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BHV1: Chaos auf der Zielgeraden

Lesezeit: 5 Minuten

Das Rheinland, Schleswig-Holstein und Hamburg sind die letzten Regionen in Deutschland, die noch nicht BHV1-frei sind. Das hat massive Nachteile für die Rinderhalter.


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Was lange währt, wird endlich gut“, lautet ein Sprichwort, was auf die fast 20-jährige BHV1-Sanierungsgeschichte passen könnte: Seit 1997 versucht der Staat, die Seuche zu bekämpfen. Im Dezember 2001 wurde die BHV1-Sanierung für alle Betriebe verpflichtend. Heute ist das Ziel, dass Deutschland bundesweit BHV1- frei ist, fast erreicht.


Aber nur fast. Denn der Landesteil Rheinland sowie die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg sind noch nicht als „frei“ anerkannt. Sie befinden sich im Endspurt der Sanierung.


Schleswig-Holstein hat zusammen mit Hamburg einen Antrag auf Anerkennung als BHV1-freie Region gestellt und will die Sanierung im Dezember 2016 abschließen. In Nordrhein-Westfalen hingegen ist der Status Quo nicht so klar – milde ausgedrückt.


NRW gespalten:

Seit Ende Juli ist der Landesteil Westfalen BHV1-frei. Seitdem ist Nordrhein-Westfalen seuchenrechtlich zweigeteilt – mit erheblichen Folgen für den Handel: Sobald Tiere aus den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf (Rheinland) nach Westfalen oder in angrenzende Bundesländer transportiert werden, müssen sie eine 30-tägige Quarantäne durchlaufen sowie frühestens am 21. Tag nach Quarantänebeginn eine negative Blutprobe nachweisen.


Umgekehrt ist das nicht viel einfacher: Tiere aus dem BHV1-freien Westfalen können zwar ungehindert an Auktionen im Rheinland teilnehmen, müssen jedoch verkauft werden. Andernfalls müssen sie eine 30-tägige Quarantäne durchlaufen, um in ihren Heimatstall zurückzukehren.


Das kommt den Tierhaltern teuer zu stehen: Vermarktungsexperten kalkulieren zwischen 100 und 150 € an Kosten für eine 30-tägige Quarantäne, inklusive Fütterung, Untersuchungen und Attesten. Besonders ärgerlich ist, dass die Kosten genau die Betriebe belasten, die bereits BHV1-frei sind.


Zwickmühle Auktion:

Das betrifft besonders rheinländische Beschicker des Kälbermarktes im westfälischen Münster. Sie sind in der Zwickmühle: Wer sich den Kostenaufwand der Quarantäne nicht antun will, muss seine Kälber zwangsläufig in der Region oder in die ebenfalls nicht BHV1-freien Benelux-Staaten verkaufen. Dort werden zumindest die Kreuzungskälber zu deutlich niedrigeren Preisen gehandelt.


Am Niederrhein selbst gibt es nur wenig Kundschaft für Nutzkälber. Die Rinder-Union West (RUW) plant im rheinischen Krefeld jedenfalls keinen zusätzlichen Kälbermarkt. Es würden „etwa 50 bis 80 Tiere pro Monat zusammenkommen und das hat in dem schwierigen Marktumfeld für alle Beteiligten leider wenig Aussicht auf Erfolg“, sagt Klemens Oechtering, Abteilungsleiter Vermarktung bei der RUW.


Denkbar wäre eine Art Sammelquarantäne auf den rheinischen Kälberbetrieben, um ihnen zumindest alle acht Wochen die Teilnahme am monatlichen Münsteraner Kälbermarkt zu ermöglichen, schlägt Dr. Peter Heimberg vom Tiergesundheitsdienst Nordrhein-Westfalen vor. Das müsse aber mit den Veterinärämtern besprochen werden.


