Wenn es in der Maschinenhalle rattert und brummt, liegt ein würziger Duft über dem Hof Grote im niedersächsischen Beverbruch im Landkreis Cloppenburg. Es duftet nach Anis oder Fenchel, die hier gereinigt und aufbereitet werden. Noch vor wenigen Jahren roch es hier anders: nach Schwein.
Klaus Grote hält heute keine Mastschweine mehr, sondern ist 2015 in den Markt für Arzneipflanzen eingestiegen. Auf 50 ha baut er mehr als 60 verschiedene Pflanzenarten an, darunter Fenchel, Schafgarbe und Margerite. Neben dem Anbau verdient er sein Geld mit der Reinigung und Aufbereitung der Rohstoffe als Dienstleistung.
Die gereinigte Ware mit den heilenden Eigenschaften finden vielfältige Verwendung – je nach Pflanze und Abnehmer. Sie kommen im Pharmabereich zum Einsatz, in pflanzlichen Arzneimitteln oder Tinkturen, ebenso in Babynahrung, Teemischungen oder als Zutat in Lebensmitteln.
Wer jetzt jedoch hurra schreit und ebenfalls einsteigen will, den bremst der Unternehmer. „Ohne fachliches Interesse und die nötige Leidenschaft sollte man besser die Finger davon lassen“, sagt Grote. „Wer sich ausschließlich von vermeintlich lukrativen Erträgen leiten lässt, scheitert erfahrungsgemäß schnell.“
Auf der Suche nach dem Alleinstellungsmerkmal
Klaus Grote ist kein Landwirt von Kindesbeinen an. Ursprünglich arbeitete er als Techniker bei der Telekom und machte erst 2001 eine landwirtschaftliche Ausbildung, um den Hof seiner Schwiegereltern mit Schweinemast und 120 ha Ackerbau weiterzuführen. 2010 begann er, sich nach Alternativen zur Schweinehaltung umzusehen: „Ich wollte ein Alleinstellungsmerkmal. Etwas, das nicht jeder macht und das mir ein sicheres Einkommen bietet.“
Er wurde fündig: 2014 lernte er auf einem Seminar einen Landwirt kennen, der im Vertragsanbau Heil- und Gewürzpflanzen kultivierte. Nur fünf Monate später startete Klaus Grote selbst damit – mit 7 ha Fenchel.
2022 zog er den Schlussstrich unter die Schweinehaltung. Ein Stall ist verpachtet, der andere soll abgerissen werden. Den Ackerbau hat er auf von 120 auf 50 ha abgestockt.
Fenchel im Fokus
Wie der Anbau von Arzneipflanzen in der Praxis aussieht, zeigt Grote am Beispiel Fenchel – der flächenmäßig größten Kultur auf seinem Betrieb: „Fenchel kommt mit leichten, trockenen Böden gut klar“, sagt Klaus Grote. Die Pflanze ist mehrjährig und bleibt drei Jahre auf demselben Schlag. „Das erste Jahr ist arbeitsintensiv und der Ertrag eher gering“, schildert er. Im zweiten Jahr ist es umgekehrt: wenig Aufwand, hoher Ertrag. Das dritte Jahr nennt der Landwirt sein „Bonusjahr“. Der Arbeitsaufwand sei wie im zweiten Jahr niedrig, der Ertrag falle jedoch etwas geringer aus.
Die Düngung erfolgt vor der Aussaat. Fenchel benötigt rund 90 kg Stickstoff pro ha. Geerntet wird ab Mitte September, manchmal bis in den Dezember hinein. „Geerntet wird mit einem herkömmlichen Mähdrescher - am besten mit Rapstisch und Seitenschneidwerk“, erklärt Klaus Grote. Die Erträge schwanken dabei stark. „Ich hatte schon alles: von Totalausfall bis 1,2 t pro ha“, fügt er hinzu. Gerade Pilzinfektionen können ganze Bestände vernichten. Nach der Ernte trocknet Grote die Fenchelsamen zunächst bei 40°C - von rund 20 % Feuchtigkeit auf 8 % runter. So bleiben sie lange haltbar und lagerfähig.
