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„Die Margen sind bei der Milch extrem eng“

Lesezeit: 5 Minuten

Höhere Forderungen von Politik und Gesellschaft steigern die Kosten der Milchproduktion. Das senkt den Gewinn und verschlechtert die Perspektive. Eine Analyse aus der Milchregion Cuxhaven.


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Cuxhaven in Niedersachsen zählt zu den Landkreisen mit der höchsten Milchdichte in Deutschland: Zuletzt hielten 953 Betriebe im Schnitt 120 Kühe. Die 114000 Kühe produzierten 906 Mio. kg Milch, das sind ca. 8000 kg je Kuh. Etwa zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Cuxhaven ist Dauergrünland.


Im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands sind diese Betriebe größer und spezialisierter. Dennoch ist die Wettbewerbsfähigkeit nicht zufriedenstellend, zeigt eine Analyse von Claus Schnakenberg vom Beratungsring Beverstedt e.V. „Das liegt vor allem an den steigenden Kosten durch die schärferen Auflagen zur Lagerung von Silage, Gülle, Mist und der Hofentwässerung sowie den Schwierigkeiten bei neuen Baugenehmigungen“, sagt der Berater. Zudem ließen sich die Wünsche des Lebensmittelhandels und der Verbraucher wie eine GVO-freie Fütterung nicht zum Nulltarif umsetzen.


Für ihn steht fest: „Damit Zukunftsbetriebe eine Perspektive haben, müssen die Milchpreise künftig über dem Schnitt der letzten zehn Jahre liegen!“


Mehr Kühe – Gleicher Gewinn


Claus Schnakenberg betreut aktuell 100 Milchviehbetriebe, von 81 identischen Betrieben liegt eine langjährige Auswertung vor. Sie sind in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen: Die durchschnittliche Herdengröße ist auf 200 Kühe gestiegen, die Milch-menge pro Betrieb hat sich auf 1,8 Mio. kg nahezu verdoppelt (Übersicht 1). Das Erschreckende: Die Wirtschaftlichkeit hat sich dabei nicht verbessert. Obwohl die Betriebe im Schnitt jetzt über 80 Kühe mehr halten, erzielen sie den gleichen Betriebsgewinn wie vor zehn Jahren.


Betriebe verlieren Substanz


Und der Ausblick auf das aktuelle Wirtschaftsjahr 2018/2019 verheißt nichts Gutes: Der Milchpreis liegt ca. 4 ct/kg unter Vorjahr, die variablen Kosten sind dagegen 1,5 ct/kg höher. Der Gewinn des Durchschnittsbetriebs dürfte somit um fast 100000 € auf rund 78000 € einbrechen – bei einer negativen Eigenkapitalbildung von gut 30000 €. „Um es klar zu sagen: Im Schnitt haben die Milchviehbetriebe in den letzten fünf Jahren von der Substanz gelebt. Denn die Margen in der Milchproduktion sind extrem eng“, sagt Schnakenberg.


Er verdeutlicht seine Einschätzung an der Vollkostenrechnung: Im Schnitt kommen die Betriebe auf 36,86 ct/kg Vollkosten (Übersicht 2). Das sind knapp 4 ct/kg mehr als noch vor zehn Jahren – und das, obwohl die damaligen Kosten für Milchquote von 2,4 ct pro kg entfallen sind. Die Rechnung zeigt aber auch deutlich, dass die variablen Kosten mit gut 26 ct/kg eine deutlich größere Bedeutung haben als die Festkosten mit gut 10 ct/kg.


Drei Zukunfts-Szenarien


Was bedeuten diese Entwicklungen für die Zukunft? Schnakenberg hat dazu die 81 ausgewerteten Betriebe in drei Kategorien eingeteilt (Übersicht 3):


