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„Das Gentechnik-Logo ist eine Mogelpackung“

Lesezeit: 3 Minuten

Die Aufweichung der Gentechnik-Kennzeichnung könnte für die Milchwirtschaft zum Bumerang werden, befürchtet Dr. Claudia Döring vom Deutschen Raiffeisenverband in Berlin.


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Bis zur Aufweichung der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnungsregelung im Jahr 2008 gab es nur wenige Produkte mit der Auslobung „ohne Gentechnik.“ Das war schlichtweg ein Spiegelbild dafür, wie weit gentechnische Verfahren bereits in der Lebensmittelproduktion Einzug gehalten haben.


In der modernen Milchproduktion sind neben gentechnisch veränderten Futterpflanzen vor allem gentechnisch hergestellte Futtermittel-Zusatzstoffe fester Bestandteil der Nutztierfütterung. Und in der Milchverarbeitung kommen routinemäßig Enzyme und andere Stoffe zum Einsatz, die mithilfe gentechnischer Verfahren erzeugt wurden. Zum Beispiel das Chymosin in der Käseherstellung.


Das alte Gesetz war konsequent: Es durften nur Produkte mit dem Hinweis „ohne Gentechnik“ gekennzeichnet werden, die komplett ohne Gentechnik produziert wurden.


Milch rückt in den Fokus


Mit der Änderung der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung vor zwei Jahren wurde nun tief in die politische Trickkiste gegriffen: Das Marktsegment vermeintlich gentechnikfreier Lebensmittel wurde künstlich ausgeweitet, indem verschiedene Gentechnik-Anwendungen nunmehr uneingeschränkt erlaubt sind, andere zwar verboten wurden, aber nur innerhalb bestimmter Fristen vor der Gewinnung der Milch bzw. Schlachtung der Tiere. Der umfassende Anspruch der Kennzeichnungs-Aussage „ohne Gentechnik“ wurde aber trotz dieser Aufweichung beibehalten und suggeriert den Konsumenten fälschlicherweise, dass Gentechnik im Produktionsprozess des Lebensmittels vollständig abwesend ist. Ohne Gentechnik ist aber in Wirklichkeit nur „zeitweise Gentechnik-reduziert“!


Während bei weiter verarbeiteten Lebensmitteln nach wie vor jede Zutat frei von kennzeichnungspflichtigen Bestandteilen sein muss, und zudem zufällige oder technisch unvermeidbare GVO-Einträge verboten sind, können Milch, Fleisch und Eier jetzt sehr viel leichter „ohne“ Gentechnik produziert werden. Und da in der Milchviehfütterung im Gegensatz zu Schweine- und Geflügelfütterung gentechnisch verändertes Sojaschrot relativ unproblematisch durch Rapsschrot ersetzt werden kann, wird das Marktsegment von „Milch ohne Gentechnik“ dominiert. Damit konzentriert sich die Gentechnik-Diskussion entgegen den Marktrealitäten vor allem auf die Milcherzeugung.


Wo mehr und mehr Milch „ohne Gentechnik“ im Regal steht, drängt sich zudem die Frage auf, ob und wie die anderen Milchprodukte „mit Gentechnik“ produziert wurden. Andere Lebensmittelsparten stehen hingegen weitaus weniger in der öffentlichen Diskussion. An der Frage, ob die „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung die Milchwirtschaft bevorzugt oder instrumentalisiert, erhitzen sich die Gemüter. Verbraucher sollen frei zwischen Lebensmitteln mit und ohne Gentechnik wählen können. Um frei entscheiden zu können, ist aber eine vollständige Transparenz des Produktionsprozesses erforderlich. Die deutsche Kennzeichnungsregelung bietet diese Transparenz nicht und ermöglicht so keine echte Wahlfreiheit. Weite Teile der Lebensmittelwirtschaft werten die Kennzeichnung als Irreführung des Verbrauchers.


Kennzeichnung ist missverständlich


Die Missverständlichkeit der Kennzeichnung wurde im vergangenen Jahr von der Justus-Liebig-Universität Gießen im Rahmen einer Verbraucherstudie bestätigt. Auch aufgrund dieses Glaubwürdigkeitsdefizits nimmt ein Großteil der Lebensmittelhersteller bisher Abstand von der Möglichkeit, Lebensmittel mit dem Hinweis „ohne Gentechnik“ auszuloben. Der Gesetzgeber muss die Anforderungen und die Aussage der Auslobung in Einklang bringen, wenn ein nachhaltiger Zukunftsmarkt für Gentechnik-freie Lebensmittel entstehen soll.


Skeptisch müssen vor allem die Fälle betrachtet werden, bei denen die Umstellung auf Produkte „ohne Gentechnik“ vornehmlich eine Reaktion auf den Druck bestimmter Anspruchsgruppen zu sein scheint. Einen Weg für den selbstbewussten Umgang mit moderner Biotechnologie zu finden, bleibt auch sechs Jahre nach Einführung der EU-Gentechnik-Kennzeichnung eine dringende Aufgabe für die deutsche Milchwirtschaft.

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