile eine kleine Minderheit in der Gesellschaft und fühlen sich durch die Mehrheitserwartungen bedroht.

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Nach dem Willen der EU sollen sie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln halbieren, die Düngung drastisch zurückfahren und für den Klimaschutz die Moorweiden aufgeben. Gleichzeitig bleiben sie auf Erdbeeren, Spargel und Kartoffeln sitzen, weil der Handel lieber ausländische Ware anbietet. Gibt es da noch eine Zukunft für die Landwirtschaft in Deutschland – und wie sieht sie aus?

Darüber diskutierte der SWR2-Moderator Werner Eckert am Dienstag mit Landwirtin Anne Körkel, die eine der DBV-Zukunftsbäuerinnen ist, mit top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann sowie Prof. Oliver Stengel von der Hochschule Bochum.

Landwirte resigniert - Innovationsfreude wird von außen gebremst

Anne Körkel schilderte eingangs, wie es den Landwirten derzeit geht: Sie seien resigniert, wüssten nicht wie es weitergeht, der Verbraucher drücke, es gebe immer neue Umweltauflagen und nun herrsche auch noch Dürre, die den Markt weiter belaste.

Matthias Schulze Steinmann berichtete indes von der Aufgeschlossenheit der Landwirte für moderne Technologien und Geschäftsmodelle. „Was viele Betriebe im Moment nur erschlägt, ist die gefühlte Perspektivlosigkeit.“ Belastend seien die großen Themen wie Klimaschutz, Biodiversität, Umbau der Tierhaltung. Das könnten die Landwirte auch vorantreiben, nur sie können es nicht zum billigsten Preis machen. „Und da sind wir als Gesellschaft doch etwas ambivalent und tun uns da schwer diese Veränderungen auch umzusetzen“, schilderte der Agraringenieur.

Er mahnt an, dass wir wegkommen müssen von Schuldzuweisungen und hin zu fairen Rahmenbedingungen und fairer Entlohnung für die Landwirte. „Und da sind wir noch nicht gut drin, da müssen wir weiterkommen.“ Hier müsse die Gesellschaft die Leistungen honorieren.

Vom Ende der Landwirtschaft“ lautet der Titel des Buchs von Prof. Oliver Stengel. Er machte wenig Hoffnung, weil die Umweltbedingungen seiner Einschätzung nach in den nächsten Jahren eher noch schlechter werden. Die Ertragslage werde für die Landwirte noch unberechenbarer und unsicherer. „Landwirte sind ein Objekt der Krise und der sich ändernden Umweltbedingungen; sie werden hart von ihnen getroffen. Aber sie sind – seit es die Landwirtschaft gibt – auch Subjekt. Sie haben ganz maßgeblich zu den sich ändernden Umweltbedingungen beigetragen“, so der Forscher. Er verstehe den Unmut der Bauern, dass sie Anteil am Artensterben haben und am Klimawandel.

Künstliche Produktion statt Arbeit mit und in der Natur

Die Zukunft sieht der Professor darin, dass man die Produktion vom Land wegholt in die Städte, und dort in urbanen und vertikalen Farmen Nutzpflanzen ganz anders anbaut – mit ganz erstaunlichen Effekten und viel weniger negativen Auswirkungen. Ebenso setzt er Hoffnungen auf Fleisch- und Milchersatzprodukte und die Herstellung von Fleisch aus dem Labor. Durch eine Nahrungsmittelproduktion in städtischen Farmen wäre auch das Wetterthema ausgeklammert.

Schulze Steinmann griff hier ein und betonte den „destruktiven Charakter“, den solch ein Wandel für die Tierhaltung hätte. Seiner Meinung nach können sich die beiden Bereich gut ergänzen. Zudem seien vertikale Farmen noch Zukunftsmusik. Was allerdings schon Realität sei, wäre die Biogasherstellung und Neue Energie, wo die Landwirtschaft ein neues starkes Bein aufgebaut habe. Nur da fehle den Landwirten oftmals Planungssicherheit.

Tierwohlumbau derzeit kaum möglich

Schulze Steinmann berichtete, dass er sehr viele Landwirte kenne, die klare Vorstellungen, wie ein Tierwohlstall aussehen soll und die jetzt loslegen wollen mit dem Umbau, aber nicht können. Der Staat gibt bislang für die nächsten 20 Jahre keine Sicherheit und nennt weiter keine Details, wie solch ein Stall aussehen soll und wie die Anforderungen aussehen.

