99% aller deutschen Landwirte setzen statistisch gesehen auf Pflug, Grubber oder Striegel, um ihre Böden zu bearbeiten Familie Keppler vom Hofgut Dettenberg gehört zu dem einen übrigen Prozent und verzichtet gänzlich auf die mechanische Bodenbearbeitung. Was vor mehr als 30 Jahren eher aus Personalnot entstand - weniger Überfahrten bedeuten weniger Arbeitszeit - entwickelte sich zu einer zukunftsfähigen Betriebsstrategie, die den Boden in den Mittelpunkt stellt. Und das, lange bevor der Begriff „regenerative Landwirtschaft“ geläufig war. Das Regenrückhaltebecken gegen Trockenphasen, die PV-Anlage im Hühnerauslauf und die Direktvermarktung runden das innovative Konzept ab. Dafür erhielt das Hofgut Dettenberg kürzlich eine Auszeichnung: So verlieh das Forum Moderne Landwirtschaft gemeinsam mit top agrar den Innovationspreis Moderne Landwirtschaft für ein besonders nachhaltiges Betriebskonzept an Familie Keppler, das wir im Folgenden vorstellen.
Schwerpunkte: Ackerbau und Legehennen
Der Betrieb liegt im baden-württembergischen Landkreis Biberach und ist seit 1989 im Familienbesitz. Patricia Keppler bewirtschaftet den Hof gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Eltern, wobei aktuell die Hofübergabe ansteht. Das Management der 4.800 Legehennen übernahm die studierte Landwirtin 2019 und den Ackerbau vor gut einem Jahr. Insgesamt umfasst das Hofgut 152 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, davon 144 ha Ackerland und 8 ha Grünland. Rund 95 ha der überwiegend schluffigen Lehmböden mit 40 bis 60 Bodenpunkten befinden sich im Eigenbesitz, 63 ha sind Pachtflächen.
Ackerbau
Familie Keppler bewirtschaftet ihren Ackerboden seit zwölf Jahren ganz ohne den Einsatz von mechanischer Bodenbearbeitung.
Direktsaat bringt stabile Erträge
Seit 1992 bleibt der Pflug auf dem Betrieb ungenutzt. Neben der eingesparten Arbeitszeit fiel auf, dass sich das Bodenleben wieder erholte. Nach und nach reduzierte die Familie daher auch alle anderen Bodenbearbeitungsmaßnahmen. Seit zwölf Jahren wirtschaftet sie ausschließlich in Direktsaat. „Die schrittweise Umstellung dauerte gut zehn Jahre“, sagt Patricia Keppler. „Inzwischen erzielen wir auf den Flächen die gleichen Erträge, wie auf intensiv bearbeiteten. Nur, dass sie gleichzeitig stabiler sind gegen Wetterextreme.“ Heute ist der Boden leistungsfähig und bringt gesunde Bestände hervor. „Im Boden muss das Leben toben. Die Vielfalt unter der Oberfläche ist erst die Voraussetzung für die Biodiversität darüber“, so die Dreißigjährige. Sie erklärt gegenüber top agrar, wie ihre Familie den Boden wieder fit gemacht hat.
Fünf Hauptkulturen in der Fruchtfolge
Eine Kernmaßnahme bei der Direktsaat ist die Fruchtfolgegestaltung, denn die fehlende mechanische Lockerung muss durch die Pflanzen sozusagen ersetzt werden. Auf dem Hofgut wachsen fünf Hauptkulturen: Winterweizen, Wintergerste, Mais, Sonnenblumen und Raps, ergänzt durch Zwischenfrüchte. Die Familie setzt auf einen Wechsel von Winterungen und Sommerungen sowie Blatt- und Halmfrüchten. So verhindert sie außerdem die Resistenzbildung von Unkräutern. Ganz ohne Glyphosat kommt das Direktsaatverfahren dennoch nicht aus. „Ein Glyphosatverbot würde den Ackerbau deutlich komplexer machen“, sagt Keppler. Doch im Wasserschutzgebiet, wo ein Teil der Pachtflächen liegen, gelingt es bereits ohne das Mittel.
