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„Die Risse nehmen zu“

Lesezeit: 5 Minuten

Seit 1999 lebt der sächsische Mutterkuhhalter Frank Groba mit dem Wolf. Die Schäden nehmen jedes Jahr zu. Das Raubtier breitet sich nun nach Westen aus.


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Hier sind die Tiere durchgegangen.“ Frank Groba zeigt auf eine Lücke im Zaun. Der zweireihige Stromdraht ist zerrissen, der Boden aufgewühlt. „Mit fünf Leuten haben wir drei Stunden gebraucht, um die Herde wieder einzufangen“, sagt der Mutterkuhhalter aus Schwarzkollm in Sachsen.


Am Vortag waren etwa 15 Tiere von der im Wald gelegenen Koppel ausgebrochen. Die andere Hälfte der Herde blieb dagegen auf der Weide. Groba erklärt sich das ungewöhnliche Verhalten so: Wölfe waren nachts am Werk und haben die Tiere getrennt. Daher ist nur ein Teil der Herde in Panik gegen den Draht gerannt.


Zehn Risse pro Jahr:

Seit dem Jahr 1999 hat Groba jährlich rund zehn bis zwölf Verluste. Die Raubtiere töten Tiere direkt auf der Weide. Teilweise sind Kälber aber auch einfach spurlos verschwunden. Nur sehr selten findet Groba Skelette oder andere Überreste im Wald. Anhand von Bissspuren und Losungen hat er auch mithilfe eines Jägers sowie seinem Tierarzt festgestellt, dass Wölfe sogar einmal in die Stallanlage eingedrungen sind. Daher hat er das gesamte Hofgelände mit einem festen Zaun geschützt.


Bei den Weiden ist das dagegen nicht möglich. „Ein fester Zaun mit mehreren Litzen ist unbezahlbar“, sagt er. Dazu kommt die nötige Pflege: Wenn die untere Litze wie gefordert nur 20 cm vom Boden gespannt sein soll (s. Kasten „Die Wölfe lernen dazu“), müsste sie ständig freigeschnitten werden. Denn so hoch muss der Bewuchs mindestens sein, damit die Tiere genügend Futter haben. „Aber zum Freischneiden fehlt mir das Personal und die Zeit“, merkt er an.


Rinder greifen an:

Frank Groba hält ca. 500 Tiere der Rassen Charolais, Fleckvieh, Limousin und Blonde d‘Aquitaine. Der regelmäßige Kontakt mit Wölfen in der Gemarkung, die zu 60% aus Wald besteht, hat die Tiere verändert. „Es gibt bei allen Rassen Tiere, die plötzlich ohne Grund auf Menschen losgehen. Andere Kühe sind ruhig, auch wenn nachts ein Kalb verschwunden ist.“


Die Aggression richtet sich nicht nur gegen Menschen. Auch Lämmer oder Wildschwein-Frischlinge werden attackiert. Die Verhaltensänderung hat mit dem Auftreten der ersten Risse 1999 schlagartig zugenommen. Früher konnte er jederzeit auf die Weiden und einzelne Tiere mit dem Strick herausführen. Wegen der Unberechenbarkeit hat er heute seinen Mitarbeitern verboten, allein auf die Weiden zu gehen, z.B. zum Einziehen von Ohrmarken. Auch müssen sie mit einem Stock oder ähnlichem ausgerüstet sein.


Behörden zweifeln:

In der Anfangszeit wurde er häufig belächelt für seine Vermutung, dass Wölfe seine Tiere gerissen haben. Wolfsbeauftragte, Naturschützer oder Behördenmitarbeiter haben das mit streunenden Hunden oder anderen Todesursachen erklärt, vor allem, wenn bei den Kadavern kein klassischer Kehlbiss festzustellen war. Die Tiere seien aufgrund von Krankheiten verendet und dann von Füchsen oder anderen Aasjägern angefressen worden. „Aber wenn von einem 300 kg schweren Tier morgens nur noch ein Skelett übrig ist, müssen große Tiere in kurzer Zeit sehr viel Fleisch gefressen haben“, entgegnet er. Für ihn kommen dafür nur Wölfe infrage – auf frischer Tat ertappt hat er allerdings noch keinen von ihnen. Aber es gibt genug Berichte, dass Wölfe junge Tiere wie Schaflämmer auch reißen und anfressen, ohne sie vorher per Kehlbiss zu töten.


Entschädigung zu niedrig:

Bislang hat er nur ein Tier vom Land Sachsen entschädigt bekommen. Der bürokratische Aufwand und der Frust über den Unglauben der Behörden war so groß, dass er später weitere Risse nicht mehr gemeldet hat. Doch jetzt haben die Schäden rapide zugenommen. In den letzten 16 Jahren gab es meist ab Juli die ersten Risse. In diesem Jahr hatte er ab April bereits acht Tiere verloren. Daher sieht er sich gezwungen, die Ausgleichskasse wieder in Anspruch zu nehmen.


Allerdings ist die Entschädigung aus seiner Sicht viel zu niedrig. Für das erste Tier hatte er 1200 € als Schlachtwert erhalten. Doch alle seine Tiere sind im Herdbuch und haben entsprechenden Zuchtwert, der rund ein Drittel höher ist als der Schlachtwert. Dazu kommen Folgeschäden wie Euterentzündungen bei den Mutterkühe, wenn die Kälber plötzlich fehlen und nicht mehr saugen. Oder der zeitliche und auch finanzielle Aufwand, um entflohene Weidetiere wieder einzufangen.


Zudem hat er den Betrieb im letzten Jahr auf Ökolandbau umgestellt, womit seine Bewirtschaftung teurer geworden ist – alle diese Faktoren werden bei der Entschädigung nicht berücksichtigt.


Schweine und Biber:

Wegen der großen Waldgebiete gibt es viele Wildschweine, die regelmäßig bei der Nahrungssuche die Grasnabe umgraben.


Mit den Wölfen hat sich die Problematik deutlich verschärft. „Die Rotten sind wesentlich größer geworden. Auch bewegen sie sich nur noch kurz vom Waldrand auf die Wiesen, um in Deckung zu bleiben“, hat er beobachtet. Die Folge: Jäger haben es immer schwerer, Tiere zu schießen. Zudem ist der Schaden auf dem Grünland erheblich größer. So manche Neuansaat war für ihn umsonst, weil die stärkeren Rotten in einer Nacht eine größere Fläche bearbeiten können.


Seit zwei Jahren ist zudem eine Biberfamilie in einem Bach heimisch, der zwischen zwei von Grobas Wiesen hindurchfließt. Der Biberdamm hat den Bach so aufgestaut, dass eine Fläche von rund 5 ha komplett vernässt ist.


Daher fordert er: „Wenn die Gesellschaft die Ausbreitung dieser Arten will, muss sie auch bereit sein, die Schäden in der Landwirtschaft angemessen auszugleichen. Ansonsten werden wir Landwirte immer mehr zum Aufgeben gezwungen!“Hinrich Neumann

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