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Die perfekte Kuh per Photoshop

Lesezeit: 6 Minuten

Töchter und Mütter sind die Aushängeschilder der Vererber. Auf Fotos sollen die Kühe perfekt aussehen und die Bildbearbeitung erleichtert das. Aber wo beginnt die Täuschung?


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Per Mausklick eine gerade Oberlinie, ein fülliger Schweif und glänzendes Fell. Die digitale Fotografie und Bildbearbeitung macht das möglich. Bei professionellen Kuhfotos sind nachträgliche Retuschen üblich. Aber was, wenn auch Eutervenen, Klauenwinkel oder Beckenneigung „optimiert“ werden?


In abgedruckten Fotos ist nicht erkennbar, was retuschiert wurde. Daher meint z.B. Fleckvieh-Züchterin Irina Primbs aus Schwarzach (Bayern): „Den Bildern in den Katalogen traue ich nicht mehr. Dort sehen alle Tiere gleich aus. Entscheidungen für die Zucht kann ich damit nicht treffen und somit sind die Fotos sinnlos.“ Auch Dr. Thomas Grupp, Geschäftsführer der Bayern-Genetik, sagt: „Das nachträgliche Bearbeiten der Bilder ist gezielte Kundentäuschung und muss verboten werden!“


Was sagen Fotografen und andere Zuchtverbände zu dieser Forderung?


Was ist erlaubt?


Konkrete Richtlinien oder Vorgaben für die Bildbearbeitung von Kuh- oder Bullenfotos gibt es nicht, bestätigen Vertreter mehrerer Verbände. Vielmehr habe jeder Fotograf sein persönliches Handwerk und seinen eigenen Stil. Während einige mehr bearbeiten, mögen es die anderen natürlicher.


Das wissen auch die Züchter und die Zuchtverbände und buchen die Fotografen dementsprechend. Maik Kalthaus von der Rinder-Union West (RUW) erklärt: „Wir machen den Fotografen keine Vorgaben, sondern lassen sie ihre Arbeit machen. Konkret prüfen, was bearbeitet wurde, können wir sowieso nicht. Nur wenn anatomische Proportionen offensichtlich bearbeitet wurden, lassen wir das ändern oder nutzen das Foto nicht.“


Gleichzeitig herrscht unausgesprochener Konsens darüber, wie Kuhfotos aussehen sollen. Das gilt vor allem für sogenannte Seitenbilder, sagt Fotografin Christine Massfeller: „Ein Seitenbild ist das Passbild einer Kuh. Es muss authentisch und realistisch sein und das Exterieur so zeigen, wie es ist.“ Kopfhaltung und Beinstellung sind immer gleich. Oft wird vor einem grünen Tuch fotografiert und dieses am PC durch einen Landschaftshintergrund ersetzt.


Etwas freier in der Gestaltung sind Fotografen bei Motivbildern. Die Kuh wird in natürlicher Umgebung aus verschiedensten Perspektiven fotografiert, um bestimmte Merkmale zu betonen. Hier kommt es neben der Kuh auf die gesamte Szene an.


Was ist möglich und üblich?


Christine Massfeller fotografiert für Züchter, Zuchtverbände und die Fachzeitschrift Holstein International. Ihrer Meinung nach sind kleinere Retuschen grundsätzlich erlaubt: „Ich will die Tiere von ihrer besten Seite zeigen. Wenn eine Kuh am Fototag eine kahle Stelle am Gelenk hat, dann retuschiere ich das – genauso, wie Hautunreinheiten bei Menschen. Das gehört zu meiner guten fachlichen Praxis.“ Charakteristische Macken, wie wenig Euterbeaderung, verändert sie nicht.


Retuschen seien daher nichts anderes, als das Waschen, Pudern oder Ankleben von Haaren, wie es früher gemacht wurde und verändern die Kuh selbst nicht. Das Gleiche gelte für die Retusche eines nicht aufgestellten Ohres oder störende Details im Hintergrund.


Kontrovers diskutiert wird, ob das Zusammensetzen von Vorder- und Hinterteil einer Kuh aus zwei Bildern zu einem Bild erlaubt ist. Massfeller kann dies nur zum Teil nachvollziehen. Bei untrainierten Tieren sei es schwer, diese gleichzeitig vorne und hinten perfekt zu positionieren. „Aber bei einem zusammengesetzen Bild kann sich ein erheblicher, perspektivischer Einfluss auf die Darstellung der Kuh ergeben. Ich mache das nicht. Mir fehlt da auch die Herausforderung. Aber das ist nur mein persönlicher Ehrgeiz und Anspruch.“


Für viele Fotografen sind kleinere Retuschen, die die Kuh selbst nicht verändern, selbstverständlich. Diskutiert werden extreme Veränderungen der Anatomie. Besonders aus den USA gibt es Bilder von Kühen mit langen Hälsen und perfekten Beinen. Die Gefahr besteht, dass Züchter und Landwirte diese Bilder im Kopf haben und erwarten, dass ihre eigenen Tiere fotografiert ähnlich aussehen.


