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Start-up Paltech baut Agrarroboter zur Entfernung von Unkraut

Ampfer im Grünland ist ein Problem und bedeutet im Biobetrieb stechen von Hand. Die Lösung des Start-ups „Paltech“ ist ein Roboter, der das Unkraut mechanisch entfernt.

Lesezeit: 6 Minuten

Wer bei seinen Großeltern zu Besuch ist und anstatt Kaffee und Kuchen einen Ampferstecher in die Hand gedrückt bekommt, fängt zwangsläufig an, nachzudenken“, scherzt Felix Schiegg über die Geburtsstunde seines Start-ups „Paltech“.

Ihm und seinem Bruder Florian Schiegg machten die sonntäglichen Ausflüge ins Grünland zwar Spaß – ihrer Großmutter bei der schweren körperlichen Arbeit zuzusehen, war für die beiden Ingenieure jedoch nicht hinnehmbar.

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„Mit den heutigen technischen Möglichkeiten erschien es uns unvorstellbar, dass Handarbeit die beste Lösung zur Ampferbekämpfung ist“, so der Ingenieur. Viele andere Optionen gab es aber bis dato nicht. 2016 wurde der Milchviehbetrieb im Allgäu auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln war also keine Option mehr.

Mit den heutigen technischen Möglichkeiten erschien es uns unvorstellbar, dass Handarbeit die beste Lösung zur Ampferbekämpfung ist." --Felix Schiegg

Die Lösung lag für die Brüder, die beide Ingenieure sind, auf der Hand: Ein selbstfahrender und mechanisch arbeitender Roboter sollte die Arbeit für sie übernehmen. An eben dieser autonomen Maschine arbeiten sie gemeinsam mit ihrem Stiefvater seit zwei Jahren.

EIN UNSCHEINBARER KASTEN

Der rund 1 x 1 m große grüne „Kasten“ sieht bei der ersten Betrachtung recht unscheinbar aus: Die gesamte Technik ist auf einem starken Metallrahmen konstruiert. Vier luftbereifte Räder tragen seine knapp 200 kg Gewicht. „Wir brauchten die Kilos, um ihn am Boden zu halten, wenn er in den Boden bohrt“, erklärt Schiegg.

Der Roboter arbeitet zusammen mit einer Drohne, die die Ampfer-Cluster aus der Luft ortet. „Wenn vorab bekannt ist, wo der Ampfer steht, können wir mittels eines Algorithmus den bestmöglichen Fahrweg berechnen. Das spart Zeit“, so der Ingenieur. Mittels GPS-Steuerung fährt die batteriebetriebene Maschine zum Unkraut. Dort angekommen, positioniert sie sich über der Pflanze, justiert einen Greifer und sticht die Pflanze aus.

„Jeder Biolandwirt mit Milchvieh weiß, dass gerade Ampfer ein sehr schwer zu bekämpfendes Unkraut ist“, erklärt Felix Schiegg. „Eine Einzelpflanze kann pro Jahr bis zu 60.000 Samen produzieren, die im Boden mehr als 80 Jahre keimfähig bleiben“, so Schiegg. Daher wirft der Roboter die ausgestochene Pflanze in einen eingebauten Häcksler. Bei diesem Vorgang zerstört er die Erneuerungsknospen der Pflanze. Nur so lässt sich ein erneutes Austreiben verhindern.

Die Maschine schließt das entstandene Loch. Anschließend verteilt sie Grassamen und drückt mit einer eingebauten Vorrichtung den Boden erneut platt, um die Samen mit ausreichend Bodenschluss zu versorgen. Der zerstückelte Ampfer kann auf dem Grünland verbleiben.

Ein großer Unterschied zur händischen Variante: Werden die Knospen nicht zerstört, müssen die Pflanzen mitgenommen und vernichtet werden. In der händischen Praxis heißt das: Rund 130 g pro Pflanze müssen in einem Sack auf dem Rücken geschleppt und am Rand des Grünlandschlages lichtabgeschlossen gelagert werden. Das Start-up hat sich als Zielgröße 30 Sekunden pro Pflanze gesetzt. „Darin ist die Fahrzeit von Pflanze zu Pflanze bereits enthalten und damit ist der Roboter doppelt so schnell wie ein Mensch“, sagt Schiegg.

