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5000 Milchbauern im Nachhaltigkeits-Check

Lesezeit: 5 Minuten

Die deutsche Milchproduktion hat viele Stärken, aber auch Optimierungsbedarf. Das zeigen die ersten Daten zur Nachhaltigkeit von 5000 Milcherzeugern aus 34 Molkereien.


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Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt bei der Herstellung und Vermarktung von Lebensmitteln stark an Bedeutung – national und international. Große Lebensmittelkonzerne sowie der Lebensmittelhandel definieren immer häufiger selber, was aus ihrer Sicht unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Die Molkereien sind deshalb zunehmend damit konfrontiert, diverse Listen mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitskriterien zu füllen und für verschiedene Kunden Audits auf landwirtschaftlichen Betrieben zu organisieren.


Die Gefahr von einem Wildwuchs bei den Nachhaltigkeitskriterien ist groß. Deshalb hat die Milchbranche selbst mit dem Nachhaltigkeitsmodul Milch einen einheitlichen Weg eingeschlagen. Wissenschaftliche Unterstützung hat sie dabei vom Thünen-Institut bekommen (siehe Kasten „Anstoß aus der Branche heraus“ unten auf der Seite).


Zur Halbzeit der dreijährigen Pilotphase haben knapp 5000 Milcherzeuger von 21 der 34 teilnehmenden Molkereien den Nachhaltigkeitsfragebogen beantwortet. Die Milcherzeuger stammen überwiegend aus Nordwestdeutschland. Sie produzieren etwa 11% der deutschen Milchmenge und halten mit 95 Kühen größere Herden als der Durchschnitt. Die Stichprobe ist damit nicht repräsentativ, erlaubt aber dennoch erste Rückschlüsse.


Stärken und Potenziale:

Die ersten Ergebnisse zeigen erhebliche Leistungen der deutschen Milcherzeuger. Sie decken gleichzeitig aber auch Verbesserungs- sowie Entwicklungspotenzial auf:


