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Eutergesundheit: Ruhiger Umgang zahlt sich aus

Lesezeit: 7 Minuten

Gesunde Euter sind nicht nur Folge eines hygienischen Melkvorgangs und guter Haltungsbedingungen. Ebenso wichtig ist ein positiver Umgang mit den Kühen. Das zeigt eine Untersuchung der Universität Kassel.


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Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist in der Milchviehhaltung durch das tägliche Melken in der Regel intensiver als bei anderen Nutzungsrichtungen oder Nutztierarten. Doch der direkte Kontakt zu den Einzeltieren nimmt durch zunehmende Automatisierung und Mechanisierung oft ab. Trotzdem bestimmt vor allem die Art des täglichen Umgangs mit den Tieren die Qualität der Mensch-Tier-Beziehung und weniger die Bestandsgröße und die Automatisierung. Praktische Erfahrungen und bisherige wissenschaftliche Ergebnisse zeigen dabei, dass sowohl der Mensch als auch die Kuh von einem positiven Verhältnis profitieren können: Eine gute Mensch-Tier-Beziehung kann die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Nutztiere verbessern. Diesen Zusammenhang hat ein Forschungsprojekt der Uni Kassel bezogen auf die Eutergesundheit herausgefunden.


Die Ursachen für Mastitiden und deren Kombination und Bedeutung sind betriebsindividuell sehr unterschiedlich. Trotzdem lassen sich Mastitis-Risikofaktoren identifizieren. Das Entstehen einer Mastitis braucht zwei Komponenten: Auf der einen Seite die Infektion durch einen Erreger, auf der anderen Seite die Entzündungsreaktion der Kuh bzw. ihres Immunsystems. Bekannt ist, dass gesunde Kühe mit unter 100000 Zellen/ml Milch und ohne einen nachgewiesenen Erreger in einer Stresssituation kaum ansteigende Zellzahlen aufweisen. Kühe hingegen, die zuvor noch unter 100000 Zellen/ml Milch hatten, aber bei denen Erreger nachgewiesen sind, kehren nach einem Zellzahlanstieg oft nicht wieder auf dasselbe niedrige Niveau zurück.


Stress und Eutergesundheit


Wenn also zu einer latenten Infektion noch ein Stressor hinzukommt, kann der Erreger die kurzfristige Beeinträchtigung des Immunsystems nutzen. Diese Stressoren können vielfältig sein: Sowohl metabolischer Art zu Laktationsbeginn, als auch durch Rangauseinandersetzungen in der Herde, wenn z.B. nicht ausreichend Fress- oder Liegeplätze und Platz zum Ausweichen vorhanden sind. Auch Situationen mit dem Mensch können Stress auslösen: Beim Melken, beim Treiben und Verladen oder bei Trächtigkeitsuntersuchungen.


Eine wichtige Komponente der Mastitisprävention ist die Anzahl von Neuinfektionen zu minimieren, z.B. über eine gute Melkhygiene. Vollständig lassen sich Neuinfektionen oder kurzzeitige Stressoren allerdings nicht verhindern. Entscheidend ist, dass die Kühe möglichst gut damit umgehen können. Ihr Immunsystem sollte also in der Lage sein, auftretende Infektionen möglichst selbstständig auszuheilen.


Doch lässt sich der beschriebene Zusammenhang zwischen dem Umgang mit den Tieren, ihrer Stressbelastung und ihrer Eutergesundheit wirklich nachweisen?


30 Betriebe ausgewertet


Um das zu klären, untersuchten die Wissenschaftler auf rund 30 Milchviehbetrieben die Zusammenhänge zwischen Management, Einstellung und Verhalten des Tierhalters, Tierverhalten, physiologischem Stressniveau der Kühe und Eutergesundheit (siehe Übersicht 1 S. R32). In die Praxiserhebung waren 25 ökologisch wirtschaftende Milchviehbetriebe in Deutschland sowie fünf dänische Betriebe involviert. Die Herdengröße variierte von 29 bis 215 Kühe. Die durchschnittliche Milchleistung betrug 7219 kg/Kuh und Jahr (von 4144 bis 11899 kg/Kuh). Zehn Betriebe nutzten ein automatisches Melksystem (AMS), die anderen melken in konventionellen Melksystemen. Zwölf der 25 deutschen Betriebe hielten horntragende Milchkühe, die anderen enthornte und/oder genetisch hornlose Tiere.


Die Eutergesundheit beschrieben die Wissenschaftler mit verschiedenen Indikatoren: Zum einen bestimmten sie aus Viertelgemelksproben die Viertel mit unter 100000 Zellen/ml sowie Mastitis-Viertel (bakteriologischer Befund plus ≥100000 Zellen/ml). Zum anderen werteten sie die Daten der Milchleistungsprüfung (MLP) der letzten zwölf Monate aus. Hier ermittelten sie die durchschnittliche Zellzahl, die Häufigkeit erhöhter Zellzahlen sowie die Mastitis-Selbstheilungsrate pro Herde. Die Selbstheilungsrate beschreibt Zellzahlen unter <100000 Zellen/ml in drei aufeinanderfolgenden MLP-Wägungen nach einer deutlich erhöhten Zellzahl von ≥200000 Zellen/ml innerhalb einer Laktation. Heilungen nach antibiotischer Behandlung während der Laktation bewerteten sie nicht. Zusätzlich nahmen sie viermal im Abstand von etwa zehn Tagen Kotproben und untersuchten sie auf den Gehalt von Abbauprodukten des Stresshormons Kortisol. Das erlaubt einen Eindruck vom mittelfristigen Stressniveau der Tiere.