  • 19 Betriebe „Sicheres Ende in den nächsten fünf bis acht Jahren“: Bei diesen Betrieben gibt es keine Hofnachfolge oder der Betrieb bzw. Standort bieten keine ausreichenden Entwicklungsmöglichkeiten. Die Rentabilität ist gering und die Betriebsleiter gehen das Risiko Fremdkapital nicht ein. Bei einer weiteren Milchpreiskrise oder kurzfristig schärferen Auflagen würden diese Betriebe auch kurzfristig aussteigen.
  • 14 Betriebe „Zukunft unsicher“: Die potenziellen Hofnachfolger dieser Betriebe sind noch in der Schule oder Ausbildung. Die Betriebe erzielen mäßige Ergebnisse und haben oft Probleme mit der Produktionstechnik, weil die Unsicherheit an der Motivation nagt. Weitere Entwicklungsschritte sind notwendig und auch in Planung. Die Probleme bei den Genehmigungen erhöhen aber die Kosten. Deshalb ist die Finanzierung nicht gesichert oder den Betriebsleitern ist das Risiko zu hoch.
  • 48 Betriebe „Sichere Zukunft“: Diese Betriebe erreichen im Vergleich überdurchschnittliche Strukturen und Ergebnisse. Die Betriebsleiter haben eine langfristige Perspektive und stellen sich unternehmerisch den steigenden Anforderungen. Für sie besteht eher der Wunsch nach höherer Wertschöpfung in der Produktion, nicht nach weiterer Expansion.


Der Berater zieht hieraus zwei Kernbotschaften: Erstens ist das Ausmaß des Strukturwandels in den nächsten fünf bis acht Jahren schon heute zum großen Teil entschieden und nicht rückgängig zu machen. Und zweitens bleiben trotz Strukturwandel die Betriebsstrukturen stark heterogen.


Hohe Investionen nötig


Diese Heterogenität zeigt sich auch auf den 48 Betrieben mit „Sicherer Zukunft“ (Übersicht 4): 18 dieser Betriebe haben keinen unmittelbaren Investitionsbedarf, 30 Betriebe dagegen schon. Das beeinflusst die künftige Wirtschaftlichkeit stark.


Dazu ein Beispiel: Ein Betrieb mit 200 Kühen und 2,2 Mio. kg Milch muss 800000 € in Hofbefestigung, Entwässerung, Wasser- und Güllelagerung sowie eine Mistplatte investieren. Das ist ein Kapitaldienst von 46400 € über 20 Jahre bei 1,6% Zinsen. Umgerechnet entspricht das einer zusätzlichen Kostenbelastung von 2,1 ct/kg. „Am Ende muss der Betriebsleiter entscheiden, ob er sich das zutraut“, sagt Schnakenberg. Im Klartext: Selbst bei vermeintlichen Zukunftsbetrieben können die höheren Produktionskosten durch nötige Investitionen ein Unsicherheitsfaktor sein.


Der Berater weist aber auch deutlich darauf hin, dass es bei Investitionen nicht nur um Kosten gehen sollte, sondern auch um die mögliche Verbesserung der Produktionstechnik und somit eine bessere Wirtschaftlichkeit.


Dazu ein Beispiel zur Grünlandintensität (Übersicht 5): Wenn die Betriebsleiter mehr in das Grünland investieren und die Intensität steigern, erhöhen sie den Energieertrag pro Hektar sowie die Milch- und Grundfutterleistung pro Kuh – und sie senken die Gesamtfutterkosten je kg Milch. Ordnungsgemäße Silagelagerung verbessert zudem die Futterqualität und reduziert die Lagerverluste, die Futteraufnahme der Kühe ist höher.


Wann investieren, wann nicht?


Für Schnakenberg steht deshalb fest, dass Investitionen aufgrund gestiegener Anforderungen tragbar sind, wenn


  • Abschreibung und Finanzierung langfristig möglich sind,
  • sich die Produktionstechnik verbessert und
  • die Umsätze steigen.


Problematisch sind für den Berater höhere Anforderungen dagegen, wenn sich aufgrund von Bewirtschaftungsauflagen schlechtere Futterqualitäten oder geringere Milchleistungen ergeben.


Am Ende wirft Schnakenberg noch einen positiven Blick in die Zukunft: „Die jungen Betriebsleiter sind absolut gewillt, sich den künftigen Anforderungen zu stellen, wenn sie ihren Betrieb als zukunftsfähig erachten – und das am liebsten ohne Subventionen!“


patrick.liste@topagrar.com

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