DAS GRÜNDERTEAM

Was einfach klingt, benötigte viele Stunden konzeptioneller, technischer und mechanischer Arbeit. Für jede dieser Komponenten verfügt das Gründerteam über einen Experten: Felix, der einen Master in „Robotics, Cognition, Intelligence“ vorweisen kann. Florian, der nicht nur zwei Master-Studiengänge parallel – einen im Bereich Physik und einen im Bereich Marketing – erlangt hat, sondern auch eine Doktorarbeit zum Thema „Autonomes Fahren“ geschrieben hat. Und Stiefvater Jorge Decombe, der begeisterterer Mechaniker ist und den Roboter zusammengebaut hat.

Wir sind selbst keine Landwirte und haben oft gesehen, dass Technologie an den Landwirten vorbei entwickelt wird." -Felix Schiegg

Eine wichtige Komponente für den Erfolg fehlte jedoch: die landwirtschaftliche Fachkenntnis. „Wir sind selbst keine Landwirte und haben oft gesehen, dass Technologie an den Landwirten vorbei entwickelt wird“, so Schiegg. Das wollten sie vermeiden und suchten immer wieder Rat bei ihrem Onkel. „Wir mussten erst lernen, was Lichtkeimer sind und warum deshalb die Grasnarbe nach dem Ampferstechen schnell geschlossen werden sollte“, sagt Schiegg heute.

UNTERSTÜTZUNG DURCH DIE UNI

Konstruiert und zusammengebaut haben die Gründer ihren Roboter im „Venture Lab“ der Technischen Universität München. Neben der Werkstatt, in der Decombe schweißt und flext, stellt die Uni Computerprogramme, Büroräume und Coachings zur Verfügung. Während die Schiegg-Brüder rechnen und konzipieren, optimiert Decombe den Roboter. Fachliche Unterstützung erhalten sie vom Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik.

Mittlerweile ist die dritte Generation Prototyp im Einsatz. Während im vergangenen Jahr lediglich einige Labortests und ein Praxisversuch gefahren wurden, soll der Roboter dieses Jahr auf mehreren Betrieben arbeiten. Dabei soll er im Lohn betrieben werden.

Bisher ist er teilautomatisiert: Eine Person wird zur Steuerung der Drohne benötigt. Zudem muss der Pilot aus rechtlichen Gründen Sichtkontakt zur Drohne haben. Kommt das Gespann zum Einsatz, verlangt das Start-up einen fixen Stundenlohn von rund 15 €. Zukünftig soll leistungsbezogen, also pro Pflanze, abgerechnet werden.

WER INVESTIERT?

Trotz Stundenlohn für den Einsatz im Grünland – finanzieren kann sich das Start-up noch nicht. Das erste Jahr erhielten die Gründer das Exist-Gründerstipendium. „Über zwölf Monate konnten wir so unseren Lebensunterhalt und den ersten Prototypenbau finanzieren“, erklärt Schiegg. E

nde 2021 starteten die Gründer eine Finanzierungsrunde. Dabei fanden sie Investoren, die es ihnen ermöglichen, eineinhalb Jahre weiterplanen zu können. Bei der Wahl der Investoren haben sie genau hingeschaut: „Unsere drei Investoren sind alle selbst Unternehmer und kennen es, langfristig planen zu müssen“, so Schiegg.

Auch wenn die Nachfrage gerade hoch ist, wollen sie lieber auf Nummer sicher gehen: „Wir haben Puffer eingebaut. Wenn man in der Landwirtschaft ein Versprechen nicht hält, ist man gescheitert“, weiß der Gründer.



Der Roboter im Praxistest



Josef Metzeler betreibt mit seiner Frau einen Milchviehbetrieb mit 28 ha Weideland und 25 Milchkühen plus Nachzucht im Allgäu. Seit 2016 bewirtschaften sie die Flächen ökologisch. „Seit der Umstellung heißt es häufig nach Feierabend ‚Ampfer stechen’“, erzählt der Betriebsleiter. Trotzdem sei die effektive Bekämpfung aus Zeitgründen unmöglich.



Bei einer Messe erfuhren sie vom Startup „Paltech“. „Wir haben die Gründer zu uns eingeladen, um ihren Prototypen zu testen. Wir wollen, dass ihre Entwicklung voranschreitet“, erklärt Metzeler. Die Tests auf einer kleinen Fläche brachten vielversprechende Ergebnisse.



Die Technik sei aber noch nicht ausgereift: „Wenn der Roboter die Fläche völlig autonom abfährt und das Unkraut mit hundertprozentiger Sicherheit entfernt, wären wir bereit, zu investieren“, so der Landwirt. Für ihn wäre es eine Investition, die sich auf dem zweiten Weg rechnet: „In der gewonnenen Zeit könnten wir andere, viel wichtigere Dinge erledigen, die sonst liegen bleiben“, erklärt er.

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