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„Diese Spezialpulver kann sonst niemand“

Lesezeit: 7 Minuten

Die japanische Molkerei Morinaga investiert über 100 Mio. € in ihre deutsche Tochter Milei im Allgäu. Welche Pläne hat das Trocknungsunternehmen? Was bedeutet das für die Milchbauern? top agrar sprach mit Milei-Geschäftsführer Rüdiger Fricke.


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Der chinesische Babynahrungshersteller Synutra baut in Frankreich eine Milchpulverfabrik, der neuseeländische Molkerei-Riese Fonterra investiert in den Niederlanden. Und die japanische Morinaga steckt über 100 Mio. € in ihr Molke-Trocknungswerk Milei in Süddeutschland. Was treibt die Konzerne aus Fernost zu diesen Investitionen?


Fricke: In vielen Regionen Asiens sind Milchbestandteile sehr knapp, vor allem für die Kinder- und Babynahrungsmittel. Wenn Sie sehen, dass in China jedes Jahr 26 Mio. Babys geboren werden, dann ist das eine Hausnummer. Ähnlich ist die Situation auf den Philippinen, in Vietnam, Indonesien und Malaysia. Das sind alles extrem wachsende Länder und damit boomende Absatzmärkte für Milchtrockenprodukte. Bei den Chinesen kommt hinzu, dass sie europäische Qualitätsstandards bevorzugen.


Wie entwickelt sich die Nachfrage in Japan?


Fricke: Japan ist auch auf den Import von Milchbestandteilen, vor allem von Milchproteinen, angewiesen. Aus diesem Grund hat sich die Morinaga bereits vor 40 Jahren an der Gründung der Milei beteiligt. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Milchprodukten steigt auch in Japan. Andererseits sinkt die Bevölkerungszahl in Japan, sodass sich die Nachfrage dort allenfalls stabil entwickelt. Für die Milei spielt Japan als Absatzmarkt nicht mehr die entscheidende Rolle. Das Stammland unseres Mutterkonzernes trägt deutlich weniger als 10 % zum Gesamtumsatz der Milei GmbH bei. Und dies, obwohl unsere Exportquote bei 80 % liegt.


Dann zielt die Milei-Investition der Morinaga mehr auf andere Absatzmärkte.


Fricke: Das ist so. Morinaga will sich internationaler aufstellen und verstärkt die asiatischen Wachstumsmärkte bedienen. Die Investition in Deutschland macht Sinn, weil dort die Rohstoffe Molke und Magermilch besser verfügbar sind als in Japan. Hinzu kommt, dass Trockenprodukte „Made in Germany“ in Ländern wie China ein hervorragendes Image haben und sich deshalb besser verkaufen lassen als Erzeugnisse aus Japan. Unser zweiter Absatzschwerpunkt ist Europa. Immerhin exportiert die Milei GmbH die Hälfte ihres Gesamtexportes in andere europäische Länder.


Fragen Verbraucher und Lebensmittelindustrie in Asien andere Produkte nach?


Fricke: Ja, die Konsumgewohnheiten sind etwas anders als in Europa. So ist Molkenprotein-Konzentrat, das wichtigste Produkt der Milei, in Asien ein beliebter Eiweißergänzer für fast alle Arten von Getränken. In Indien wird Molkenprotein auch als Backhilfsmittel eingesetzt, weil es für eine schöne Brotkuchenkruste sorgt. Wir entwickeln deshalb für und mit unseren Kunden in diesen Ländern Spezialprodukte, die genau diesen Anforderungen gerecht werden.


Wird der asiatische Markt weiter wachsen?


Fricke: Davon bin ich fest überzeugt. China wird vermutlich in absehbarer Zeit wieder von der Ein-Kind-Politik abrücken, weil sonst die chinesische Gesellschaft völlig überaltert. Das wird der Nachfrage nach Babynahrung einen weiteren Schub geben.


Gibt es weitere Trends auf den Absatzmärkten?


Fricke: Die Nachfrage nach Produkten mit einer Halal- und Koscher-Zertifizierung für Moslems und Juden wächst. Vor allem große Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé verlangen das mittlerweile grundsätzlich, weil sie die Chargen nicht mehr trennen wollen. Derzeit sind bereits 80 % unserer Produktion Halal- und Koscher-zertifiziert. Wir streben aber Richtung 100 %.


Nicht nur die Nachfrage nach Trockenprodukten steigt, sondern auch das Angebot. Immer mehr Käsereien und Molkereien steigen in die Trocknung ein. Wie will sich die Milei als Unternehmen ohne eigene Käserei am Markt behaupten?


Fricke: Uns ist klar, dass wir bei der Kosten- und Preisführerschaft nicht mithalten können. Die Milei setzt deshalb schon seit Jahren auf eine Strategie der Qualitäts- und Leistungsführerschaft. Wir konzen-trieren uns auf die Herstellung von pulverförmigen Hochproteinen und funktionalen Nebenprodukten aus Molke und Milch. Wir wollen hier Qualitäts- und Leistungsführer in Europa und Asien werden. Standardware wie Molkenprotein-Konzentrat mit 35 % Eiweiß (WPC 35) ist aus unserer Sicht nicht mehr so gefragt. Wir stellen deshalb nur noch Konzentrate mit deutlich höheren Proteingehalten her und differenzieren diese zum Teil auch noch aus. Die Milei hat zum Beispiel auch Proteinkonzentrate mit niedrigerem pH-Wert und hohem Wasserbindungsvermögen im Angebot.


