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Das Warten lohnt sich

Lesezeit: 7 Minuten

Der Betrieb Karch hat mit einer langen Zwischenkalbezeit von 485 Tagen Erfolg. Voraussetzungen dafür sind die passende Zucht und ein intensives Management.


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Wenn Kühe den Familienbetrieb Karch bei Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz verlassen, haben sie durchschnittlich 50000 kg Milch produziert. Das ist fast doppelt so viel wie der Durchschnitt in dem Bundesland. Die Lebenstagsleistung der Herde liegt bei 20 kg.


Ebenso aussagekräftig: In den letzten 20 Jahren standen mehr als dreißig 100000 l-Kühe im Stall der Karchs. Aktuell haben vier von 170 Kühen in der Herde diese Marke überschritten. „Das ist das Ergebnis von Zucht und Management“, berichtet der Landwirt und promovierte Agraringenieur Dr. Gerd Karch. Entgegen vieler Empfehlungen und trotz bester Zuchterfolge wollen die Karchs nicht jedes Jahr ein Kalb pro Kuh. Lange Laktationen und eine lange Zwischenkalbezeit sind ihr Ziel.


Gerd Karch rät Berufskollegen jedoch davon ab, die freiwillige Wartezeit ohne Strategie zu verlängern: „20 bis 30 Tage können viele Betriebe vielleicht drauflegen, ab dann sind Änderungen im Management notwendig.“


Passende Zucht Muss sein


„Gesundheit und eine konstante Leistung sind für unser System entscheidend“, beschreibt Gerd Karch. Bei der Zucht schaute der Landwirt früh nach Nordamerika und wählte nur langlebige Kuhfamilien aus: „Für mich waren damals Bullen attraktiv, deren Mütter und Großmütter acht Kälber und mehr hatten.“ Später rückte der Bulle Shottle in den Fokus. Zeitweise waren ein Drittel der Kühe im Stall Shottle Töchter. „Der hatte alles, was ich gesucht habe“, sagt Karch.


Für die langen Laktationen ist es zudem eher zweitrangig, ob ein Tier prompt mit Spitzenleistungen in die Laktation startet. „Persistenz ist das Zauberwort“, so der Landwirt. Kühe, die im Herdenvergleich bei gleicher oder besserer Leistung eine flachere Laktationskurve haben, passen besser in Karchs Stall. Da sei auch auf Seiten der Zucht noch einiges zu tun. Bei Holstein-Bullen fehlt ihm beispielweise der Zuchtwert für Persistenz. Für andere Rassen oder in Kanada ist das lange etabliert.


Auch Sohn Luka stimmt zu: „Wir wollen funktionale, ruhige Typen mit Substanz züchten“. Dabei ist es für ihn eher zweitrangig, wie der Körperbau der Tiere ist. Wichtig ist ein konstanter Body-Condition-Score, besonders in den ersten Wochen nach der Kalbung. Um ein hohes genetischen Niveau in der Herde zu halten, testen Karchs jedes Kalb genomisch. Zusätzlich setzt er Bullen mit hohem Niveau ein. Die durchschnittlichen Zuchtwerte dieser Bullen liegen für Milch bei +1400 Liter, Eiweiß +0,008% und Fett +0,17%. Der Gesamtzuchtwert der Bullen liegt im Mittel bei 156. Auch die Relativzuchtwerte für Nutzungsdauer, Reproduktion und Zellzahl sind überdurchschnittlich.


individuelle Wartezeit


Gerd Karch melkt mindestens einmal täglich selbst. Er ist seit 40 Jahren Eigenbestandsbesamer und die Klauenpflege liegt komplett in seiner Hand. Sein Bruder Georg Karch verantwortet hauptsächlich den Ackerbau, die Fütterung und die Kälberaufzucht.


Die Brüder leben mit ihren Familien gemeinsam auf dem Betrieb. Die klare Aufgabenverteilung schafft Freiräume für die Tierbetreuung erklärt Gerd Karch: „Ich muss nah am Tier sein, um Probleme frühzeitig zu erkennen.“Dabei ist er auch auf das Feedback des Teams angewiesen. Wer im Stall etwas Auffälliges sieht, gibt eine kurze Info an die Familie. Darauf sei im Betrieb Verlass. Die enge Tierbeobachtung ist wichtig, denn die Besamung der Kühe läuft nicht nach „Schema F“.


Die freiwillige Wartezeit legt der Betrieb für jedes Tier individuell fest. Startet eine Kuh oder eine Färse gut in die Laktation und gibt von Beginn an mehr als 30 l Milch, wartet er mindestens fünf bis sechs Monate mit der ersten Besamung. „Wenn es richtig gut läuft, auch mal acht Monate“, so Karch. Das sind Erfahrungswerte, die er über die Jahre gesammelt hat (siehe Übersicht).


„Jede Störung in der laufenden Laktation führt jedoch dazu, dass ich die Wartezeit verkürze“, so der Betriebsleiter. Wenn eine Kuh beispielsweise mit einer Schwergeburt, mit Nachgeburtsverhalten oder mit einer Ketose startet, ist eine verringerte Leistung über die Laktation vorprogrammiert. Diese Kuh besamt er früher, da die Persistenz fehlt. Eine Mastitis oder Klauenprobleme zählen ebenso zu Störfaktoren. Auch der Verlauf der letzten Laktation bestimmt die Wartezeit mit. Kühe, die zuvor trotz abgestimmter Ration verfetteten oder eine nicht persistente Laktationskurve hatten, haben bei Karchs eine kürzere freiwillige Wartezeit.


