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Betriebscheck deckt gewaltige Reserven auf

Lesezeit: 9 Minuten

Viele Großbetriebe im Osten stehen mit dem Rücken zur Wand, so auch die Agrargenossenschaft Skäßchen in Sachsen. Wo könnte der Betrieb jetzt noch ­sparen? Was sollte er verbessern?


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Im nördlichen Sachsen läuten die Alarmglocken. Die Agrargenossenschaft Skäßchen fährt bereits seit Monaten Verluste in der Milchviehhaltung ein. Und Besserung ist nicht in Sicht.


Bis Mitte 2008 schrieb man mit der Milch bei erkennbar höheren Milchpreisen noch schwarze Zahlen. Jetzt sind es nur noch 22,5 Cent, die die Sachsen für die Milch der 319 Kühe (Ø 8 617 kg) erhalten. Geliefert wird die Milch an die Heinrichsthaler Milchwerke. Die Erzeugungskosten liegen bei 38,01 Ct/kg.


Hohe Personalkosten


Denn die Verluste sind nicht nur auf die niedrigen Milchpreise zurückzuführen. Wie in vielen großen ostdeutschen Genossenschaften wird die Milchviehhaltung sehr arbeits- und kostenintensiv betrieben, ohne eine genaue Aufarbeitung der Kostenstrukturen, Arbeitsabläufe und des Herdenmanagements. Die hohen Abgangsraten von über 35 % zeigen, wo die Defizite sind (Übersicht 1). Die Krise am Milchmarkt schlägt jetzt auf die Genossenschaft voll durch, denn die Löhne müssen weiter gezahlt werden.


Von den insgesamt 72 Arbeitskräften in der Genossenschaft sind alleine 13 in der Milch­viehhaltung mit Nachzucht beschäftigt. Der Umsatzanteil der Milch 2008 lag bei 1,03 Mio. €, bei einem Gesamtumsatz von 12 Mio. €.


Die Milchviehherde wird in einer alten LPG-Anlage gehalten. Ein Melk-zentrum mit Vorwartehof ist in die Anlage integriert. Für die Agrargenossenschaft gibt es nur zwei Wege aus der Krise:


Ausstieg aus der Milchproduktion,


oder Analyse der Defizite und versuchen, diese Schritt für Schritt abzustellen, um nach dem Preistal wieder Gewinne einzufahren.


Denn eine weitere Quersubventionierung der Milchproduktion durch den Ackerbau und die Schweinehaltung des Betriebes ist nicht das Ziel des Geschäftsführers Manfred Engelmann.


Die Genossenschaft betreibt neben 2 000 ha Ackerfläche noch einen Agrar- und Landhandel sowie einen Supermarkt.Die Sauenanlage umfasst ca. 900 Plätze, die Schwei-nemast ca. 5 600 Plätze.


In unserer Betriebszweiganalyse haben wir die Problempunkte analysiert und daraus Maßnahmen abgeleitet. So konnten wir gleichzei-tig das Gewinnpoten-zial bei der Milch auf-decken.


1. Melken und Treiben sind die Zeitfresser


In der Milchviehanlage sind derzeit 13 Mitarbeiter tätig. Acht Personen zum Melken/Treiben, 2,5 Futtermeister, 1,5 Kälberbetreuer und eine Anlagenleiterin. Unterstellt man einen Zielwert von 1,9 Arbeitskräften pro 100 Kühe inklusive Nachzucht, dann sind fast vier volle Ar­beitskräfte zu viel in der Milchproduktion tätig.


Entsprechend sind die Arbeitskosten mit 8,43 Ct/kg fast doppelt so hoch wie der Richtwert von 4,5 Ct/kg für diese Betriebsgröße. Hinzu kommt, dass der Betrieb derzeit noch dreimal am Tag alle Kühe melkt.


Doch wo liegen die Knackpunkte in der Arbeitswirtschaft? Der größte Zeitfresser ist das Melken. Die Melkleis-tung – gemessen am Durchsatz Kühe pro Stunde – beträgt 80 % der Leistung, die in einem 2 x 12 Fischgrätenmelkstand geschafft werden müsste. Zudem gibt es zeitlich keinen Unterschied, ob ein oder zwei Melker melken. Da der Betrieb dreimal melkt, müsste der Durchsatz sogar noch höher sein.


So müssten bei 285 Kühen, die pro Schicht gemolken werden, rund 72 Kühe in der Stunde durch den Melkstand geschleust werden, was einer Melkzeit von 2,4 Minuten pro Tier und Tag entspricht. Tatsächlich benötigen die Melker 3,2 Minu­ten. Insgesamt dauert der reine Melkvorgang somit 3,3 Stunden länger als notwendig.