  • Ausbildung: Die Milchbranche profitiert von gut ausgebildeten Betriebs- oder Bereichsleitern, die ihr Wissen aktuell halten. 86% der befragten Betriebsleiter haben eine landwirtschaftliche Ausbildung, wobei höhere Abschlüsse (Meister, Fachschule, Fachhochschule oder Universität) dominieren (70%). Mehr als die Hälfte (60%) der Betriebsleiter hat darüber hinaus im letzten Jahr mindestens eine Fortbildungsveranstaltung besucht. Ein ähnlich hoher Anteil (65%) nutzt produktionstechnische Beratung, um das eigene Fachwissen aktuell zu halten.
  • Zukunftsperspektiven: 51% der Landwirte möchte in zehn Jahren noch Milch produzieren (Übers. 1). Allerdings waren 66% der Betriebsleiter mit der wirtschaftlichen Situation des Betriebszweiges Milch in den letzten drei Jahren eher oder sogar sehr unzufrieden.
  • Risikomanagement: Wegen stark schwankender Milchpreise und extremer Witterungsereignisse gewinnt das Risikomanagement in den Betrieben an Bedeutung. Allerdings führen 42% der Betriebsleiter bisher keine Liquiditätsplanungen durch (nach eigenen Angaben weder regelmäßig noch anlassbezogen). Eine systematische Risikoanalyse fehlt bei ähnlich vielen Betrieben (38%).
  • Mitarbeiter: Gute Mitarbeiter sind die Basis für den Betriebserfolg. Das wissen auch die befragten Milcherzeuger. Entlohnung nach Tarif und ein Ausgleich für Überstunden sind in den meisten Betrieben inzwischen selbstverständlich. In vielen Betrieben (68%) können Mitarbeiter zudem regelmäßig ihre Vorschläge für Verbesserungen einbringen, teilweise (20%) gibt es für gute Vorschläge sogar Bonuszahlungen.
  • Ehrenamt: 67% der Betriebe engagieren sich ehrenamtlich, sowohl berufsbezogen (43%) als auch außerberuflich (54%). Insgesamt kommen bei den erfassten Betriebsleiterfamilien 321479 ehrenamtliche Stunden pro Jahr zusammen. Damit sind sie ein Stützpfeiler für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den ländlichen Regionen.
  • Arbeitsbelastung: „Überstunden abbummeln“ – das kennen die meisten Betriebsleiter nicht. Im Durchschnitt arbeiten die Betriebsleiter 63 Stunden pro Woche. Sie schätzen ihre eigene Arbeitsbelastung überwiegend (63%) als hoch, aber nur gelegentlich als am oder über dem persönlichen Limit ein. 17% fühlen sich jedoch dauerhaft überlastet. Um langanhaltend leistungsfähig und gesund zu bleiben, sind regelmäßige Erholungspausen wichtig. Es gibt aber nur wenige Betriebsleiter, die (mindestens ab und an) einen freien Tag in der Woche haben (34%). Auch Urlaub machen nur etwa die Hälfte der Betriebsleiter. Von den befragten Betriebsleitern gaben 44% an, dass sie im letzten Jahr weder Urlaub noch regelmäßig freie Tage hatten.
  • Energieproduktion: Jeder zweite Milcherzeuger erzeugt „grüne Energie“, entweder auf dem eigenen Betrieb oder in einer Kooperation (55%). Zudem achten die teilnehmenden Milcherzeuger auf den betrieblichen Energieverbrauch. Bei der Milchgewinnung/-kühlung führen nahezu alle Betriebe Energiesparmaßnahmen durch. An einem gesamtbetrieblichen Energiecheck nahmen hingegen nur 13% der Milcherzeuger in den letzten fünf Jahren teil.
  • Biodiversität: Landschaftselemente, ökologisch wertvolle Flächen und extensives Grünland spielen eine bedeutende Rolle beim Erhalt der biologischen Vielfalt und sind auf den Flächen der befragten Betriebe stark verbreitet: Umgerechnet auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche aller teilnehmenden Betriebe beträgt der Anteil an Landschaftselementen und ökologisch wertvollen Flächen 3%. Zudem bewirtschaften 40% der Betriebe zumindest einen Teil ihres Grünlandes extensiv, insgesamt fällt 13% des gesamten Grünlandes unter die extensive Bewirtschaftung.
  • Nährstoffe: Optimierungspotenzial beim Nährstoffmanagement gibt es unter anderem beim Umgang mit Gülle. Nur was man misst, kann man auch managen: Bisher kennt etwa die Hälfte der Landwirte (47%) die Nährstoffgehalte ihrer Gülle nicht. Gleichzeitig wird erst ein sehr geringer Anteil der Gülle (5%) emissionsminimierend direkt in den Boden eingebracht. Der Großteil der Gülle wird nach wie vor bodenfern ausgebracht (Übersicht 2).
  • Haltung und Management: 94% der Milchkühe in dieser Stichprobe stehen in Laufställen. Special-Needs-Bereiche und Einrichtungen zur Verbesserung des Kuhkomforts sind mittlerweile auf den meisten der erfassten Betriebe vorhanden. Allerdings laufen 21% der Kühe in überbelegten Ställen (Kuh-Liegeplatz-Verhältnis). Das Kuh-Fressplatz-Verhältnis richtet sich hingegen in fast allen Ställen nach den empfohlenen Werten (96%).


Die Mehrheit der Betriebe (61%) stellt standardmäßig antibiotisch trocken, ohne die Einzeltierzellzahl vorher zu prüfen. Hier dürften zukünftige Erhebungen aber vermutlich das derzeit stattfindende Umdenken zeigen. Bei der Kälberenthornung findet das Umdenken bereits statt: Inzwischen enthornen nur noch weniger als 10% der teilnehmenden Betriebe ohne Sedation und/oder ohne Schmerzmittel.


Positive Rückmeldungen:

Die überwiegenden Rückmeldungen zum „Nachhaltigkeitsmodul Milch“ ergeben, dass die Branche sich auf einen zukunftsgerichteten Weg im Sinne der Nachhaltigkeit gemacht hat. Milcherzeuger, Molkereien und die abnehmende Hand sehen den Beginn eines ehrlichen Dialogs über Stärken und Schwächen der Milcherzeugung positiv. Die erhobenen Fakten erleichtern die Kommunikation und dienen als Startpunkt für schrittweise Verbesserungen. Einige Molkereien haben bereits begonnen, gemeinsam mit ihren Milcherzeugern einzelne Aspekte zu fokussieren und proaktiv anzugehen.


Chance als Brancheninitiative?

Das Interesse in der Branche scheint groß zu sein, das Nachhaltigkeitsmodul auch über die Förderperiode hinaus fortzuführen. Es zeigt sich, dass eine gemeinsame, offene und ehrliche Kommunikation zu Stärken und Schwachpunkten die Glaubwürdigkeit der Branche stärkt. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Vertrauensbildung und langfristig auch zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Milchwirtschaft.


Kontakt:


patrick.liste@topagrar.com

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