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DMK sieht sich für die Zukunft gewappnet

Lesezeit: 11 Minuten

Das Deutsche Milchkontor ist die größte Molkerei Deutschlands. Die dreijährige Umbauphase soll nun endlich Früchte tragen. Wir haben nach weiteren Zukunftsthemen des Branchenriesen gefragt.


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Herr Dr. Hein, das DMK liegt bei den Milchauszahlungspreisen 2019 wieder unter dem Bundesschnitt. Wie erklären Sie das Ihren Milcherzeugern, die seit Jahren auf bessere Preise warten?


Hein: 2017 haben wir überdurchschnittlich gut ausgezahlt. 2018 lagen wir etwa auf Höhe des Bundesschnitts und 2019 tatsächlich darunter. Allerdings spiegeln einige Milchpreisvergleiche den wirklichen DMK-Preis nicht wider. Zum Beispiel zahlen wir einem Großteil der Landwirte einen Cent GVO-Zuschlag, der beispielsweise im top agrar-Milchpreisbarometer nicht ausgewiesen ist (Anmerkung der Redaktion: Das top agrar-Milchpreisbarometer weist nur die Zu- und Abschläge aus, die mehr als 80% der Lieferanten erhalten). Auch Staffelung und Milkmasterbonus machen einen Cent/kg aus, für manche sogar mehr. Außerdem haben wir die Korrekturfaktoren angepasst.


Was heißt das konkret?


Hein: Das heißt, dass Betriebe, die Milch mit Inhaltsstoffen über dem Korrekturfaktor 4,0% für Fett und 3,4% für Eiweiß liefern, bei uns deutlich besser fahren. Denn wir bezahlen den Lieferanten, die bei 4,1 oder 4,2% Fett liegen, einen deutlich höheren Milchpreis als bei einem Fettgehalt von 3,9%. Das ist fair und muss bei der Diskussion um die Milchpreise berücksichtigt werden.


Am Ende zählt nicht irgendein Milchpreisvergleich, sondern das, was beim Landwirt auf der Milchgeldabrechnung steht. Die Grundpreise sind schlecht vergleichbar.


Trotzdem hat das DMK für 2020 generell bessere Preise angekündigt. Bleiben Sie dabei?


Hein: Die Projekte, die uns 2019 noch Geld gekostet haben, haben wir im Wesentlichen abgearbeitet. Das war beispielsweise der Bau des neuen Produktionswerks für Babynahrung in Strückhausen. Nach vorne hin ist das aber ein strategischer Wertschöpfungshebel. Denn Babynahrung produzieren nur ganz wenige Molkereien in Europa. Außerdem haben wir den Milchmengenverlust Ende 2018 mit Werksschließungen und Werklohnmodellen kompensiert.


Das heißt, trotz der vielen 2016 eingegangenen Kündigungen verarbeiten wir heute nicht erheblich weniger Milch. Auch im Eisbereich haben wir uns deutlich restukturiert und die Prozesse optimiert. Aktuell gehen wir davon aus, dass wir unser selbst gestecktes Ziel, nämlich auf Niveau unserer Vergleichsmolkereien auszuzahlen, erreichen. Welche Auswirkungen die Coronakrise auf die Preisentwicklung der gesamten Branche hat, ist zurzeit allerdings noch schwer vorherzusagen.


Wäre es für Sie eine Option, den DMK-Lieferanten Festpreise anzubieten, um mehr Ruhe in die Milchpreisdiskussionen zu bekommen?


Hein: Einige Landwirte haben den Wunsch geäußert, an der Börse tätig zu werden, um Risiken und Volatilitäten abzufedern. Von einem Modell, bei dem unsere Milcherzeuger selbst an der Börse handeln, haben wir uns allerdings schnell verabschiedet. Stattdessen haben wir im vergangenen Jahr eine Pilotphase mit 30 Betrieben für ein möglichst einfaches Festpreismodell gestartet. Die Testphase ist zwar noch nicht beendet, allerdings sind wir uns schon jetzt sicher, dass wir dieses Modell allen Landwirten zur Verfügung stellen möchten.


Wie genau funktioniert das DMK-Festpreismodell?


