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FrieslandCampina will die Milchmenge deckeln

Lesezeit: 4 Minuten

Die niederländischen Bauern melken auf Teufel komm raus. Deshalb zahlt FrieslandCampina eine Prämie von 2 ct/kg, wenn Milcherzeuger ihre Produktion nicht steigern. Was steckt hinter der einzigartigen Maßnahme?


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FrieslandCampina zahlt Mitgliedern, die ihre Produktion nicht ausdehnen, 2 ct/kg Milch mehr. Warum?


Stöcker: Wir stoßen an unsere Grenzen: Alle unsere Werke laufen auf Volllast, mehr Milch können wir nicht verarbeiten. Und weil der gesamte Markt gesättigt ist, können wir die Milch auch nicht an andere Molkereien abgeben. Die Spotmarktpreise sind um den Jahreswechsel herum auf unter 15 ct pro kg eingebrochen.


Allerdings erwarten wir für Anfang Januar bis Mitte Februar einen weiteren Milch-Peak. Mit dem Bonussystem wollen wir die Milchanlieferung deckeln.


Wie kann das sein? Sie haben schon früh die künftigen Milchmengen der Erzeuger abgefragt. Haben sich Vorstand und Geschäftsführung bei den Verarbeitungskapazitäten verzockt?


Stöcker: Wir haben in den letzten Jahren 2,5 Mrd. € in neue Verarbeitungskapazitäten investiert. 2015 haben wir rund 600 Mio. kg mehr Milch verarbeitet als 2014. Das ist ein Plus von 6,4 %.


Vor allem aus den Niederlanden kommt aber noch mehr Milch als ursprünglich geplant. Das hat einen einfachen Grund: Die niederländische Regierung hat im Juli 2015 Maßnahmen angekündigt, um den Phosphat-Ausstoß der Landwirtschaft einzudämmen. Niemand weiß, was kommt. Milcherzeuger befürchten aber eine einzelbetriebliche „Phosphor-Quote“, die in irgendeiner Form an die aktuelle Milchmenge des Betriebes gekoppelt ist. Deshalb melken sie, was das Zeug hält, um sich für die Zukunft alles offenzuhalten.


Diese politische Unsicherheit war vorher nicht absehbar. Sie schmeißt unsere Milchmengenplanung über den Haufen.


Wie funktioniert das Prämiensystem genau?


Stöcker: Wir haben für jeden Betrieb eine Vergleichsmenge pro Tag berechnet. Sie bezieht sich auf die Milchproduktion vom 13. bis 27. Dezember 2015. Das Prämiensystem läuft sechs Wochen, vom 1. Januar bis 11. Februar 2016. Diesen Zeitraum haben wir in sieben Sechs-Tages-Intervalle aufgeteilt. Wir vergleichen jeden Tag die aktuelle Milchmenge mit der Vergleichsmenge. Produziert der Betrieb in dem Sechs-Tages-Intervall pro Tag maximal so viel Milch wie in dem Vergleichszeitraum, bekommt er für die in diesem Intervall gelieferte Milch einen Zuschlag von 2 ct/kg. Wer mehr melkt, bekommt keinen Zuschlag. Das berechnen wir für jeden Sechs-Tages-Zeitraum neu.


Müssen „Mehr-Melker“ eine Strafe zahlen? Oder finanzieren Sie die Boni durch die Senkung des Milchpreises?


Stöcker: Das Bonussystem ist frei­willig. Wer nicht mitmacht, muss auch keine Strafe zahlen. Wir haben zwar den Garantiepreis für Januar auf 29,25 ct/kg (4,41 % Fett, 3,47 % Eiweiß) gesenkt. Das liegt aber an der Marktlage, nicht an der Einführung des Systems. Die Bonuszahlungen kommen komplett aus dem Unternehmen heraus. Klar ist aber, dass das Unternehmensergebnis und unser Leistungs­zuschlag auf den Milchpreis dadurch geringer ausfallen.


Ihre Mitglieder haben erst nach Weihnachten von dem Prämiensystem erfahren, Neujahr ging es los und es läuft nur sechs Wochen. Lässt sich so kurzfristig die Milchmenge überhaupt steuern?


Stöcker: Die Entscheidung ist in der Tat etwas kurzfristig gefallen. Die Geschäftsführung hatte Anfang Dezember den drohenden Verarbeitungsengpass für Januar und Februar erkannt. Nach Rücksprache mit den Vertretern hat der Vorstand das Bonussystem direkt nach Weihnachten beschlossen und die Mitglieder informiert.


Trotzdem sind wir zuversichtlich, dass wir mit dem Bonussystem die Anlieferungsmenge konstant halten oder sogar senken können. Milcherzeuger können beispielsweise schärfer selektieren und mehr Kühe zum Schlachten geben oder mehr Vollmilch an die Kälber tränken. Klar ist aber, dass wir abwarten müssen, wie stark unsere Mitglieder das System annehmen.


Beobachter schätzen, dass die Maßnahme kaum Effekte haben wird, vor allem nicht auf den Milchmarkt. Warum lassen Sie das Bonussystem nicht länger laufen?


Stöcker: Um es noch einmal deutlich zu sagen: Das Bonussystem soll helfen, unseren kurzfristigen Engpass bei der Verarbeitung zu überbrücken – nicht, um den Milchmarkt zu stützen. Wir sind davon überzeugt, dass solche Maßnahmen einzelner Molkereien niemals die globalen Marktverwerfungen auffangen können.


Das System läuft Mitte Februar aus, weil wir ab da mit einer Entspannung rechnen: In den Niederlanden kalben die meisten Kühe im Herbst, sodass im Februar der Milch-Höhepunkt überschritten ist. Zudem starten wir im Februar unser neues Werk im niederländischen Borculo mit einer Verarbeitungskapazität von 750 Mio. kg. Und 443 Lieferanten in Belgien wechseln zur Molkerei Milcobel, sodass es Luft bei den Verarbeitungskapazitäten gibt.


Können Sie sich denn vorstellen, das System zu wiederholen?


Stöcker: Das werden wir im Februar sehen, wenn wir das Ergebnis bewerten. Grundsätzlich halten wir aber an der eingeschlagenen Strategie fest: Wir produzieren höherwertige Milchprodukte mit einem Mehrwert. Und im Export setzen wir auf lukrative Absatzmärkte außerhalb Europas.


Das Interview führte Patrick Liste.

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