Das sieht auch Landwirtin Körkel so. Die Landwirte seien vielfältig aufgestellt und könnten einen großen Beitrag zur Bewältigung der künftigen Herausforderungen leisten. „Schwarz zu sehen und zu sagen, das wird das Ende sein, ist der falsche Weg. Wir müssen unseren Berufskollegen sagen, wir haben ganz viele tolle Wege, wo wir reingehen können.“

Düngeeinschränkung und Rote Gebiete

SWR-Redaktionsleiter Werner Eckert sprach dann die Strafandrohung der EU wegen zuviel Nitrat im Boden an. Er fragt, ob es nicht ein Ergebnis dessen ist, dass die Lobby selbst versucht hat, sich vor Veränderungen zu drücken und Scheinlösungen anzubieten, was ihr nun auf die Füße fällt.

Schulze Steinmann berichtete hierzu von den Niederlanden, wo sich der Druck und Frust der Landwirte nun in Protesten entlädt. Dass sei die Folge davon, dass die Politik das Thema jahrelang ausgesessen hat. Nun sehe sich dort ein Großteil der Betriebe in ihrer Existenz bedroht.

Für Körkel hat aber auch die Landwirtschaft daran einen großen Anteil: „Immer alles auf die Politik schieben ist gut, doch wir als Branche hätten das auch nicht so lange aussitzen sollen.“ Das es anders gehe, berichtete sie von ihrem Hof, wo sie schon lange Cultan-Düngung betreibt. Das reduziere Überfahrten, mindere Lachgasemissionen und spare 30 % Dünger ein. „Das ist ein kleiner Schritt. Doch auch da hätte man als Branche schon viel früher sagen können, OK, was kann man machen, wie kann Gülleseparierung gehen, warum geht es da so schleppend voran?“ Das hätte man der Politik so mitgeben können.

Moorrenaturierung ist wie kleiner Kohleausstieg

Das unterschreibt auch Schulze Steinmann. Wo es die Bauern gerade besser machen, sei das Thema Moorschutz. „Wir wissen, dass die Moore ein riesen Thema sind, wenn wir beim Klimaschutz in der Landwirtschaft weiterkommen wollen. Fast die Hälfte der Emissionen aus der deutschen Landwirtschaft entstammen rein rechnerisch nur aus trockengelegten Moorstandorten. Und da geht es um richtig viel Fläche. Und diese Diskussion ist meines Erachtens gerade erkannt. Da haben wir im Grunde so einen kleinen Kohleausstieg vor uns, der in die Milliarden gehen wird. Und ich nehme gerade keine Diskussion wahr, ob wir das machen sollen, sondern es geht um das Wie“, so der top agrar-Chefredakteur.

Prof Stengel mahnt, dass auch das die kommenden Trockenheiten nicht verhindern wird.

Bundesregierung schwenkt um zur Realpolitik

Die Herausforderungen der letzten Monate haben laut Schulze Steinmann zum Umdenken in der Politik geführt. „Das ist kein Rückwärtsgang, sondern ein Ankommen in der Realpolitik. Wenn wir sehen, was auch die Grünen seit dem Beginn des Ukrainekrieges an Positionen über Bord werfen mussten dann müssen wir anerkennen, dass wir da gerade ein Thema haben: Wir sprechen seit Beginn des russischen Angriffskrieges wieder über das Thema Versorgungssicherheit - und zwar Versorgung mit Energie als auch mit Lebensmitteln. Wir reden wieder von Welternährung. Wenn wir nicht auf Zack sind, dann werden wir Anfang nächsten Jahres Hungersnöte in Afrika erleben“, sagte er.

Deswegen könne man jetzt noch nicht das Thema Klimaschutz und die ganzen Biodiversitätsthemen über Bord werfen. „Wir wären ja bescheuert. Und die planetaren Grenzen, die haben wir weiterhin. Aber wir müssen für den Moment auch anerkennen, dass wir da ein handfestes Versorgungsthema haben.“ Schulze Steinmann versteht aber, dass es derzeit ein sehr schwieriges Navigieren der Agrarpolitik und der Verbände zwischen diesen beiden Zielen ist.

