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„DMK wird schlanker und effizienter“

Lesezeit: 9 Minuten

Der neue Chef Ingo Müller baut das Deutsche Milchkontor (DMK)komplett um. Die Leistungsfähigkeit soll deutlich steigen.


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Herr Müller, seit 1. Oktober haben Sie den unbequemsten Job in der deutschen Molkereiwirtschaft. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?


Müller: Es sind mehrere Punkte. Ich habe einen großen Teil meines Berufsweges in diesem Unternehmen absolviert, auch in verantwortlichen Positionen, ich kenne die Strukturen im Detail. Außerdem glaube ich an den Erfolg der Genossenschafts-Idee in der Milchwirtschaft. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir DMK noch deutlich voranbringen können.


DMK hat im Sommer mit einem Milchpreis von 20 Cent einen Tiefpunkt erlebt. Im Oktober steigt Ihr Preis überraschend stark um 3 Cent. Ist das Geld tatsächlich erwirtschaftet oder gehen Sie finanziell in Vorleistung, weil der Wettbewerb Sie zwingt?


Müller: Das Milchgeld ist erwirtschaftet. Wir zahlen im Oktober 26 Cent und legen im November und Dezember noch deutlich zu.


Wie ist Ihre Prognose für das erste Halbjahr 2017?


Müller: Die aktuellen Preisabschlüsse sind recht positiv und werden schnell bei den Bauern ankommen. Im ersten Halbjahr erwarte ich bundesweit einen Auszahlungspreis über 30 Cent. Wenn die Marktsituation bis zum Produktionshoch im Mai stabil bleibt, werden wir auch im zweiten Halbjahr 2017 eine positive Entwicklung sehen.


Viele Milcherzeuger schöpfen derzeit neue Hoffnung und viele werden auch wieder Gas geben. Spüren Sie das bereits bei der Milchablieferung?


Müller: Nein. Aktuell sinkt bei DMK das Milchaufkommen noch. Im September hatten wir gegenüber dem Vorjahresmonat einen Rückgang von 8 %. Die Betriebe bremsen deutlich. Der Strukturwandel hat sich in unserem Einzugsgebiet verdoppelt.


Bei der Beurteilung der Marktlage müssen wir realistisch bleiben. Denn wir sehen weltweit keine nennenswerte Änderung der Nachfrage. Keine Veränderung in Russland, in China oder bei den Erdöl exportierenden Ländern. Die aktuelle Entspannung am Markt beruht vorwiegend auf dem Rückgang der Milchproduktion und auf der EU-Intervention von Milchpulver. Brüssel hat so über 3 Mrd. kg Milch vom Markt genommen.


Wegen der Milchpreiskrise haben bei DMK viele Mitglieder gekündigt. Die Rede ist von 500 bis 800 Mio. kg Milch. Ist die Auslastung der Werke noch gewährleistet – oder müssen Sie Werke schließen?


Müller: Tatsächlich sind rund 600 Mio. kg Milch gekündigt, der größte Brocken davon zu Ende 2017. Wenn die Kündigungen nicht zurückgenommen werden, müssen wir natürlich reagieren. Bis 100 Mio. kg kann man eine Verarbeitungslinie abschalten. Bei 500 Mio. kg geht es um ein komplettes Werk. Aber soweit sind wir noch nicht. Wir sind davon überzeugt, dass wir einen großen Teil der Kündiger halten können. In neun Mitgliederversammlungen werden wir unseren neuen Maßnahmenplan erläutern und in 2017 wollen wir verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.


Seit einem Jahr arbeitet DMK mit einem Kostensenkungsprogramm, das 60 Mio. Euro einsparen soll. Das bringt allenfalls 1 Cent Milchgeld. Der Standort Nürnberg wird geschlossen, Coesfeld wird verkauft, und in Everswinkel planen Sie für 2017 eine Teilschließung der Verwaltung. Weiter sollen 250 Arbeitsplätze abgebaut werden.


Müller: Nunmal der Reihe nach: Wir arbeiten fortlaufend an der Senkung der Kosten, der Optimierung der Werke, der Steigerung der Wertschöpfung und dem Aufbau von Exportmärkten. Parallel dazu ist die Eigenkapitalquote auf rund 37% gestiegen. Zum Thema gehört aber auch: Von 2012 bis 2015 haben wir 500 Mio. Euro in neue Verarbeitungskapazitäten und Märkte investiert, insbesondere in Zeven, Georgsmarienhütte und in Erfurt. Das sind Investitionen in die Zukunft des Unternehmens. Mit moderneren Anlagen und der effizienteren Organisation können wir jetzt weitere und dauerhafte Einsparungen und Personaloptimierungen erreichen.


Die Bauern wollen aber aktuell keine Türme im fernen China, sondern mehr Milchgeld auf den Höfen.