Patricia sagt: „Viele Kunden unserer Direktvermarktung können mit dem Begriff „Regenerative Landwirtschaft“ nicht viel anfangen. Sie orientieren sich eher an Biolabels und fragen, warum wir nach wie vor Chemie auf dem Acker brauchen. Ich erkläre dann, dass wir dadurch viel weniger Überfahrten haben und den Boden schonen. Direktsaat funktioniert heute einfach noch nicht ohne chemischen Pflanzenschutz.“
Pflanzenschutz: Weniger Mittel, gezielter Einsatz
Den versuchen sie allerdings drastisch zu reduzieren. Die Fruchtfolge und das aktive Bodenleben verringern bereits den Krankheits- und Schädlingsdruck. Eine weitere Schlüsselrolle spielt das Applikationsmanagement. „Wir bringen Pflanzenschutzmittel nur nachts aus“, sagt Keppler. „Dann sind die Bedingungen optimal: weniger Wind, höhere Luftfeuchtigkeit, kein Verdunstungsverlust.“ Das senkt die benötigte Menge nach den Erfahrungen der Betriebsleiterin um bis zu 35 % im Vergleich zur Ausbringung bei Tag. Im Raps setzt der Betrieb zudem auf Begleitsaaten wie Wicke, Bockshornklee und Alexandrinerklee, die besonders im Herbst die Schädlinge ablenken sollen. „Beim Einsatz von Insektiziden gilt für uns: nur im Raps und dort auch nur, wenn es gar nicht anders geht, um unsere Mitarbeiter im Boden und an dessen Oberfläche zu schützen“, erklärt Patricia Keppler.
Gleichzeitig arbeiten die Kepplers mit GPS und RTK-korrigierten Traktoren, um nur die notwendigen Mengen zu applizieren. Das Pflanzenschutzgerät ist ISOBUS-gesteuert und kann einzelne Segmente automatisch bei Überlappung abschalten. Seit kurzem steht Patricia in Kontakt mit dem Start-up SAM DIMENSION, um deren Spot-Spraying-Technologien zu testen.
Insgesamt konnte das Hofgut Dettenberg den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf diese Weise halbieren und bis zu sieben Überfahrten einsparen. Das Ergebnis all dieser Maßnahmen: Die Umsetzungsrate organischer Substanz liegt bei 10 t Stroh pro ha innerhalb von sechs Monaten. „Die Untersuchungen der letzten 20 Jahre zeigen, dass der Gehalt an organischer Substanz unserer Böden von durchschnittlich 2,2% auf durchschnittlich 3,5% gestiegen ist. Das haben uns mehrere Labore bestätigt“, führt Patricia Keppler aus. Damit haben Pilzsporen auf Ernteresten keine Chance, der Folgekultur gefährlich zu werden. Und im Boden tummeln sich deren natürliche Antagonisten.
Sicher gegen Extremwetterereignisse
Für Starkregen und Trockenphasen hat Patricias Vater Klaus Keppler 2011 ein Regenrückhaltebecken mit einer Oberfläche von etwa 7.500 m2 bauen lassen. Das kostete die Familie rund 70.000 €. „Die Niederschlagsverteilung wird in künftigen Klimamodellen immer ungünstiger“, erklärt Patricia Keppler. „Mit dem Wasserspeicher machen wir uns darüber ein bisschen weniger Sorgen.“ Das Becken liegt an einer Hangmulde, wo das Oberflächenwasser sich sowieso sammelt.
„Wir speichern bis zu 40.000 Kubikmeter Wasser“, erklärt Keppler. „Damit könnten wir alle arrondierten Flächen einmalig mit 35 mm beregnen.“ Nötig war bisher zweimal die Beregnung von 20 ha Körnermais. Das Wasser stammt von Hofdächern und Drainagen. Ein kleiner Vorweiher filtert den mitgeschwemmten Sand, Staub und Schmutz heraus. Eine wasserrechtliche Genehmigung erlaubt dem Betrieb, 90 % des Wassers für die Bewässerung zu nutzen. Die restlichen 10 % bleiben für Naturschutz und Artenvielfalt erhalten. Die Untere Naturschutzbehörde forderte für den Eingriff in das Landschaftsbild außerdem eine entsprechende Ausgleichsmaßnahme, so dass die Familie 0,5 ha Ackerland in extensives Grünland umwandeln musste. Inzwischen ist das Areal ein Biotop, in dem sich Wasservögel, Fische und Amphibien tummeln. Seit 2014 steht am Ufer des Sees ein kleines Ferienhaus zur Vermietung an Urlaubsgäste, welches sich größter Beliebtheit erfreut.