Gründe dafür: Der Zeitbedarf für die einzelnen Handgriffe während des Melkens liegt nur beim Ansetzen der Melkzeuge im Normbereich. Das Vormelken und Säubern der Euter und die anschließende Melkzeit sind an der empfohlenen Untergrenze (s. Übers. 2). Häufig werden diese Arbeitsgänge zu schnell und unvollständig ausgeführt, was aufgrund einer veminderten Oxytocinausschüttung die Melkzeit verlängert. Zudem kommt es beim Eintreten und Verlassen der Kühe in den Melkstand zu erheblichen Zeitverlusten, der Aus- und Eintrieb dauert teilweise über 10 Minuten.


Weiterer Zeitfresser: Der Beginn des Trei­bens der Kühe wird so inkonsequent eingeleitet, dass die Kühe nicht reagieren. Zudem säubert der Treiber während des Umtriebs die Liegeboxen. Dadurch wird das Treiben in die Länge gezogen.


Defizite im Zeitmanagement gibt es auch in der Kälberaufzucht. Die tägliche Arbeit pro Kalb (Füttern, Einstreuen, Behandlung) sollte durchschnittlich 2 Minuten pro Tier nicht überschreiten.


Durch die lange Zeit im Einzeliglu bis zur 5. Lebenswoche kann dieser Wert kaum eingehalten werden. Erst danach werden die Kälber am Tränkeautomaten gefüttert und in Gruppen gehalten.


Maßnahmen:


Umstellung von dreimaligem auf zweimaliges Melken (Ausnahme evtl. Frischmelker)


Umgestaltung der Melkschichten, so dass nur eine Person melkt, dadurch Einsparung von einer Arbeitskraft


Personalschulung in den Bereichen Melkhygiene, Umgang mit den Tieren


Einführung einer leistungsabhängigen Entlohnung


schriftliche Fixierung aller Arbeitsanforderungen (Qualität, Quantität)


Umgestaltung der Kälbergruppen durch eine frühere Umstellung auf den Tränkeautomaten, ab dem vierten Tag nach der Biestmilchphase.


Gewinnpotenzial:


Durch die straffere Arbeitsorganisation lassen sich bis zu 1,5 Arbeitskräfte unter anderem beim Melken und in der Kälberaufzucht einsparen, was einer Gewinnverbesserung von 27 300 € entspricht.


Durch eine Umstellung auf zweimaliges Melken würden zusätzliche Reserven von 14 633 € beim Melken und 13 388 € für das Treiben freigesetzt. Alleine beim Melken würden so 4,7 Akh/Tag weniger benötigt, beim Treiben wären es 4,3 Akh/Tag.


2. Brunst wird nicht erkannt


Die Zwischenkalbezeit des Betriebes liegt bedingt durch eine nicht angepasste Fütterung bei 150 Tagen. Zielwert sollten bei einer Leistung von 8 500 kg pro Kuh und Jahr maximal 100 Tage sein.


Verstärkt wird die schlechte Fruchtbarkeit der Herde noch durch Mängel in der Brunstbeobachtung und Besamungsdurchführung. Das zeigt das Wiederbesamungsintervall. So wird das Norm-Intervall 17 bis 24 Tage, in der sich die Mehrheit (> 55 %) befinden sollten, mit 22 % deutlich unterschritten. Besonders der hohe Anteil an Wiederbesamungen innerhalb von drei Tagen nach einer erfolgten Besamung zeigt, dass Schwierigkeiten bei der Beurteilung einer Brunst vorliegen.


Erst mit der tierärztlichen Trächtigkeitsuntersuchung wird häufig erkannt, dass die Kuh nicht tragend ist.


Maßnahmen:


Schulung des Personals mit einem Besamungskurs


Motivation steigern durch Prämien.


Gewinnpotenzial:


Durch die Reduzierung der Zwischenkalbezeit um 25 Tage lassen sich bei einem kalkulierten Verlust von 2,50 €/Kuh/Tag rund 20 000 € im Jahr zusätzlich mobilisieren.


3. Zu viel Energie im Futter


Die gesamte laktierende Herde wird zu energiereich gefüttert. Die Tiere müssten der Ration zufolge fasst zwei Liter mehr Milch geben. Dieser Energieluxus führt zu Ketosen mit einem anschließenden Energiemangel zu Beginn der neuen Laktation. Ursache hierfür ist vor allem die Verfettung ab dem 100. Laktations-tag.


Das häufige Auftreten von Ketosen bestätigen unsere Blutuntersuchungen. Rund 40 % der klinisch gesunden Tiere wiesen Leberschäden infolge einer falschen Fütterung auf.