Darüber haben wir mit mehreren Fotografen gesprochen. Diese wollten aber nicht öffentlich Stellung beziehen. Ihrer Meinung nach bestimmt der Kunde, was und wie stark das Foto bearbeitet wird. Ein Fotograf sagte deutlich: „Wir sind Dienstleister und produzieren nur das, was unsere Kunden wollen.“ Damit stehen Fotografen im Konflikt zwischen den Wünschen der Kunden und der Kritik an stark bearbeiteten Fotos.


Was ist der Zweck?


Einige Züchter fordern, dass Verbände nur noch natürliche Fotos nutzen. So sagt Primbs: „Tiere haben Fehler und unterscheiden sich – das dürfen sie auch auf Fotos! Die Bildbearbeitung sollte so weit wie möglich eingestellt werden.“


Kalthaus kann das nachvollziehen, sagt aber: „Wir nutzen Töchter- und Mütterbilder für das Marketing der Bullen. Darauf müssen sich die Tiere von ihrer besten Seite zeigen.“ Nur die optimierten Versionen machten sich bezahlt. Dass Bilder für die Werbung bearbeitet sind, sei allgemein bekannt und werde unterbewusst sogar erwartet.


Das unterstützt Stefan Kallaß von der Masterrind: „Wir vermarkten unsere Genetik international und stehen auch dort im Wettbewerb. Wenn Kunden und Geschäftspartner im Ausland Bilder von den Töchtern eines Vererbers sehen wollen, reichen ihnen einfache Bilder aus dem Stall nicht.“ Kallaß ist überzeugt, dass unbearbeitete Bilder zu einem Wettbewerbsnachteil führen. Besonders gegenüber Unternehmen aus Übersee.


Grupp sieht das anders. In der Mitgliederzeitschrift des bayerischen Verbandes druckt er nur ungeschönte Bilder. Die Tiere seien nur geschoren, gewaschen und mit Öl, Puder und Glanzspray bearbeitet, so der Hinweis im Heft. Mitarbeiter seien beim Shooting dabei, um das Tier in Realität zu sehen und mit den Fotos abzugleichen.


Doch komplett unbearbeitete Bilder gibt es nicht mehr, meint Kallaß: „Selbst Handykameras optimieren Farben und Kontraste. Das Ausloben von ‚unbearbeiteten Bildern‘ ist daher auch nur eine Marketing-Strategie.“ Am Ende könne niemand prüfen, was bearbeitet wurde und was nicht.


Gibt es Alternativen?


Entgegen dem Trend von perfekt bearbeiteten Bildern gibt es auch neue Ansätze, sogar in Nordamerika: Obwohl Fotos dort häufig als Beispiel für extreme Bildbearbeitung gelten, setzt beispielsweise der kanadische Importeur Semex bewusst Bilder aus dem Stall ein.


Die Fotos zeigen Kuhgruppen, die geschoren und gewaschen sind sowie ein volles Euter haben. Hintergrund und Oberlinie bleiben natürlich. Joan Lau, verantwortlich für das internationale Marketing, erklärt: „Vor allem in den sozialen Medien bekommen wir viele positive Rückmeldungen für diese Bilder. Die Züchter sehen die Kühe gerne in ihrem natürlichen Arbeitskleid.“


Auch in Deutschland setzen einige Fotografen bewusst auf wenig Retusche und natürliche Bilder. „Der Großteil der Profifotografen kann sich das aber nicht aussuchen, sondern muss die Aufträge der Kunden erfüllen“, sagt Massfeller. Ihr Grundsatz ist, ein realistisches Bild der Kuh zu schießen, sodass so wenig Bearbeitung wie möglich nötig ist. Wichtig dafür sei auch ein professionelles Fototeam. Und Massfeller betont: „Komplett unbearbeitet gebe ich kein Foto heraus. Es gibt immer Details, die ich retuschiere. Schließlich ist es mein künstlerischer Anspruch, ein schönes und professionelles Foto zu liefern.“


Diese Ansätze reichen Grupp jedoch nicht aus. Er fordert eine bundesweite Vereinbarung zur Bildbearbeitung. Dass diese Wirkung hätte, bezweifeln allerdings viele. Einig sind sich dennoch alle: Gibt es keine verbindliche Regelung, entscheidet der Markt, wie Kuhfotos aussehen.


Anke Reimink


julia.hufelschulte@topagrar.com

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