Noch viele Ideen in der Pipeline
Um das Wissen auch unter Berufskollegen in die Breite zu tragen, ist Klaus Keppler seit einigen Jahren Vorsitzender der Gesellschaft für konservierende Bodenbearbeitung (GKB e. V.). Er referiert über das Wissen aus der Umstellungszeit. Die „Soil Evolution“, einen Feldtag für konservierenden Ackerbau, organisiert von der GKB gemeinsam mit SwissNotill aus der Schweiz und Boden.Leben aus Österreich, fand 2022 erstmals auf dem Hofgut Dettenberg statt. Das nächste Event wird sich 2026 in der Schweiz ereignen.
Auch ihre eigene Betriebsweise will Patricia Keppler noch weiterentwickeln. Die quirlige Landwirtin und dreifache Mutter hat viele Ideen: So will sie mit Pflanzensaftanalysen frühzeitig Mangelerscheinungen im Bestand erkennen. Mit einem Refraktometer misst sie dafür die sogenannten Brixwerte, also den Zuckergehalt im Pflanzensaft, und erhält Informationen über den Nährstoffgehalt. „Je besser wir die Leistung unserer Kulturen kennen, desto gezielter können wir düngen und den Pflanzenschutz anpassen“, so Keppler. Zudem testet sie die CULTAN-Düngung, bei der Stickstoff direkt an die Wurzel gebracht wird. Langfristig verfolgt der Betrieb das Ziel, ein Mischkultursystem mit Lebendmulch zu etablieren. „Wenn wir es schaffen, Unkräuter durch unterwachsende Pflanzen zu unterdrücken, brauchen wir noch weniger Pflanzenschutzmittel“, erklärt Keppler.
Es muss einem wichtig sein, dass man den Anbau von der Wurzel aus verbessert und nicht nur Symptome bekämpft. So können auch unsere Kinder und deren Kinder von diesen Böden leben.“
Außerdem möchte sie den konservierenden Ackerbau weiter verbreiten. Denn der erste Schritt passiere im Kopf, so die Landwirtin. Sie schlägt vor: „Wer sich für Reduktion der Bodenbearbeitung interessiert und das gerne ausprobieren möchte, der kann auf das bereits bestehende Wissen, das zum Beispiel in der GKB gebündelt wird, zurückgreifen. Als Einstieg empfehlen wir immer eine Zwischenfrucht. Direktgesät ist sie deutlich günstiger zu bestellen und da keine Ernte ansteht, kann auch kein Ertrag verloren gehen.“
Es müsse einem wichtig sein, dass man den Anbau von der Wurzel aus verbessert und nicht nur Symptome bekämpft. Und warum das Ganze? Patricia findet: „So können auch unsere Kinder und deren Kinder von diesen Böden leben.“
Geflügel und Energie
Die Legehennenhaltung mit angeschlossener Direktvermarktung trägt den Betrieb. Die Tiere finden Schutz unter einer Agri-PV-Anlage.
Agri-PV mit Tierhaltung
Seit acht Jahren leben die Legehennen der Familie Keppler in Freilandhaltung auf dem Hofgut. Seit August 2024 steht eine Agri-PV-Anlage im Auslauf der 4.800 Tiere. Den Bau mit Kosten im hohen sechsstelligen Bereich initiierte die örtliche Bürgerenergie-Genossenschaft, die im Gegenzug für die Fläche 2,8% des Umsatzes der Anlage als Pacht zahlt. Die aufgeständerten Module sind in 1,30 m Höhe mit mindestens 6 m Abstand zueinander angebracht und bringen 1 MW Leistung.