Maßnahmen:


Wir haben den Energiegehalt der Altmelkerration um 0,4 MJNEL verringert durch die Zugabe von 0,5 kg gehäckseltem Stroh


Bei einem Gruppenwechsel werden die Tiere jetzt nicht nur nach ihrer Leistung bewertet, sondern auch nach ihrer Körperkondition


In die Hochleistungsration wird mitt-lerweile gehäckseltes Stroh untergemischt, um die Acidose-Gefahr zu unterbinden.


Gewinnpotenzial:


Durch die Umstellung der Ration für die altmelkenden Kühe auf einen niedrigeren Energiegehalt konnte zum einen der Verbrauch von teuren Energiefuttermitteln reduziert werden. Zum anderen kommt es durch die Verbesserung des Gesundheitszustandes auch zu geringeren Behandlungskosten und zu einer verbesserten Fruchtbarkeit.


So lassen sich in der Genossenschaft bei derzeit 87 Altmelkern im Schnitt rund 9527 € im Jahr (30 Cent pro Kuh und Tag) einsparen.


4. Fehlende Melkroutine lässt Zellzahlen steigen


Die Defizite in der Tiergesundheit liegen vor allem in der Eutergesundheit, so betragen die durchschnittlichen Zellzahlen 290 000 pro ml.


Bereits ab einer Zellzahl oberhalb von 200 000 gilt ein Bestand als krank und subklinisch verseucht. Teilweise sind diese Probleme auf die unzureichende Melkhygiene und die wenig konstanten Melk-abläufe zurückzuführen. Durch die fehlende Melkroutine werden die Kühe oft nicht richtig ausgemolken, zudem fehlt ein gezieltes Behandlungsschema bei Tieren mit hohen Zellzahlen.


Defizite gibt es im Betrieb auch in puncto Klauengesundheit mit Erkrankungen wie Panaritium und auch Sohlengeschwüren. Denn in den alten Stallungen sind viele Stufen auf den Treibwegen zu überwinden und der alte Betonboden ist oft glatt, rutschig und verdreckt.


Weiterer Stressfaktor: Die Tiere wurden bislang mit einem elektrischen Viehtreiber zum Melken getrieben, so dass die Belastung der Kühe durch Stress und Unruhe vor dem Melken eine schnelle Milchabgabe nicht ermöglichte.


Maßnahmen:


Verbesserung der Melkhygiene durch konsequentere Melkabläufe


Behandlungsplan bei Mastitiskühen


Auflage von Gummimatten in Vorwartehof und Melkstand, um die Bereiche rutschfester zu gestalten


Verbot des elektrischen Viehtreibers.


Gewinnpotenzial:


Die Änderung des Treibeverhaltens sorgt für eine deutliche Entspannung bei den Kühen. Sollten die Laufflächen auch noch rutschfest gestaltet werden, bringt dies den Kühen weitere Vorteile.


Aus unserer Beratungspraxis gehen wir daher davon aus, dass durch weniger Stress pro Kuh und Tag 1 kg mehr Milch erzielt werden können. Dies wären nach Abzug der Futterkosten Mehreinnahmen von 29 200 €. Zieht man die Kosten von 9 344 € für die rutschfeste Umgestaltung des Lauf- und Wartebereiche ab, verbleibt ein möglicher Gewinn von 19 856 €.


5. Mehr Hygiene bei den Kälbern


Die Kälberhaltung im Betrieb läuft ohne größere Aufzuchtverluste ab. Allerdings liegt die Totgeburtenrate mit 9,4 % deutlich über dem Zielwert von 5 %. Ursache dafür ist aber die Überkondition der meisten Kühe schon vor der Trockenstehphase. Auch treten durch mangelnde Hygiene immer wieder Durchfälle auf. Größtes Handycap bleibt aber die Arbeitswirtschaft, wie unter Punkt 1 beschrieben.


Maßnahmen:


Haltung von Kleingruppen nach dem Rein-Raus-Prinzip (Hygiene)


Anschaffung eines neuen Kälberabteils, um allen Gruppen Platz zu bieten.


Gewinnpotenzial:


Haupteinspareffekt ist die Reduzierung der Arbeitskräfte (siehe Punkt 1).


Wir halten fest


Insgesamt hat der Betrieb ein Gewinnpotenzial von über 100 000 € pro Jahr. Erfreulich ist, dass viele Maßnahmen ohne größere Investitionen kurzfristig umsetzbar sind.


Größtes Einsparpotenzial bleiben die Arbeitskräfte. Mittelfristig müssen kleinere Investitionen wie die Umgestaltung der Kälberaufzucht und die Gummiauflage im Wartebereich des Melkstands getätigt werden.


Langfristig sollte der Betrieb unter besseren Marktbedingungen einen Neubau anpeilen, um Arbeitswirtschaft und Tierkomfort zu optimieren.

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