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Es liegt in der Familie

Lesezeit: 6 Minuten

Steckt in der Zucht nach Kuhfamilien ein unterschätztes Potenzial? Eine Praxisauswertung zeigt, wie groß die Leistungs- und Gesundheitsunterschiede verschiedener Familien eines Betriebes sind.


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Viele Milchviehhalter kennen das Gefühl: Wenn die Mutter schon immer Probleme mit den Klauen hat, dann hat die Tochter das oft auch. Dennoch legen viele Betriebe bei der Zucht meist ausschließlich einen starken Fokus auf die Bullenauswahl.


Aber auch die weibliche Seite hat einen wichtigen Anteil. Denn für die Vererbung der funktionalen Merkmale sind ihre Erbanlagen wichtiger als oft gedacht: Die Mitochondrien, die sogenannten Kraftwerke der Zelle, werden nahezu ausschließlich über die Eizelle und damit über die Mutter vererbt. Aktuell läuft z.B. an verschiedenen Institutionen ein Forschungsprojekt, welches untersucht, wie groß genau der Einfluss der Mitochondrien auf die Stoffwechselstabilität von Milchkühen ist. Milcherzeuger Stefan Freuen hat sich daher gefragt, ob für ihn der Weg der Zucht mit einem Augenmerk auf Kuhfamilien der bessere wäre.


Um das zu klären, hat er jahrelang Daten erfasst und zusammen mit der Uni Gießen ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, welche Unterschiede in Leistung und Gesundheit zwischen den Tieren verschiedener Kuhfamilien auf seinem Betrieb bestehen.


Bis zu 16 Generationen Zurückverfolgt


Der Milchviehbetrieb FNS Milch GbR in Weinsheim (Rheinland-Pfalz) hält 220 Holsteinkühe mit Nachzucht. Die Herde hat eine Milchleistung von 11200 kg pro Kuh und Jahr und eine Lebensleistung von 36563 kg pro Kuh.


Für die Auswertung der Kuhfamilien hat der Betriebsleiter im Zeitraum von mehr als 20 Jahren (1997 bis 2018) folgende Daten aus dem Herdenmanagementprogramm entnommen: Geburtsjahr, Kuhfamilie, Erstkalbealter (EKA), Lebensleistung, Lebenstagsleistung, alle dokumentierten Klauen- und Gliedmaßen-, Stoffwechsel- und Eutererkrankungen sowie Fruchtbarkeitsstörungen und Abgangsursachen.


Die familiäre Herkunft eines jeden Tieres wurde bis zu 16 Generationen zurückverfolgt. Die jeweils älteste bekannte Kuh gilt als Ursprung der Linie und ist im Herdenmanagementprogramm bei all ihren Nachkommen hinterlegt. Für die Zuordnung zur Familie war ausschließlich die mütterliche Seite entscheidend.


Um genügend Aussagekraft zu garantieren, flossen nur Familien mit ausreichend Daten in die Bewertung ein. Für die Leistungs- und Gesundheitsdaten musste der Kuhstamm mindestens 20 Nachkommen (insgesamt 416 Kühe) haben. Für die Analyse zur Ketose-Häufigkeit standen mindestens 30 Nachkommen je Linie (insgesamt 557 Kühe) zur Verfügung.


Die Bezeichnung der Kuhfamilien (F1-3, S1-2 usw.) bezieht sich auf die Ursprungsbetriebe der FNS Milch GbR. Der mit N gekennzeichnete Betrieb Ney war schon in den 70ern ein Laufstallbetrieb, die beiden anderen Betriebe Freuen und Serwas haben vor dem Zusammenschluss in Anbindung gemolken. Die anschließenden Zahlen kennzeichnen die fortlaufenden Kuhfamilien je Betrieb.


Für die Bullenanpaarung nutzt Betriebsleiter Stefan Freuen das Tripel-A-System. Er setzt nur nachkommengeprüfte bzw. keine genomisch getesteten Jungbullen ein.


Erstkalbealter


Die Auswertungen zeigen, dass es in verschiedenen Punkten teils immense Unterschiede bei den Kuhfamilien gibt. Zwischen den ausgewerteten 13 Familien mit insgesamt 416 Tieren gab es beispielsweise deutliche Differenzen im ermittelten Erstkalbealter (Übersicht 1).


Die Kühe der Familie S1 hatten mit durchschnittlich 709 Tagen das geringste Erstkalbealter. Demgegenüber war das Erstkalbealter bei Kühen der Familie N1 mit im Mittel 786 Tagen das höchste auf dem Betrieb. ▶


Beachten muss man über die Jahre auch verbesserte Bedingungen auf dem Hof: So wirkten sich unter anderem ein neuer Kälberstall und eine veränderte Fütterung positiv auf die Senkung des EKA aus. Aber die Nachkommen der einzelnen Familien waren über die Jahre hinweg annähernd gleich verteilt.