Als Symbol dafür sieht er gerade die Diskussion um die Stilllegungsflächen – der Naturschutz besteht bekanntlich auf die Umsetzung der Agrarreform, während die Landwirtschaft die Umsetzung der von der Politik ermöglichten Ausnahmegenehmigung fordert, um sie weiter zu bewirtschaften. „Macht es gerade Sinn, mitten in einer alterbaulichen Gunstregion 4 % der Flächen stillzulegen oder können wir die nicht für die nächsten Jahre freigeben?“

Feinjustierung der Agrarpolitik statt Vertical Farming-Theorien

Auch hier verteidigt Prof. Stengel seine Idee eines Vertical Farming, dass auch hier eine Lösung sein könne. Hier unterbrach Moderator Eckert mit der Frage, ob Stengel da nicht ein klassisches holländische Gewächshaus beschreibe, für das man sehr viel Energie braucht. Hierauf viel dem Wissenschaftler lediglich ein, dass man ja einen Teil der höheren Energiekosten durch Mehrertrag wieder reinbekomme und der Rest halt von staatlicher Förderung ausgeglichen werden könnte. Im Gegenzug müssten dann natürlich die Subventionen für die konventionelle Landwirtschaft zu den Vertical Farmen umgeleitet werden. Ein Ende der klassischen Landwirtschaft will Stengel dann aber doch nicht einfordern, sondern sieht im Idealfall eine Ergänzung beider Systeme nebeneinander.

Schulze Steinmann merkte hierzu an, dass ihn die bisherigen Prototyp-Farmen noch nicht überzeugt hätten. Man werde noch längere Zeit nicht ohne Feld und Stall auskommen. Zudem seien die Ideen ja jetzt auch keine Lösung für die Versorgungsprobleme 2022. Es gebe JETZT einen Handlungsdruck bei den Entscheidern, wo konkret Antworten kommen müssen. „Und ich glaube da ist es schon legitim, über eine Feinjustierung zwischen sehr sehr berechtigen Nachhaltigkeitszielen und knallharten Versorgungsthemen zu diskutieren.“

„Kalorienvernichtungsindustrie Tierhaltung“

Als schnellste Möglichkeit, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen, empfiehlt Prof. Stengel die Reduzierung der Tierhaltung. In diese Industrie gehe viel mehr Energie rein in Form von Tierfutter, als in Form von Nahrungsmitteln wider herauskomme – es sei eine Art Kalorienvernichtungsindustrie, so der Hochschullehrer. „Weltweit werden 30 % der Ackerflächen nur dazu verwendet, um Viehfutter anzubauen. Und dann kommen noch die Weideflächen hinzu – global nochmal 30 bis 35 %. Da wird also ein enormes Territorium dafür in Anspruch genommen, um letztendlich weniger Kalorien zu erzeugen, als hinein gehen. Und das können wir uns in Zukunft eigentlich nicht mehr leisten“, sagt Stengel.

Landwirtin Körkel erinnerte den Prof. daran, dass der Mensch das Grünland ja ohne die Rinder nicht verwerten könne. Sie mahnt, die Branche nicht allgemein zu verteufeln, gerade weil die Höfe in ihrer Struktur und Ausrichtung so unterschiedlich seien. Wichtig ist aus ihrer Sicht, dem Verbraucher genau zu sagen und zeigen, was man macht. „Wir Landwirt müssen wieder lernen, den Verbraucher als Kunden und als Partner an unserer Seite zu sehen, dann kann das auch im größeren Maßstab gelingen.“

Genau richtig, meint Schulze Steinmann: „Wir als Branche müssen nicht nur über Kommunikation nachdenken, sondern wir müssen am Ende ehrliche Lösungen anbieten.“ Der Trend werde sicherlich dahin gehen, dass weniger Fleisch gegessen wird, dafür aber die Standards in der Haltung höher sind. Und auch die negativen Effekte werden sicherlich stärker angegangen. Mut mache ihm, wenn er sieht, wie engagiert große Betriebe die Themen Klimaschutz, Tierwohl etc. angehen. Hier sei ein 200 Kuh-Betrieb einem kleinen mit Anbindehaltung weit voraus.

Mit Mut und neue Ideen gegen Wohlstandsverluste anstemmen

Körkel ermutigt die Berufskollegen in dem Zusammenhang, links und rechts zu schauen und den Naturschutz ins Betriebskonzept einzubinden. Denn die Landwirte seien seit jeher Bewahrer und könnten viel voneinander lernen. Daher sollten sich die Bauern viel mehr vernetzen – der Bauernverband versuche dies gerade verstärkt.

Der top agrar-Chefredakteur sprach dann noch die kommenden Wohlstandsverluste an, die auf die Verbraucher zukommen. Und Körkel erinnerte an den weiter anhaltenden Flächenfraß.

Statt Vertical Farming bauen die Landwirte die Bioenergieproduktion aus. Hier entstehen neue Geschäftsmodelle und sie bieten handfeste Lösungen. Unter dem Strich sei neben einer guten Politik mit Anreizen Mut bei den Bauern erforderlich, neue Wege einzuschlagen. Die top agrar-Rubrik Perspektiven liefere hierfür Monat für Monat viele spannende Ideen und neue Geschäftsmodelle.

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