Zu den erfassten Herden- und Managementfaktoren gehörten unter anderem die Herdengröße, das Liegeflächensystem, die Fixierung beim Fressen und das Melkmanagement. Pro Herde führten die Wissenschaftler vier verschiedene Verhaltenstests durch, die Rückschlüsse auf die Scheuheit bzw. das Vertrauen der Kühe gegenüber dem Menschen erlaubten. Ebenso erfragten sie die persönliche Einstellung der Tierbetreuer gegenüber den Kühen und beobachteten den Melkablauf auf den Betrieben mit konventionellem Melksystem. Weiterhin erfassten sie die Anzahl der Kühe pro Mitarbeiter, Kontaktzeiten zu Kühen und Kälbern, aktive Gewöhnung von Färsen an den Menschen und an den Melkstand, Erkennung individueller Kühe und Häufigkeit verschiedener Kontakte zur Herde über die Routinearbeiten hinaus.


Herden mit einem großzügigen Tier: Liegeplatz-Verhältnis und Kühe in Tiefstreuställen, zeigten eine geringe mittelfristige Stressbelastung. Zudem schnitten Kühe in Ställen mit Tiefboxen bezogen auf die Stressbelastung besser ab als Kühe in Ställen mit Hochboxen.


Darüber hinaus hatten Herden, in denen die Kontaktzeit zu den Kühen während der Routinearbeiten höher war, weniger Abbauprodukte des Stresshormons Kortisol im Kot. Mit Routinearbeiten sind Arbeiten „zu Fuß“ im Stall gemeint sowie Kontrollgänge zur Herdenbeobachtung, aber auch alle Routinearbeiten, wie beispielsweise die Liegeboxenpflege, Futter ranschieben oder melken. Positive Einstellungen der Mitarbeiter gegenüber den Tieren sowie längere Kontaktzeiten zu den Kühen während der Routinearbeiten standen mit einer besseren Eutergesundheit in Zusammenhang (siehe Übersicht 2). Auch positive Interaktionen der Tierbetreuer mit den Kühen während der Stallroutine und während des Melkens wirkten sich günstig auf die Eutergesundheit aus. Den gleichen Einfluss hatte auch eine stabile Melksituation mit wenig Wechseln in der Routine.


Höhere Zellen bei Scheuheit


Herden, die dem Menschen gegenüber eher scheu reagierten, wiesen eher höhere Zellzahlen auf. Entsprechend hatten ruhigere, vertrauensvollere Kühe neben der besseren Mastitis-Selbstheilungsrate auch seltener erhöhte Zellzahlen. Ein interessantes Ergebnis war, dass ein erhöhtes physiologisches Stresslevel der Tiere zwar nicht mit einer generell schlechteren Eutergesundheit, wohl aber mit schlechteren Mastitis-Selbstheilungsraten einherging.


Die Untersuchung der Uni Kassel bestätigte außerdem den Einfluss von Hygienemaßnahmen auf die Eutergesundheit. So machte sich ein gutes Melkhygiene-Management sowohl bei der Höhe der Zellzahlen in der MLP über ein Jahr als auch den bakteriologischen Viertelbefunden bemerkbar. Insbesondere das Verwenden von frischem Euterreinigungsmaterial pro Kuh sowie das Vormelken vor der Reinigung zeigte auf vielen der untersuchten Praxisbetriebe positive Auswirkungen. Auch das Vermeiden eines schnellen Ablegens durch das Fixieren der Kühe im Fressgitter nach dem Melken kann das Mastitisrisiko reduzieren.


Kühe aus Tiefboxenställen hatten zudem oft eine bessere Eutergesundheit als solche aus Tiefstreuställen. Denn in Tiefstreuställen ist das Risiko verschmutzter Euter größer.


Routine positiver Umgang


Bei der Arbeit mit Kühen sollten sich Landwirte und ihre Mitarbeiter bewusst machen, dass die Stressbelastung und der Umgang mit den Tieren Risikofaktoren für Mastitis sind. Betriebsleiter sollten ihr eigenes Verhalten gegenüber den Kühen deshalb kritisch betrachten, aber auch im Arbeitsteam thematisieren und groben Umgang nicht tolerieren. Ruhiges, klares und verständliches Verhalten ist nicht nur für die Tiere angenehmer, sondern kann auch Routinearbeiten wie Melken und Treiben erleichtern.


Kurze positive Mensch-Tier-Kontakte lassen sich oft effizient in den Arbeitsalltag integrieren, ohne einen umfangreichen Zusatzaufwand darzustellen. So kann man beispielsweise im frühen Kälberalter bereits einen Grundstein für das spätere Furchtverhalten der Tiere dem Menschen gegenüber legen. Außerdem fördern regelmäßige Tierbeobachtungen und Kontrollgänge durch die Herde die Früherkennung von auftretenden Gesundheitsproblemen und unterstützen die Brunsterkennung.


kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com

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