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Fazit der Drosselprogramme

Lesezeit: 8 Minuten

Um der extrem gestiegenen Anlieferung Herr zu werden, haben drei österreichische Molkereien Systeme zur Begrenzung der Milchmengen eingeführt. Haben sich die Modelle bewährt? top agrar hat nachgefragt.


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Auf bis zu 40 Cent/kg netto stiegen die Erzeugermilchpreise in Österreich bis Ende 2017. Wie nicht anders zu erwarten, kletterten damit auch die Anlieferungsmengen – und zwar rapide.


13% über Vorjahr:

„Bei uns lag die Milchmenge im Januar 2018 um 13% über dem Vorjahreswert“, erinnert sich Leopold Gruber-Doberer, Geschäftsführer der Milchliefergenossenschaft Niederösterreich (MGN). Die 3000 Mitglieder liefern rund 435 Mio. kg an die NÖM AG in Baden bei Wien. An dieser ist die MGN zu 25% beteiligt, die übrigen 75% hält die Raiffeisen Holding NÖ Wien.


Ähnlich wie bei der MGN schnellten Ende 2017/Anfang 2018 auch bei anderen österreichischen Unternehmen die Milchmengen in die Höhe. Deshalb entschlossen sich neben der MGN auch die Berglandmilch, das mit etwa 1,3 Mrd. kg Verarbeitungsmenge größte Unternehmen Österreichs, und die steirische Ennstal Milch (ca. 85 Mio. kg) im Frühjahr dazu, unterschiedliche Systeme zur Mengenbegrenzung einzuführen. Insgesamt betrifft dies 60% der in Österreich angelieferten Milch. top agrar hat nachgefragt, ob und was die Systeme bewirkt haben.


Verursacherprinzip bei der MGN:

„Als Liefergenossenschaft haben wir eine feste Kontraktmenge mit der NÖM“, erklärt Leopold Gruber-Doberer von der MGN. „Für alle darüber hinaus gelieferten Milchmengen muss unsere Genossenschaft das Verwertungsrisiko tragen.“ Deshalb entschloss man sich aufgrund der aus dem Ruder laufenden Überlieferungen, zum 1. Februar ein System zur Milchmengenbegrenzung einzuführen.


„Dabei war für uns klar, dass dieses nach dem Verursacherprinzip funktionieren musste“, so Gruber-Doberer weiter. „Es sollen die Lieferanten spüren, die für die Überlieferung verantwortlich sind. Denn viele fahren seit dem Quotenende ‚Feuer frei‘. Aber es kann nicht sein, dass alle anderen dafür zahlen sollen. Unser System soll auch für Verständnis sorgen, dass es für die produzierten Mengen auch einen Markt braucht.“


Spotmilchpreis für Übermilch:

Basis für das Begrenzungssystem der MGN ist die Anlieferungsmenge des Vorjahresmonats oder die errechnete Monatsmenge, die sich aus der Anzahl der gezeichneten Geschäftsanteile errechnet. Die jeweils für den Landwirt höhere Menge bildet die Ausgangsbasis für die Bezahlung. Gruber-Doberer ergänzt: „Wir berücksichtigen die Geschäftsanteile, damit die Betriebe, die beim letztjährigen freiwilligen Lieferverzicht mitgemacht haben, jetzt nicht benachteiligt werden.“


Für die Basismenge wird der mit der NÖM vereinbarte Preis bezahlt. Für die darüber hinaus gehende Menge gilt der Versandmilchpreis des jeweiligen Monats. Basis für diesen Preis ist der Versandmilchpreis des ife-Instituts in Kiel.


Das Modell erzielte seine Wirkung: Von 13% im Januar ging die überlieferte Menge im Februar auf 10,3% zurück. Über rund 7% im März und April ging es im Mai auf 6,5% und im Juni auf 3% abwärts. Damit lag man im Juni erstmals auf Höhe der mit der NÖM vereinbarten Menge.