Müller: Ich kenne diese Sorgen. Auch FrieslandCampina hatte diese Diskussionen in den 70er- und 80er-Jahren, als sie verstärkt in die Auslandsmärkte investiert haben. Und heute staunen alle, dass sie bessere Preise zahlen können, weil sie das Milchgeld auf den Auslandsmärkten verdienen.


Sie haben in den letzten Jahren nicht nur investiert, sondern auch die Zahl der Mitarbeiter gesteigert. Fließt da zu viel Milchgeld ab?


Müller: Die Personalentwicklung ist keine direkte Folge der Fusion von Nordmilch/Humana und der Neuorientierung des Unternehmens. Wir haben Tochtergesellschaften und Firmenübernahmen konsolidiert. Bezogen auf die Produktion des gesamten Konzerns waren vorher sogar mehr Arbeitsplätze vorhanden.


Nun zu Ihrer neuen Unternehmensstruktur. Was ist konkret geplant? Was soll es bringen?


Müller: Stark vereinfacht gliedern wir das Unternehmen in sechs Geschäftsbereiche: Handelsware, Markenware, Industrieware, Eiscreme, Babynahrung und Internationales Geschäft. So ähnlich kennen Sie das auch von unseren europäischen Nachbarn oder von anderen erfolgreichen Unternehmen. Die sechs Geschäftsbereiche erhalten mehr Eigenständigkeit und mehr Verantwortung, was ihre Effizienz deutlich steigern wird. Keiner geht dann mehr in dem Großunternehmen unter oder muss fortlaufend Rücksicht auf andere Bereiche nehmen. Es kann sich auch keiner mehr hinter dem anderen verstecken.


Klartext: Der Hebel ist nicht die Reduzierung von Arbeitsplätzen, sondern die Effizienzsteigerung in den sechs Geschäftsbereichen. Alle sechs Bereiche müssen sich in den Benchmarks mit anderen Unternehmen messen. Wenn es nicht passt, kann schneller umgesteuert werden.


Die Gewerkschaft hat gegen den Stellenabbau bereits energischen Widerstand angekündigt. Wie groß ist eigentlich der Einfluss der Gewerkschaften bzw. des Betriebsrates auf die Unternehmensführung? Werden in der GmbH noch die Interessen der Eigentümer durchgesetzt, wie in einer reinen Genossenschaft?


Müller: Ich kenne die Ängste einiger Bauern, kann sie jedoch absolut nicht bestätigen. Der Aufsichtsrat der DMK GmbH ist paritätisch besetzt, 50% Eigentümer und 50% Arbeitnehmervertreter. Der Vorsitzende ist immer ein Landwirt und hat bei Stimmen-gleichheit doppeltes Stimmrecht. Bei strittigen Fragen entscheidet demnach immer ein Bauer. In der Vergangenheit wurden die Vorschläge der Eigentümer immer umgesetzt.


DMK hätte eigentlich genug Milch zu bewältigen. Dennoch haben Sie jetzt mit dem Käsespezialisten DOC Kaas in Hoogeveen (Holland) fusioniert. Das ist eine weitere Milliarde kg Milch, die Sie unterbringen müssen.


Müller: Für die Fusion sprechen mehrere Gründe. DOC Kaas hat ein nagelneues Käsewerk und ist stark in der Produktion von naturgereiftem Käse. Der Markenartikel „Original holländischer Käse“ ist gut für das Image und die Preise. Bei der Produktion von Weidemilch-Käse sind sie uns voraus. Die bestehenden Strukturen und Kapazitäten kommen jetzt beiden Unternehmen zugute, ohne zusätzlich investieren zu müssen. Und schließlich gibt es Synergieeffekte beim gemeinsamen Einkauf und Vertrieb.


Zusätzlich haben sich kürzlich bei dem Käsewerk RichArt in Russland eingekauft. Was bringt diese Investition ihren Bauern?


Müller: Auch das ist eine Investition in den Zukunftsmarkt Russland. RichArt ist ein Unternehmen im Gebiet Woronesch, südlich von Moskau, und gilt als professioneller und zuverlässiger Partner. Wir haben uns an der Käseproduktion mit gut 50% beteiligt, damit wir bei einer Öffnung der Märkte wieder schneller ins Geschäft kommen.


Wenn man in Auslandsmärkten nachhaltig Erfolg erzielen will, muss man vor Ort präsent sein, dort Arbeitsplätze schaffen – und es muss auch etwas im Land bleiben. Man braucht eigene Mitarbeiter, spezielle Marktkenntnisse und eine gute Vernetzung im Land. Wenn der Vertrieb nur über Dritte läuft, bleibt die Wertschöpfung dort hängen. Das ist keine neue Erkenntnis, aber man braucht sehr viel Zeit, bis man einen passenden Partner findet.