Hein: Wir geben zweimal im Monat einen Festpreis raus, der sich aus den Butter- und Pulvernotierungen der EEX Leipzig zusammensetzt. Diesen kann sich der Milcherzeuger für die nächsten zwölf Monate für eine selbst bestimmte Milchmenge als Grundpreis absichern. Allerdings sind die ersten zwei Folgemonate des Handelsdatums nicht absicherbar, sie liegen zu nah am aktuellen Marktgeschehen. Für die Börsengeschäfte sichern wir die Liquidität. Um mal einen Orientierungswert zu nennen: Pro 100 Mio. kg abgesicherter Milch sind etwa 10 Mio. € Liquidität erforderlich. Der Finanzierungsaufwand ist also nicht unerheblich.


Wirkt sich die Bereitstellung des Geldes negativ auf den Auszahlungspreis der Landwirte aus, die nicht absichern?


Hein: Nein. Wir haben das System bewusst so aufgesetzt, dass das nicht passieren kann.


Was muss ich als Landwirt tun?


Hein: Wir haben pro Monat zwei Tage festgelegt, an denen wir handeln. Der Landwirt muss zu diesem Zeitpunkt entscheiden, ob und wie viel Menge er zu dem möglichen Preis absichern möchte. Insgesamt könnten die Milcherzeuger 30% ihrer Gesamtmenge über uns an der Börse absichern.


Wir bündeln die Mengen, gehen über einen sogenannten Broker an die Börse und platzieren die Menge. Ein paar Tage später erhält der Landwirt eine Bestätigung, ob seine Menge abgesichert ist oder möglicherweise nur ein Teil an der Börse platziert werden konnte. Auf der Milchgeldabrechnung stehen dann sowohl die abgesicherten Preise und Mengen als auch der „normale“ Molkereimilchpreis.


Wann soll das Festpreismodell für alle Landwirte zur Verfügung stehen?


Hein: Wann genau wir mit dem System starten, steht zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht fest. Das Corona-Geschehen hat auch hier den Zeitplan beeinflusst. Vor dem Start ist aber erstmal wichtig, die Landwirte zu informieren. Sie müssen wissen, wie das System funktioniert und was sie dort tun. Mit dem Festpreismodell entscheiden sie selbst über den Verkauf ihrer Milch.


Ist eine bestimmte Betriebsgröße oder Milchliefermenge erforderlich, um an dem Programm teilzunehmen? Empfehlen Sie die Festpreisabsicherung allen Betrieben?


Hein: Eine bestimmte Betriebsgröße haben wir nicht festgelegt. Wer sich mit Festpreisen beschäftigt, muss die Marktentwicklungen allerdings stets im Blick haben. Dazu stellen wir den teilnehmenden Betrieben nötige Informationen zur Verfügung. Wir gehen davon aus, dass nicht alle Mitglieder die Möglichkeit der Preisabsicherung nutzen. Aber wir sind sicher, dass ein Festpreismodell allemal besser ist als die Diskussionen um den Artikel 148 der gemeinsamen Marktorganisation.


Sie sind also dagegen, dass der Artikel 148 greift?


Hein: Ich bin inzwischen so weit zu sagen, dass es vollkommen egal ist, ob der Artikel greift oder nicht. Das Ganze ist eine Scheindiskussion, die wir so auch nur aus Deutschland kennen. Ich bin überzeugt, dass sich der Milchpreis durch die Aktivierung des Art. 148 nicht ändert. Milchpreise entstehen am Markt. Sie werden durch die Gestaltung von komplizierten Verträgen zwischen Landwirt und Molkerei nicht besser.


Was sagen Ihre Mitglieder zu dieser Einstellung?


Hein: Wir haben die Themen Mengenregulierung und Preisfestsetzung intensiv mit unseren Mitgliedern diskutiert. Mehr als 90% haben sich dagegen ausgesprochen. Für mich ist das eine klare demokratische Entscheidung einer Genossenschaft.


Wir legen die Regelungen im Sinne der Mitglieder selbst fest. Von noch mehr Regelungen durch den Gesetzgeber ändert sich der Markt nicht und es gibt auch nicht mehr Geld. Vielmehr führt es zu mehr Komplexität. Die Kontrolle der Einhaltung wäre zudem ein großer Verwaltungsaufwand für die einzelnen Länder.


Wir haben bereits eine Milchpreisvorankündigung, eine umfangreiche Milchmengenplanung sowie eine veränderte Andienungsverpflichtung. Das heißt, wenn ein Lieferant heute kündigt, kann er entscheiden, ob er noch ein Jahr oder zwei Jahre liefern will.