Das Fleischrinder-Herdbuch Bonn hingegen hat seine Auktionen nach BHV1-Status-Gebieten aufgeteilt. Statt einer Auktion mit 700 Tieren in Meschede (Westfalen) haben zwei mit je 350 Tiere in Meschede und Krefeld (Rheinland) stattgefunden. „Die jeweiligen Auktionsteilnehmer haben dadurch weniger Auswahl“, sagt Geschäftsführer Dr. Josef Dissen. Außerdem entstünden dem FHB für den höheren Personal-, Werbe- und Logistik-aufwand das 1,5-fache an Kosten.


Fakt ist, dass für alle Beteiligten nicht nur direkt messbarer Schaden entsteht, sondern auch Vermarktungswege zersplittet sowie abgeschnitten werden und neu aufgebaut werden müssen.


Gerichtliche Verfahren:

„Es ist dringend erforderlich, dass es schnell eine einheitliche Regelung in Nordrhein-Westfalen gibt“, appelliert Dr. Dissen. Doch keiner vermag zu sagen, wie lange das dauern wird. Derzeit soll es im Rheinland noch ungefähr zehn Betriebe geben, die sich trotz angehobener Beihilfen der Tierseuchenkasse NRW mehr oder weniger stark dagegen sträuben, ihre Reagenten aus dem Bestand zu entfernen. Ob und wann die Betriebe anfangen zu sanieren, ist völlig offen.


Vor kurzem hat die Tierseuchenkasse die Beihilfen zur Merzung bei unverschuldeter Neuinfektion auf z.B. 1000 € pro Rind, das älter als 15 Monate bis maximal 5 Jahre alt ist, angehoben, um die Sanierung voranzutreiben.


Gerichtliche Verfahren bis hin zum Oberverwaltungsgericht sollen in Gang sein. Dazu möchte sich das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium jedoch nicht äußern. „Das würde nur Druck erzeugen, der die Blockadehaltung der Betriebe verstärkt und den Prozess noch weiter verlängert“, heißt es.


Dass schnell eine Regelung gefunden werden muss, sieht auch Dr. Heiner Kahle, Vertriebsleiter von der Rinderzucht Schleswig-Holstein (RSH), so. Dort ist man wie im Rheinland von BHV1-freien Regionen umgeben. Das ziehe Schwierigkeiten in der Zuchtviehvermarktung nach sich und habe für die RSH Nachteile, erklärt Dr. Kahle.


Preisverlust bei Absetzer:

Besonders betroffen sind die Landwirte und Viehhändler, die ihre Absetzer vermarkten wollen. Seit Niedersachsen und Westfalen BHV1-frei sind, können sie ohne 30-tägige Quarantäne nicht mehr in Niedersachsen oder NRW vermarktet werden. Stattdessen werden sie innerhalb von Schleswig-Holstein vermarktet, berichtet Frank Spreckelsen, Vorsitzender des Vieh- und Fleischhandelsverbandes Schleswig-Holstein und Hamburg. Das zieht erhebliche Umsatz-einbußen für die Betriebe nach sich: Er rechnet in der bevorstehenden Vermarktungssaison mit Preisverlusten von mindestens 100 € pro Absetzer.


Im Gegensatz zur nordrhein-westfälischen Tierseuchenkasse hat der schleswig-holsteinische Tierseuchenfonds seine Beihilfenhöhe seit Einführung nicht angehoben. Sie liegen bei 100 € je gemerztem weiblichen Reagenten für Bestände, die seit dem 15.01.2014 frei sind und 50 € bei Beständen, die seit 30.06.2014 frei sind. Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministeriums gibt es noch 14 Milchviehbetriebe mit Reagenten.


Trotzdem zeigen sich die Beteiligten zuversichtlich, dass Schleswig-Holstein und Hamburg die Sanierung bis Ende des Jahres abgeschlossen hat. Dem Chaos in NRW wolle man jedenfalls nicht nacheifern.Svenja Pein

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