Ihr Exportanteil liegt bei 40%. Der größte Teil davon bleibt in der EU, der Drittlandsexport stagniert bei 8%. Andere Molkereien sind da wesentlich erfolgreicher.


Müller: Die realen Märkte laufen manchmal anders als die Prognosen. Seit 18 Monaten verdienen wir mit Standardprodukten in Drittlandsmärkten kaum Geld. In China z.B. ist die Nachfrage nach einfachem Milchpulver deutlich zurückgegangen, dafür verzeichnen wir Zuwächse bei Produkten der Marke Oldenburger.


DMK hat vor Jahren eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung aufgebaut. Doch von neuen Produkten hört man wenig. Sie haben zwar viele Marken, aber keine starken. Und 8 Mio. Euro Werbeaufwand pro Jahr reißen niemanden vom Hocker.


Müller: Wir konzentrieren uns auf drei Marken. Die Dachmarke Milram, die Regionalmarke Osterland und die Exportmarke Oldenburger. Forschung und Entwicklung konzentrieren sich auf technologische Verbesserungen, also auf die Weiterentwicklung von Verarbeitungsprozessen und Spezialprodukten für Lebensmittelhersteller.


Ein aktueller Trend in der Milchwirtschaft ist die Produktdifferenzierung. Molkereien und Handel experimentieren mit GVO-freier Milch, Bio, Regional, Weidemilch, Heumilch, Lactosefrei – und neuerdings sogar mit veganen Produkten. Wie flexibel reagiert ein Konzern auf solche aktuellen Trends?


Müller: Interessante Trends. Aber schauen Sie genau hin, wo wirklich Geld verdient wird, was bei den Bauern tatsächlich ankommt. Die Produktdifferenzierung führt auch zu höheren Kosten bei den Bauern und Molkereien.


GVO-frei haben wir bei Babynahrung seit Jahren. Bei weiteren Produkten sind wir mit dem Handel in intensiven Gesprächen. Regionalmarken ebenfalls. Bio liegt in der Schublade. Weidemilch-Käse produzieren wir erfolgreich bei DOC Kaas in Holland.


In der Milchbranche wird heiß diskutiert über die Änderung der Lieferbeziehungen: Verkürzung der Kündigungsfristen, Aufhebung der Andienungspflicht. Auch über die Mengensteuerung, z.B. A/B-Preise. Ihre Vertreterversammlung lehnte alle Punkte mit großer Mehrheit ab. Müssen die großen Unternehmen beweglicher werden?


Müller: Wir sind eine Genossenschaft, mit allen Rechten und Pflichten. Die Mitglieder entscheiden und haben auch in diesem Fall entschieden.


Auch beim Thema Milchpreis-Absicherung ist DMK zurückhaltender als andere Unternehmen. Ihr Nachbar Ammerland will die Börsenabsicherung für die Mitglieder abwickeln, Hochland will sich zumindest als Unternehmen an der Börse absichern.


Müller: Ganz im Gegenteil! Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Thema Preisabsicherung. Seit Mai haben wir bereits Seminare zum Thema Milchpreisabsicherung für unsere Milcherzeuger mit Unterstützung externer Spezialisten durchgeführt. Daran haben bereits viele Milcherzeuger teilgenommen. Uns ist es wichtig, dass die Milcherzeuger die Zusammenhänge der Preisabsicherung verstehen. Weitere Seminare sollen folgen. Außerdem sichern wir als Unternehmen seit Juli einzelne Geschäfte über die Warenterminbörse ab. Auch mit Konzepten zur Milchpreisabsicherung für unsere Mitglieder setzen wir uns aktiv auseinander.


Ein Blick nach vorn: Ihre Bauern fordern mehr Milchgeld, doch Sie investieren fleißig weiter. Wann kommt die nächste Fusion?


Müller: Die vorerst letzte große Investition sind rund 100 Mio. Euro in den Aufbau der Babynahrungs-Produktion in Strückhausen. Produktionsbeginn ist 2018. Das Werk Herford, wo wir bisher unsere Babynahrung produzieren, geht vollständig an Hipp. Diese Investition ist sinnvoll, denn der Markt für Babynahrung wächst weltweit, weil die Einkommen in den Schwellenländern wachsen.


Fusionen im Bereich der Standardprodukte wird es absehbar nicht mehr geben. Unsere Landwirte haben erhebliche Vorleistungen in die deutsche Molkereistruktur erbracht. Jetzt ist es die Aufgabe von anderen, ebenfalls etwas zu tun.


Wir richten all unsere Energie auf die Effizienzsteigerung des Unternehmens und somit auf einen wettbewerbsfähigen Auszahlungspreis für unsere Milcherzeuger.


Das Interview führte top agrar-Chefredakteur Berthold Achler.

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