Gerüchten zufolge hat das DMK Ende 2019 wieder erhebliche Mengen Milch verloren. Stimmt das?


Hein: Ende 2019 haben wir etwa 140 Mio. kg Milch verloren. Allerdings haben wir parallel in 2019 auch 60 Mio. kg hinzugewonnen.


Wie begründen sich die Milchzu- und abgänge?


Hein: Besonders in einigen Regionen in Ostdeutschland leiden Milcherzeuger darunter, dass ihre Molkereien nicht pünktlich zahlen. Diese Milchviehhalter kommen jetzt zu uns.


Im Nord-Osten konnten wir den höchsten Milchzugang verzeichnen, teilweise auch in Nordrhein-Westfalen. Wir haben allerdings auch Kündigungen im einstelligen Prozentbereich hinnehmen müssen. Einen Teil davon machen Hofaufgaben aus.


Apropos Hofaufgaben: Im vergangenen Jahr stand das DMK insbesondere bei ehemaligen Lieferanten wegen der Milkmaster-Nachaudits in der Kritik. Angeblich wurden einige Betriebe dazu aufgefordert, die gesamte Bonuszahlung innerhalb von sieben Tagen zurückzuzahlen. Was war da los?


Hein: Die Höhe des ehemaligen Milkmasterbonus beruhte auf der Selbsteinschätzung der Landwirte. Die Betriebe haben mit der Teilnahme am Milkmasterprogramm Geld bekommen und sich gleichzeitig verpflichtet, Audits durchführen zu lassen. Die Nachaudits standen noch bei einigen ehemaligen Mitgliedern aus, die die Durchführung bisher verweigert hatten.


Wir finden es nicht fair, wenn diese Betriebe das Geld ohne Kontrolle kassieren. Nach mehreren Aufforderungen waren wir Ende 2019 gezwungen, diesen Betrieben eine Frist zu setzen und haben angekündigt, im Extremfall auch gerichtlich vorzugehen.


Um wie viele Betriebe handelt es sich?


Hein: Es sind weniger als ein Prozent der DMK-Mitglieder. Wir hoffen, dass wir uns mit diesen noch außergerichtlich einigen können.


Seit Anfang des Jahres gibt es das überarbeitete Milkmasterprogramm und die Online-Plattform „myMilk“ löste den Webmelker ab. Was ist neu und welche Vorteile ergeben sich daraus?


Hein: Wir verzichten komplett auf externe Audits und halten uns stattdessen an die Audit-Zyklen von QM-Milch. Außerdem haben wir die Kriterien deutlich reduziert und Komplexität rausgenommen. Beispielsweise gibt es keine Punkte mehr für Laufstallhaltung oder sachgerechte Futterlagerung. Es handelt sich jetzt im Wesentlichen um vier Kriterien, die der Landwirt digital nachweisen kann. Zum Beispiel müssen die Milcherzeuger das tierärztliche Betreuungsprotokoll hochladen. Neu ist auch das Entlohnungsmodell für Weidegang.


Wie sieht das aus?


Hein: Milcherzeuger, die Weidegang praktizieren, betreiben jetzt keine Zettelwirtschaft mehr, sondern tragen alle 14 Tage die Weidezeiten in ein elektronisches Weidetagebuch ein.


Die Entlohnung erfolgt dann monatlich über die gemachten Angaben?


Hein: Den Gesamtbonus zahlen wir mit der letzten Milchgeldabrechnung des Jahres aus. Erst dann können wir sicherstellen, dass die erforderlichen Weidezeiten tatsächlich eingehalten wurden. Da Weidegang regional sehr unterschiedlich angeboten wird, haben wir ein zweistufiges Entlohnungsmodell mit 0,1 ct/kg für Vollweide mit 120 Tagen à sechs Stunden Weidegang und 0,05 ct/kg für Teilweidegang entwickelt.


Nach Aussagen der Milcherzeuger kommt es bei „myMilk“ immer wieder zu Browserproblemen. Wie gehen Sie damit um?


Hein: Das stimmt. Um die dazu eingehenden Fragen zu beantworten, haben wir eine Servicehotline installiert, an die sich Landwirte bei Fragen und Problemen wenden können. Inzwischen arbeiten aber mehr als 90% unserer Landwirte mit „myMilk“.