„Deshalb gab es im Juni erstmals keinen Abzug“, so Gruber-Doberer. Das setzte sich im Juli fort. „Wir wollten das System ursprünglich auslaufen lassen, wenn die Anlieferung unter 103% der Vorjahresmenge liegt. Doch wir haben uns jetzt dazu entschlossen, es im Hintergrund weiterlaufen zu lassen“, so der MGN-Geschäftsführer.


Knapp die Hälfte der MGN-Lieferanten, genau gesagt 1443, waren bisher von dem Malus-System betroffen. 55 von diesen haben in Summe bis dato jeweils 2000 € Abzug wegen Überlieferung bezahlt. Unter dem Strich hält Leopold Gruber-Doberer fest: „Das von uns eingeführte System haben unsere Mitglieder akzeptiert. Weniger als fünf Betriebe wollten es absolut nicht. Und nach sechs Monaten Laufzeit können wir resümieren, dass es sich auch in der Umsetzung bewährt hat.“


Berglandmilch mit Bonus/Malus:

Anders als die MGN hat die Berglandmilch auf ein Kombisystem gesetzt. Das Bonus- Malus-System lief von Januar bis Ende Juni 2018. Vor Einführung des Systems lag die angelieferte Milchmenge um knapp 10% über dem Vorjahr. Beim Bonusteil erhielten die Erzeuger für jedes im Vergleich zum Vorjahr weniger gelieferte kg Milch 10 Cent Bonus. Dieser war mit max. 10% Reduktion gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat gedeckelt.


Beim Malusprogramm wurden ab 1. Februar 2018 für die über 3% der Vorjahresmenge hinausgehenden Mehranlieferungen 10 Cent je kg Überlieferung abgezogen. Allerdings gingen die Übermengen offensichtlich anfangs nicht in dem Maße zurück, wie sich die Geschäftsführung dies vorstellte.


Deshalb zog sie die Daumenschrauben im April mit 15 Cent/kg Abzug für Überlieferungen noch stärker an. Dies zeigte offensichtlich Wirkung. Bis Mai gingen die Überlieferungen auf 5,5% der Vorjahresmenge zurück. Die Maluszahlungen wurden wieder auf 10 Cent pro kg zurückgenommen. Im Juni setzte sich diese rückläufige Anlieferung fort.


„Deswegen haben wir die Mengenstabilisierung Ende Juni beendet“, so Geschäftsführer Josef Braunshofer. Er zieht ein positives Fazit aus dem System, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Mit dem Programm habe man weitgehend verhindert, dass die angelieferten Milchmengen im ersten Halbjahr 2018 die in der Berglandmilch zur Verfügung stehenden Verarbeitungskapazitäten überstiegen.


Um 150 Mio. kg mehr Kapazität:

Künftig wird man nach Aussage Braunshofers noch besser auf Situationen wie in diesem Frühjahr reagieren können. So hat man am Standort Voitsberg in der Steiermark die Kapazität der Käseverarbeitung von 15000 auf 30000 t verdoppelt. Das neue Werk wird gerade hochgefahren. Groß investiert wird auch am Hauptstandort Aschbach in Niederösterreich. Gebaut wird hier u.a. eine Block-Mozzarella-Fertigung mit einer Produktionsmenge von 20000 t. Vorrangiges Ziel: Export nach Asien und in weitere Länder. Damit sollte das Unternehmen für künftig auftretende Anlieferungsspitzen gerüstet sein.


Unter den Bauern sei das Mengenbegrenzungssystem überwiegend positiv beurteilt worden, meint Braunshofer. Dabei ist auch ihm bewusst, dass gerade unter den Betrieben, die zuletzt stark in die Milchproduktion investiert haben, die meisten Überlieferer waren. Dennoch habe er unter den Lieferanten weitgehend Verständnis für das System vernommen.