Da sie nicht landwirtschaftlich priviligiert bauen konnten - eine Freiflächen-Solaranlage gilt per se als gewerblich - mussten sie einen ausführlichen Bebauungsplan erstellen lassen. Denn aus Sicht der Behörden, sei die überwiegend landwirtschaftliche Nutzung nicht gegeben. Die Fläche ist bisher als Grünland angegeben.
Forschung zur Nutzung des Auslaufes unter der Solaranlage
Die Kombination aus Agri-PV und Freilandhennen dient einem Forschungsprojekt, das darauf abzielt, die Auslaufnutzung und die Nährstoffeinträge auf der 1 ha großen Fläche zu verbessern. Mitarbeiter der Hochschule Nürtingen-Geislingen untersuchen dafür, inwieweit die Hühner die Module einer PV-Anlage als Schutzmöglichkeit nutzen. Die ersten Effekte zeigten sich schnell. Die Nutzung des Auslaufes verbesserte sich deutlich. Was jedoch als Schutz vor Raubvögeln gedacht war, diente ihnen vielmehr als neue, bequeme Sitzmöglichkeit. Dagegen sollen bald Abwehrmaßnahmen installiert werden.
Familie Keppler erhält für die zusätzliche Arbeit eine Aufwandsentschädigung. Knapp 41€ gibt es pro Stunde für z. B. das zusätzliche Umstallen der Hühner. „Ansonsten sind wir weder Teil eines Förderprojektes noch werden wir aus Projektmitteln finanziert. Wir machen das, weil uns die Synergie aus Landwirtschaft und Energieerzeugung sowie die Doppelnutzung der Flächen begeistern“, so Patricia Keppler.
Hofeigenes Windrad „Emma“ aus Dänemark
Neben der Freiflächen-PV ziert das hofeigene Windrad „Emma“ den Betrieb. „Emma“ ist eine restaurierte Windkraftanlage von einem dänischen Unternehmen, das sich neben der Lieferung direkt um den Aufbau kümmerte. Patricia erzählt: „Die Anfangsinvestition lag bei 120.000 €. Unsere Emma ist jedoch sehr wartungsarm.“ Das Windrad hat eine Nabenhöhe von 36 m, liegt damit unter 50 m und war deshalb landwirtschaftlich privilegiert zu bauen - jedenfalls, wenn der Betrieb genug Strom im Eigenverbrauch hält. Es hat zwei Generatoren, einen mit 30 kW und einen, der bei stärkerem Wind arbeitet mit 150 kW. Im Jahr produziert das Windrad etwa 80.000 kWh.
Ergänzt wird das Windrad von PV-Anlagen auf den Dächern der Hofgebäude, die als Eigenverbrauchsanlagen mit Überschusseinspeisung betrieben werden. Die Aufdach-PV bringt bisher 24 kW, kürzlich ergänzt durch 70 kW. Insgesamt deckt der Betrieb so 70 % seines Strombedarfs selbst. Dieser Anteil soll noch erhöht werden: Die Familie ergänzt den bereits bestehenden 34 kWh-Stromspeicher bald durch eine größere Batterie mit 210 kWh. Ein Invest von rund 150.000 €.
Direktvermarktung: Eier, Nudeln und Suppenhühner
Angeschlossen an die Tierhaltung ist die Direktvermarktung sowie die Verarbeitung der Produkte. Jeden Monat verkauft das Hofgut rund 100.000 Eier für 28 bis 36 Cent – über Wochenmärkte, Verkaufsautomaten, Metzgerei-Filialen, den regionalen Lebensmitteleinzelhandel, einen Bäcker sowie mehrere Restaurants und Hotels. Eier der Güteklasse B fließen in die hofeigene Eierlikör- und Nudelproduktion oder werden als Voll-Ei zur Weiterverarbeitung an Kunden vermarktet. „Alles, was produziert wird, verwerten wir“, betont Keppler. Suppenhühner schlachtet der Betrieb selbst und verkauft sie frisch oder als Brühe. Seit über zehn Jahren erfolgt die Auslieferung elektrisch – mit dem ersten E-Lieferwagen im Landkreis, der mittlerweile 300.000 km gefahren ist.