Wenn der Landwirt entschieden hat, eine Kuh zu besamen, darf er keine Brunst verpassen. „Die Aktivitätsmessung ist für uns ein Muss“, sagt Sohn Luka. Zusätzlich beobachten sie die Tiere engmaschig und Gerd Karch führt eine Brunstscheibe (Chronolactor). „Für das analoge System belächeln mich meine Kinder gern, aber mir bietet das einen optimalen Überblick“, sagt der Landwirt. Der Besamungsindex von 1,6 in der Herde zeigt, dass es klappt.


„Der Nachteil der langen Wartezeit ist allerdings, dass auch der Anteil an brünstigen Kühen in der Herde hoch ist“, erläutert Gerd Karch. Stark bullende Kühe bringen Unruhe in den Stall und die Verletzungsgefahr durch Aufreiten ist höher. Fallen brünstige Tiere zu sehr negativ auf, separiert der Landwirt diese zeitweise aus der Herde.


Fütterung sollte stimmen


Eine Herausforderung von langen Zwischenkalbezeiten ist die Fütterung der Kühe in der Spätlaktation. „Ohne Leistungsgruppen und eine Transponderfütterung geht es nicht“, betont Karch. Sonst verfetten die Kühe.


Die Frischmelker erhalten eine auf 37 kg Milch ausgelegte Ration und maximal 1,5 kg Kraftfutter an der Abrufstation. Altmelkende bekommen eine für 25 kg Milch ausgelegte Ration und höchstens 4 kg Kraftfutter.


Außerdem ist die Milchleistung der Kühe auch jenseits der 305 Tage meist noch hoch, sodass das Risiko der Überkonditionierung geringer ist.


Mit dem System des Transition-Cow-Index (TCI), einem Berechnungs-Tool zur Bewertung der Transitphase, halten Karchs zudem ein Auge auf die Trockensteher. Alle Kühe sind zum Trockenstehen und nach der Abkalbung in Tiefstreuställen aufgestallt. Die Trockensteher haben zusätzlich Weidegang. „Für langlebige Kühe ist Komfort besonders wichtig“, sagt Karch. Die Tiefboxen im Liegeboxenlaufstall pflegen Karchs penibel und der Spaltenschieber läuft regelmäßig. Probleme mit Mortellaro kennen Karchs nach eigenen Angaben in ihrem Bestand nicht.


Vorteil: gute Gesundheit


Insgesamt sind der Aufwand und die Kosten für Tierbehandlungen bei langer Zwischenkalbezeit niedriger. „Die Zeit nach der Kalbung ist bekanntermaßen eine Risikophase“, erklärt Gerd Karch. Probleme wie Ketosen und Labmagenverlagerungen treten dann wahrscheinlicher auf. Durch längere Laktationen ist der Anteil dieser Phasen je Kuh geringer. Das bedeutet weniger Risiko und ebenso weniger Arbeit und Kosten für den Betrieb.


„Vergleiche ich Tiere, die ich früher oder später besame, ist der Besamungserfolg bei längeren Wartezeiten besser“, so Karch. Das ist ein klares Zeichen, dass die Kühe noch in einem Energiedefizit sind und Zeit brauchen. Gerade bei den Färsen sieht Luka Karch den positiven Effekt: „Durch das frühe Erstkalbealter von 24 Monaten sind die Färsen in der ersten Laktation noch nicht ausgewachsen.“ Deshalb geben sie den Erstkalbinnen mehr Zeit, bis diese zusätzlich Energie für die Reproduktion aufwenden müssen. Das erhöht auch die Nutzungsdauer, sind Karchs sich sicher.


Werden die Kühe zeitnah besamt, ist die Milchleistung zum Trockenstellen sehr hoch, was wiederum das Risiko für Euterentzündungen steigert. Auch im Betrieb Karch werden trotz langer Laktationen noch Kühe mit über 20 Litern Leistung trockengestellt, der Anteil ist aber geringer. „Das ist sicherlich auch eine Möglichkeit, antibiotisches Trockenstellen zu vermindern“, so Luka Karch. Ebenso kritisch wie der Medikamenteneinsatz wird auch der Umgang mit Kälbern von der Gesellschaft gesehen. „Wenn jedes Jahr ein Kalb pro Kuh geboren wird, ist zu viel Nachzucht da, die in den Handel oder Export geht. Da bieten die langen Laktationen einen guten Ansatz“, regt Luka Karch an.


System lohnt sich


Gerd Karch lässt seine Betriebszahlen auswerten und weiß daher: „Unterm Strich lohnt sich unser Vorgehen.“ Die Milchleistung von 11500 kg Milch mit 3,62% Eiweiß und 4,08% Fett sei für die Grundfutterqualität zufriedenstellend. Am Ende der Laktation sind die Inhaltsstoffe höher, dass hebt den Herdendurchschnitt. Während der ersten 100 Laktationstage enthält die Milch durchschnittlich 3,72% Fett sowie 3,30% Eiweiß. Im letzten Teil der Laktation hingegen 4,5% Fett und 4,0% Eiweiß. Kühe mit langen Laktationen stehen anteilig weniger trocken. So ist der produktive Anteil der Gesamtherde größer.


Hinzu kommen verringerte Kosten für die Kälberaufzucht, Behandlungen und das Fruchtbarkeitsmanagement. Gerd Karch behält sein System auch in der Zukunft bei.


julia.hufelschulte@topagrar.com

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