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Den Keimen auf der Spur

Lesezeit: 5 Minuten

Plötzlich ist der Keimgehalt oben und der höchste Milchpreis dahin. Das kann jeden treffen. Wie Sie die Ursachen finden, hat sich top agrar in der Praxis angesehen.


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Zu hohe Keimgehalte in der Milch haben sich zu einem Schwerpunkt in der Beratung entwickelt. Aber nicht etwa, weil die Betriebe Milchgeldabzüge bekommen. Sondern, weil ihnen Zuschläge verloren gehen.


Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen hat sich 2015 die Umrechnung der Keimzahlmessung geändert. Seitdem kann es im unteren Keimzahlbereich bis 30000 Keime/ml zu erhöhten Werten nur durch die Umrechnung kommen. Gleichzeitig haben die Molkereien die Grenzwerte für Milchpreiszuschläge verschärft: Die gesetzliche Grenze für einen S-Milchzuschlag liegt bei 50000 Keimen/ml, Arla beispielsweise zahlt den höchsten Milchpreis nur bei unter 30000 Keimen/ml.


Um das maximale Milchgeld zu sichern, wenden sich viele Milcherzeuger bereits bei leicht erhöhten Keimzahlen an die Beratung. Die Ursachsensuche gleicht dabei einer Detektivarbeit. Selbst bei 100000 Keimen/ml sind die Anlagen oft augenscheinlich sauber.


Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen hat in den letzten zwei Jahren 132 Keimzahlberatungen analysiert und die wichtigsten Ursachen herausgearbeitet (siehe „Die Knackpunkte in der Praxis“ auf Seite R29). Wie sie dabei vorgegangen ist, erklären die beiden Berater Michael Kerger und Christian Natrop.


1. Milchgüteergebnisse:

Als Erstes schauen sich die Berater die Übersicht der Güteergebnisse an. Sie zeigt den Verlauf der Keimgehalte über die letzten zwölf Monate. Wenn die Keimgehalte schon immer leicht erhöht oder regelmäßig Ausreißer vorhanden sind, gibt es schon länger ein unentdecktes Problem. Gehen die Keimgehalte abrupt in die Höhe, kann es nur ein kurzfristiges Problem sein.


2. Betriebsleiterinterview:

Entweder telefonisch oder bei einem ersten Betriebsbesuch fragen die Berater, ob die Betriebsleiter zuletzt etwas verändert haben, ob es Auffälligkeiten gibt und ob der Kundendienst vor Ort war und gegebenenfalls etwas gemacht hat:


  • Haben sich die Kühlzeiten verlängert? Lager- bzw. Mischmilchtemperatur? Hat sich die Milchabholung geändert?
  • Ist eine Vorkühlung vorhanden?
  • Wurde der Reinigungsautomat überprüft (Melkanlage und Milchtank)?
  • Stimmt die Reinigungsmittelkonzentration? Mit welchen Reinigungsmitteln arbeiten Sie?
  • Verwenden Sie ein anderes Reinigungsmittel? Reinigen Sie sauer und alkalisch im Wechsel? Stimmen die Temperaturen des Wassers im Hauptspülgang (auch Kochendwasserreinigung)?
  • Gibt es sichtbare Ablagerungen in der Melk- und Kühlanlage?


Sofern vorhanden, analysieren die Berater beim Betriebsbesuch im ersten Schritt die Protokolle des Kundendienstes. Im zweiten Schritt gehen sie mit einer Taschenlampe den Weg der Milch vom Euter bis zum Tank nach. Mit etwas Glück finden sie dabei kritische Stellen mit Ablagerungen bzw. Anhaftungen. Das sind z.B. das Milchsammelstück, die Weichgummiteile im Milchabscheider, das Filterelement oder die Druckleitung. Der Milchtank bzw. die Milchwanne lassen sich nur im leeren Zustand beurteilen. Zudem kontrollieren die Berater noch den Milchauslauf mit Scheibenventil und Dichtung.