Entwickelt die Milei die neuen Produkte selbst?


Fricke: Die Milei hat zwar eine kleine Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit rund zehn Mitarbeitern. Aber viele unserer Neuerungen kommen von unserem Mutterhaus, wo 400 Leu­te in der Forschung und Entwicklung arbeiten. So hat Morinaga ein Verfahren entwickelt, das das getrocknete Permeat – also das, was nach der Filtration des Molkenproteins übrig bleibt – rieselfähig hält.


Diese Technik setzt auch die Milei ein. Auch beim Extrahieren von Lactoferrin, das ein hochbegehrter Zusatzstoff in der Herstellung von Babynahrung ist, wenden wir ein japanisches Verfahren an.


Die Milei investiert bis 2018 über 100 Mio. € in eine nagelneue Produktionsanlage mit der Bezeichnung Milei 2.0. Fließt das Geld komplett in die Erweiterung Ihres Produktportfolios oder dehnen Sie auch die Produktion aus?


Fricke: Beides trifft zu. Wir bieten künftig auch instantisierte und demineralisierte Molkenproteine sowie Mischungen aus Molkenprotein-Konzentraten und Lactoferrin an. Zudem wollen wir auch Molkenprotein-Isolate herstellen. Diese enthalten 90 % Eiweiß und sind wichtiger Bestandteil von Sportlernahrung. Mittelfristig wollen wir die Milchbestandteile noch weiter aufspalten und zum Beispiel auch Protein-Hydrosylate herstellen.


Unsere Molkeverarbeitung wächst aber nur geringfügig von jährlich 75 000 t auf 85 000 t Trockenmasse. Dafür satteln wir auf das Molken-Konzept ein Milch-Konzept. Wir werden die neue Anlage also so auslegen, dass wir unsere Trockenprodukte nicht nur aus Molke, sondern auch aus Magermilch herstellen können. Unser Ziel ist, die Milchverarbeitung von derzeit jährlich 20 Mio. kg auf 150 bis 200 Mio. kg zu steigern.


Ist für Trockenprodukte aus Milch eine ausreichende Nachfrage vorhanden?


Fricke: Ja, unsere Kunden fragen diese Trockenprodukte aus Milch immer mehr nach, weil sie reiner sind. Molke als Nebenprodukt der Käsegewinnung hat ja schon einen bakteriologischen Prozess hinter sich, was bei Magermilch nicht der Fall ist.


Entrahmen Sie die Rohmilch selbst?


Fricke: Derzeit macht das noch eine kooperierende Molkerei für uns. Ab 2016 wollen wir selbst entrahmen. Ob wir dann in die Butterproduktion einsteigen oder alternative Fettverwertungen einführen, haben wir bislang noch nicht entschieden.


Im Moment kaufen Sie rund 20 Mio. kg Rohmilch über die Berliner Milcheinfuhrgesellschaft (BMG) von einer MEG aus dem Schwarzwald zu. Haben Sie schon weitere Milchmengen unter Vertrag?


Fricke: Nein. Wir führen aber Gespräche mit potenziellen Lieferanten. Seitdem bekannt ist, dass wir unsere Milch-Verarbeitung ausbauen, haben wir jede Menge Anfragen.


Welche Milchlieferorganisationen kommen grundsätzlich infrage?


Fricke: Weil wir keine klassische Molkerei mit Direktlieferanten werden wollen, muss die Lieferorganisation die Milchgeldabrechnung selbst erstellen können. Das kann ein Dienstleister wie die BMG sein oder eine Milcherzeugergemeinschaft, die die Abrechnung und Abholung selbst organisiert. Solche Milcherzeuger-Organisationen gibt es in Süddeutschland.


Als Neueinsteiger in die Primärmilchverarbeitung haben Sie voraussichtlich etwas höhere Erfassungs- und Rohstoffkosten als bestehende Molkereien. Können Sie das über eine höhere Verwertung ausgleichen?


Fricke: Ich schließe nicht aus, dass wir etwas höhere Kosten haben. Ich bin aber überzeugt, dass wir uns mit unseren Produkten so aufstellen werden, dass wir etwaige Mehrkosten auffangen können. Die Milei betreibt allerdings keine Rohstoffkostenmaximierung wie das bei Genossenschaftsmolkereien der Fall ist.


Auch wenn Sie das nicht gerne hören: Unser Ziel ist, die Kosten für Molke und Milch in Grenzen zu halten, weil das unsere wichtigsten Rohstoffe und damit auch unsere Hauptkostenfaktoren sind.


Herr Fricke, vielen Dank für das Gespräch.Klaus Dorsch

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