Unkrautbekämpfung per Hand
„Im Arzneipflanzenanbau ist die Reinheit entscheidet. Eine belastete Lieferung ist sofort wertlos“, warnt Grote. „Ein einziger Stechapfel auf einem Hektar kann die ganze Charge unbrauchbar machen.“ Daher kommt es auf eine absolut akkurate Unkrautbekämpfung an, die den Arbeitsaufwand im Arzneipflanzenanbau in die Höhe schießen lässt.
„Im Ackerbau komme ich aktuell auf 2.500 bis 3.000 Arbeitsstunden im Jahr“, schildert der Landwirt. Das sind rund 60 Stunden pro ha. „Bei Getreide kann man mit vier bis sieben Arbeitsstunden pro ha kalkulieren.“ Zur Unkrautkontrolle setzt Grote auf mechanische Verfahren mit Hacke und Striegel. Ganz ohne Handarbeit geht es jedoch nicht: „Das Nacharbeiten von Hand ist unverzichtbar“, betont er. Allein wäre das kaum zu bewältigen. Unterstützung bekommt er von zwei Vollzeit- und zwei Teilzeitkräften sowie von Aushilfen in arbeitsintensiven Phasen.
Reinigung in Eigenregie
Beim Einstieg in den Markt 2015 lieferte Klaus Grote seine Fenchelsamen noch als Rohware an seine Vermarktungsgesellschaft. Die Transportkosten dafür musste er selbst zahlen. Da den kostspieligen Transport bei gereinigter Ware oft die Käufer übernehmen, entschied er sich, auch die Reinigung selbst zu übernehmen.
2016 kaufte er dafür eine gebrauchte Blumensaatreinigungsmaschine. Ein Jahr später erhielt er den ersten Aufbereitungsauftrag von einem Berufskollegen – der Beginn seiner Dienstleister-Laufbahn. Heute reinigt Grote Arzneipflanzen für Betriebe aus ganz Deutschland. Zu seinen Kunden zählen die Partnerbetriebe der Vermarktungsgesellschaft , direktvermarktende Landwirte, Saatguthersteller, aber auch Bäckereien und Handelsunternehmen.
In einer eigens dafür gebauten Halle stehen mehrere Aufbereitungsanlagen. Die größte Reinigungsanlage kann bis zu 3 t pro Stunde verarbeiten. Das gereinigte Gut füllt er je nach Kundenwunsch in Big Bags oder Kreuzbodentüten.
Ein schwieriges Geschäft
Grote vermarktet seine gereinigten Rohstoffe an die agrimed Vermarktungsgesellschaft, bei der er selbst als Gesellschafter beteiligt ist. In dieser Partnerschaft fühlt er sich gut aufgehoben. Aber er findet auch mahnende Worte für Landwirte, die neugierig auf die Nische sind. „Wer Sonderkulturen wie Anis oder Fenchel anbauen möchte, muss komplett umdenken“, sagt Grote.
„Während man bei klassischen Marktfrüchten wie Getreide vom Anbau zur Vermarktung plant, läuft es bei Sonderkulturen genau andersherum“. Hier beginnt alles mit der Frage, wie und an wen man die Produkte vermarkten kann – erst dann entscheidet man über den Anbau.
Der Anbau selbst ist arbeitsintensiv und durch die schwankenden Erträge und hohen Reinheitsanforderungen riskant. Dennoch hat Klaus Grote seine persönliche Nische gefunden. Für ihn ist der Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen längst mehr als nur ein Geschäftsmodell.
Er sieht ihn als gesellschaftlichen Auftrag - als seinen Beitrag zur Biodiversität und zum Ressourcenschutz. Mit der Reinigung von Arzneipflanzen hat er sich ein Standbein aufgebaut. Es sichert ihm nicht nur eine stabile Existenzgrundlage, sondern gibt ihm auch die Freiheit, seinen Betrieb weiterzuentwickeln.