3. Stufenproben:

Die Landwirte müssen Stufenproben ziehen, d.h. Keimzahlproben zu unterschiedlichen Zeitpunkten an unterschiedlichen Stellen:


  • Beim Abpumpen der Milch, bevor sie in den Tank kommt; zu Melkbeginn.
  • Aus dem Tank nach Ende der Melkzeit; über das Mannloch.
  • Vor der Milchabbholung am Auslauf (Tankwagenweg).


Das Ergebnis zeigt, ob die erhöhten Keimzahlen an der Melkanlage oder an der Kühlanlage liegen. Kommt die Milch bereits mit erhöhten Keimzahlen in den Tank, liegt es an der Melkanlage. Kommt sie mit niedrigem Keimgehalt in den Tank und steigt der Keimgehalt dann, liegt es an der Kühlanlage.


Das gilt aber nur für konventionelle Melktechnik. Bei Melkrobotern ist die Analyse deutlich komplexer (vgl. Kasten „Schwieriger bei Melkrobotern“).


4. Datenlogger:

Wenn die Kühltechnik ins Visier gerät, kommt der Datenlogger zur Temperaturüberwachung zum Einsatz. Dazu setzen die Berater das Messgerät in den Milchtank ein. Über 48 oder 72 Stunden zeichnet es die Milch- sowie Reinigungstemperatur auf. Die Ergebnisse gibt es als Grafik und Datentabelle. Relativ einfach lässt sich erkennen, ob die Anlage die Zielwerte von unter 6°C Lagertemperatur, maximal 12°C Mischmilchtemperatur und mindestens 40°C Reinigungstemperatur (nicht Kaltreiniger) durchgängig einhält.


Theoretisch könnten auch Tankwächter diese Ergebnisse liefern. In der Praxis erweisen sie sich allerdings noch häufig als zu unscharf bzw. es ist umständlich, an die Daten zu kommen.


5. ATP-Messung:

Die Berater ziehen an verschiedenen Stellen der Melk- und Kühlanlage mit Tupfern Proben, um die Reinigung zu prüfen. Dabei nehmen sie den Restbestand organischer Masse von der Fläche auf – im Klartext die nicht sichtbare Verschmutzung. Das ATP (Adenosin-TriPhosphat) lässt über ein Messgerät mit einem Lichtimpuls und Zählwert eine Verschmutzung sichtbar machen. Bei niedrigen Zählwerten ist alles okay, bei hohen gibt es Verschmutzungen.


6. Endoskop:

Bei großen Melkanlagen ist der Ausbau der milchführenden Teile oft sehr kompliziert bzw. fast unmöglich. Deshalb nutzen die Berater dort ein Endoskop. Mit der Kamera gehen sie den Weg der Milch ab. So bekommen sie auch in schwer zugängliche Stellen Einblick, ob sich Ablagerungen bzw. Anhaftungen gebildet haben.


7. pH-Wert:

Vor Ort beim Reinigen der Melk- oder Kühlanlage messen die Berater den pH-Wert vom Reinigungswasser. Die saure Lösung sollte einen pH-Wert von 3 oder tiefer haben, die alkalische Lösung von über 12. Werden diese Werte nicht erreicht, prüfen die Berater: Ist die Konzentration der Reinigungs- und Desinfektionsmittel fehlerhaft? Ist die Wasserqualität problematisch, z.B. Kalk, Eisen oder Mangan?


8. LactoCorder:

Der LactoCorder als mobiles elektronisches Milchmengenmessgerät kommt aus der Milchleistungsprüfung. Er lässt sich auch durch eine Zusatzfunktion zur Überwachung der Melkanlagenreinigung nutzen.


9. Keimdifferenzierung:

Eine neue Methode aus den USA ist die „Keimdifferenzierung“. Eine bakteriologische Untersuchung differenziert die Keime, z.B. die Gesamtkeimzahl mit Leitkeim, coliforme Keime und hitzebeständige Keime. Daraus lassen sich die Ursachen der Keimzahl-Erhöhung ableiten.

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