Leistung


Zwischen den einzelnen Kuhfamilien gibt es deutliche Unterschiede in der Lebensleistung. Während die Kühe der Familie N8 im Mittel die geringste Lebensleistung von 27132 kg Milch erreichten, erzielten die Angehörigen der Kuhfamilie N1 eine durchschnittliche Leistung von 36462 kg Milch und sind damit in diesem Punkt am besten.


Da die Kühe eine unterschiedliche Aufzuchtdauer bis zur ersten Kalbung und eine unterschiedlich lange Nutzungsdauer aufweisen können, ist die Lebenstagsleistung (kg Milch/Tag) der exaktere Vergleichsmaßstab (Übersicht 2) als die Lebensleistung. Hierbei rangierten die Kühe der Familie N6 auf dem ersten Platz mit der höchsten mittleren Lebenstagsleistung (15,8 kg Milch). Die Vertreterinnen der Kuhfamilie N3 hatten mit 13,1 kg die niedrigste Lebenstagsleistung. Die Familie N1 liegt auf dem zweiten Platz.


Krankheiten


Da Freuen über den gesamten Auswertungszeitraum eine Dokumentation sämtlicher Behandlungen geführt hat, kann er auch Aussagen über die Häufigkeit von Stoffwechsel- oder Eutererkrankungen je Kuhfamilie treffen. Dabei hat er in einmal und mehrmals behandelte Kühe unterschieden. Die Kühe der Familie N8 besaßen mit knapp 42% wegen einer Stoffwechselerkrankung behandelter Tiere die geringste Quote. Dagegen hatten die Kühe der Linie S2 mit 75% den höchsten Anteil erkrankter Tiere (Übersicht 3). Es gab eine Kuhfamilie (F3), in der alle Nachkommen, die Stoffwechselprobleme hatten, auch mehr als einmal behandelt wurden.


Auf einem deutlich höheren Niveau lag der Anteil der wegen einer Eutererkrankung behandelten Kühe. Wieder waren es die Kühe der Familie N8, die den niedrigsten Prozentsatz hatten (rund 72%). Diese Tiere besaßen auch die mit Abstand geringste Häufigkeit mehrmals behandelter Kühe (44,4%). Die diesbezüglich höchste Quote hatten die Kühe der Familie N6 mit 75,9%. Insgesamt mussten die Landwirte in der Familie F1 fast 95% der Kühe wegen einer Mastitis behandeln.


Bedingt durch den geringen Stichprobenumfang je Kuhfamilie ließen sich die Differenzen nicht statistisch sichern und sind daher als Tendenzen zu bewerten.


Insgesamt 557 Kühe gingen in die Analyse der Ketosehäufigkeit je Familie ein (Übersicht 4). Der Prozentsatz betroffener Kühe unterschied sich zwischen den Familien um den Faktor drei. Die niedrigste Häufigkeit hatte die Kuhfamilie N7 mit 11,1%, die höchste die Familie N9 mit 33,3%.


Die besten Familien Bleiben


Fakt ist, manche Kuhfamilien scheinen sich besser als andere für den Betrieb zu bewähren. Um die Erkenntnisse aus Lebensleistung und Lebenstagsleistung auf der einen und alle aufgetretenen Krankheiten auf der anderen Seite zu verknüpfen, hat der Betriebsleiter ein eigenes Bewertungsschema entwickelt: Freuen hat dazu alle Krankheiten mit den durchschnittlich angefallenen Tierarztkosten monetär bewertet. Eine Coli-Mastitis führt z.B. in seinem Betrieb zu Behandlungskosten von im Schnitt 250 € je Tier. Bei einem Grenzgewinn von etwa 8 Cent je kg Milch muss die Kuh 3125 kg Milch mehr liefern, um die krankheitsbedingten Ertragsausfälle zu kompensieren. Hinzu kommt der Verlust an Sperrmilch (bei Coli-Mastitis elf Tage à 30 kg Milch = 330 kg). Deshalb zieht Freuen bei dieser Kuh das finanzielle Äquivalent in der Höhe von 3455 kg Milch von der Lebensleistung ab. Im Ergebnis entstand für jedes Tier eine korrigierte Lebensleistung und Lebenstagsleistung.


Auf dieser Basis führte der Betrieb erneut ein Ranking der Kuhfamilien durch. Vormals leistungsfähige Kuhfamilien mussten ihre vorderen Plätze an vermeintlich schwächere, aber gesündere Tiere abtreten. Auf dieser Basis hat Freuen sieben Kuhfamilien ausgewählt: S2, F2, F3, N5, N6, N7 und N8. Nur noch mit diesen will er seinen Bestand ergänzen.


julia.hufelschulte@topagrar.com

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