Wir sind überzeugt, dass wir uns mit der Plattform gut für die Zukunft aufgestellt haben und hier mit einem modernen Programm arbeiten. Gerade jetzt in Zeiten von Corona zeigen sich die Vorteile: Unsere Landwirte können sich aktuell über die wichtigsten Entwicklungen informieren. Die Digitalisierung voranzubringen ist auch wichtig, um wettbewerbsfähig zu bleiben.


Neuerdings steht das DMK auch Milchalternativen offen gegenüber. Ebenfalls aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit?


Hein: Ja, unter anderem. Wir orientieren uns aber auch stark an den Verbraucherwünschen und wollen das verkaufen, was gefragt ist. Deshalb stellen wir uns dem Trend der pflanzlichen Milchalternativen. In diesem Jahr gehen wir beispielsweise mit unserem Milram Kalder Kaffee mit Milch und Hafer in die Märkte.


Machen Sie sich damit nicht selbst Konkurrenz?


Hein: Nein, vielmehr ergänzen wir unser Sortiment. Wir sehen darin großes Wertschöpfungspotenzial. Wenn wir nicht selbst handeln, überlassen wir das Feld den anderen. Ich kann aber versichern, dass Milch unser Rohstoff Nummer eins bleibt.


Wie reagieren Ihre Landwirte?


Hein: Einige Mitglieder sehen das kritisch. Dennoch wollen wir den Markttrend aufgreifen. Der Erlös wirkt sich am Ende sogar positiv auf den Milchpreis aus.


Sind die Produkte aus Milchalternativen die Antwort des DMK auf die Verbraucherforderungen nach mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit?


Hein: In erster Linie geben wir den Kunden mit unserem Milkmasterprogramm eine Antwort auf gesellschaftliche Fragen, dokumentieren Entwicklungen und schaffen Transparenz. Mit unserer sogenannten Vision 2030 betreiben wir zurzeit einen Umbauprozess, um uns dem Wandel der Kundenwünsche anzupassen. Dabei geht es immer um Wertschöpfung im Sinne unserer Mitglieder.


Das Image der Kuhmilch zu pushen, ist ein in der Sektorstrategie 2030 verkündetes Ziel. Wie präsent sind die Ergebnisse und Zielsetzungen der Branchenvereinbarung in Ihrem Alltagsgeschäft?


Hein: Da wir über unseren CEO Ingo Müller das Projekt mit initiiert haben, treiben wir die Sektorstrategie voran. Aktuell ist die Branchenkommunikation das zentrale Thema, an dem alle Beteiligten intensiv arbeiten. Unser Leiter der Kommunikationsabteilung, Oliver Bartelt, ist Vorsitzender des Kommunikationsausschusses der Strategie 2030 und gestaltet das für uns alternativlose Projekt mit. Wir brauchen als Branche die Lizenz der Gesellschaft, um arbeiten und produzieren zu können.


In der aktuellen Situation rund um das Coronavirus zeigt sich gleichzeitig deutlich, wie wichtig die Landwirtschaft für die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln ist.


In Deutschland findet die Milcherzeugung unter vergleichsweise hohen Standards statt. Wie stehen Sie zu einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung?


Hein: Eine grundsätzlich verpflichtende Herkunftskennzeichnung lehnen wir ab. Denn das Modell Europa basiert auf einem freien Binnenmarkt. Außerdem sind wir eine Milchexportnation und würden uns damit keinen Gefallen tun.


Widerspricht das nicht dem Ziel des neuen QM-Standards, der ja auch in der Sektorstrategie verankert ist? Es heißt, man wolle den Handel als Partner gewinnen und veranlassen, dass importierte Milch nach den gleichen Standards produziert sein muss wie in Deutschland.


Hein: Zunächst einmal begrüßen wir, dass sich der Handel dazu mit uns an einen Tisch setzt. Für uns ist wichtig, dass unsere Landwirte für zusätzliche Anforderungen honoriert werden. Mit der Diskussion über die Herkunftskennzeichnung haben wir aber noch nicht begonnen und stehen da noch ganz am Anfang.


Wie schätzen Sie die Zukunft der deutschen Milchwirtschaft ein?


Hein: Deutschland ist ein wettbewerbsfähiger Standort. Wir haben gut ausgebildete, junge Betriebsleiter und alles, um dauerhaft profitabel Milch produzieren zu können. Wir als Molkerei unterstützen die Wertschöpfung der Milch. Dabei sehe ich mich als Bindeglied zwischen den Landwirten und dem DMK.


kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com


kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com


Stand des Interviews: 31. März 2020

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