„Produziere jetzt bewusster“:

Ein steirischer Berglandmilch-Lieferant bestätigt dies gegenüber top agrar: „Ich bin in den fünf Monaten unterm Strich mit ca. 1500 € Abzügen betroffen gewesen. Ich habe anfangs Zeit gebraucht, meinen Betrieb darauf einzustellen.“ Um die Milchmengen einzuschränken, habe er unter anderem früher Trockengestellt oder schneller Kühe selektiert.


Doch für ihn bleibt eine wichtige Lehre aus der Mengenstabilisierung: „Bei mir hat es echtes Bewusstsein geschaffen. Bisher habe ich mich nicht darum geschert, was die Molkerei mit meiner Milch macht. Jetzt weiß ich, dass sie die Mengen, die ich liefere, auch am Markt entsprechend verwerten muss.“ Und noch eine Selbsterkenntnis des Landwirtes: „Die meisten sind doch nur auf Mehrproduktion eingestellt, ein plötzliches Umdenken haben wir nicht gelernt.“


Ennstal Milch mit zwei Systemen:

Die Ennstal Milch in der Steiermark hat seit dem Quotenende 2015 ein System der Mengenstabiliserung installiert. Und zwar werden von den rund 700 Mitgliedern ab dem Überschreiten ihrer Anteilsmenge 3 Cent/kg für Überlieferung abgezogen. Davon werden aber 20% (0,6 Cent/kg) für das Aufstocken ihrer Genossenschaftsanteile angerechnet.


„Somit war es natürlich auf den ersten Blick verwunderlich, dass wir im März 2018 ein zusätzliches Mengenstabilisierungsystem eingeführt haben“, sagt Obmann Hermann Schachner. „Doch das bestehende System griff zu wenig, um eine Mengendisziplin bei den Lieferanten zu erreichen. Zumal unser Programm auf die Anfang 2018 stark steigenden Mengen kaum eine Wirkung hatte, da es ja immer erst am Jahresende greift.“


Im Februar zog die Genossenschaftsleitung bei nach wie vor über 8% Überlieferung die Reißleine. Man beschloss, zum 1. März einen Abschlag von 10 Cent/kg überlieferter Milchmenge einzuführen. Basis war die Milchmenge im jeweiligen Monat des Vorjahres. Und auch bei der Ennstal Milch zeigte die Maßnahme Erfolg: Über 7,5% ging die Überlieferung im April auf 5,5%, im Mai auf 4,5% und im Juni bis auf 2% zurück. „Somit konnten wir das System bereits mit Ende Juni wieder beenden“, so Schachner.


Das Fazit des Obmannes: „Unser Ziel war es, nur die Verursacher der Überproduktion stärker zur Kasse zu bitten.“ Das sei gelungen. Unterm Strich waren bei der Ennstal Milch mit knapp 430 etwa 60% der Erzeuger von Abzügen betroffen. Schachner weiß, dass nicht alle von dem System begeistert waren: „Es hat besonders solche Betriebe erwischt, die in jüngster Zeit viel investiert haben. Und gerade darunter waren einige, die mehr als das Doppelte ihrer Vorjahresmenge geliefert haben.“ Andererseits berichtet er von etlichen Erzeugern, denen der Abzug von 10 Cent/kg noch zu niedrig war. „Viele haben uns gesagt, es hätte noch deutlicher spürbar sein müssen“, so der Obmann.


Doch nicht nur weil das System in der Anlieferung seine Wirkung erzielt hat, zieht Schachner eine positive Bilanz: „Noch wichtiger war, dass es uns damit gelungen ist, bei den Erzeugern das Bewusstsein zu wecken, dass sie nur marktkonform produzieren können. Und nicht zuletzt glauben wir mit der Mengenbegrenzung einen faireren Weg eingeschlagen zu haben als die Molkereien ohne dieses System. Dort sind die Mengen erst durch eine deutliche Absenkung des Milchpreises für alle Lieferanten zurückgegangen.“Kontakt: altmann@lv-topagrar.at

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