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Gestresste Kühe geben weniger Milch

Lesezeit: 8 Minuten

Enge Melkstände, hohes Melkvakuum oder Lärm stressen die Kühe. Die Milchverluste steigen, akute Eutererkrankungen nehmen zu. Wie Sie stressfreier melken, zeigt Melkberaterin Kathrin Lincke aus Türkheim.


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Wer kennt das nicht: Statt mit einem gleichmäßig leer gemolkenem Euter verlassen viele Kühe den Melkstand mit unterschiedlich ausgemolkenen oder insgesamt noch festen Vierteln. Sie „ziehen ihre Milch hoch“ oder müssen nachgemolken werden.


So lange nur einzelne Kühe beim Rindern die Milch „anhalten“, wird sich der Milchverlust in Grenzen halten. Problematischer ist es, wenn aufgrund ungünstiger Melkbedingungen nahezu die Euter der ganzen Herde schlecht ausgemolken werden. Das verringert die Milchleistung, die Melkzeiten sind zu lang und oft nehmen vor allem akute Eutererkrankungen zu, sodass die Kosten steigen und das Melken keinen Spaß mehr macht.


Deshalb gilt es, den Stress für Kühe und Melker im Melkstand zu reduzieren.


Euter überprüfen:

Wirklich leere Euter sind locker und weich und das Drüsengewebe ist gut tastbar. Am Euterspiegel kann man einige Wochen nach dem Kalben Falten sehen oder fühlen. Gemolkene und ungemolkene Euter lassen sich deutlich voneinander unterscheiden. Doch auch aus lockeren und eigentlich leeren Eutern sammelt sich nach wenigen Minuten wieder etwas Milch in der Zisterne.


Diese normale „Nachflussmilch“ läuft aus den vielen kleinen Milchgängen zusammen. Auf diese letzten „Tropfen“ Milch sollte man bei gesunden Eutern besser verzichten, weil durch längeres Melken bei geringem Milchfluss die Zitzen zu stark beansprucht und so die Infektionsabwehr langfristig beeinträchtigt wird.


Wenn die Euter locker und im oberen Drüsenbereich leer sind, können die Melkzeuge abgenommen werden, nachdem der Milchfluss 10 bis 15 Sekunden unter 200 g je Minute bleibt. Nur bei einheitlich leichtmelkigen Herden rate ich zu einer früheren Melkzeugabnahme bzw. zu einer höheren Abnahmeschwelle bei einem Milchfluss von 250 bis 300 g je Minute.


Sind diese Werte ohne Bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse in der Herde zu hoch eingestellt, werden langfristig zu viele Euterviertel nicht leer. Bei optimalen Milchflusskurven liegen zwischen dem Unterschreiten der Milchflusswelle von 300 g/min und 250 g/min nur wenige Sekunden.


Ein zu langes Melkende entsteht dagegen oft, weil Melkbecher aller oder einzelner Viertel zu weit oben an der Zitzenbasis sitzen und dort den Milchabfluss behindern. Um mit automatischer Melkzeugabnahme einen guten Ausmelkgrad und ein zügiges zitzenschonendes Melken zu erreichen, muss das verhindert werden.


Durch eine Führung oder Aufhängung von Milch- und Pulsschläuchen mit Schlauchhaken, Melkarmen, Seilen oder Ketten erreicht man eine gleichmäßigere Gewichtsverteilung auf hintere und vordere Melkbecher. Wo Milchschläuche am Boden oder beim Melken von hinten auf der Melkstandkante aufliegen, werden Melkbecher extrem unterschiedlich be- und entlastet und melken entsprechend unterschiedlich. Jeder Melker kann und sollte das beim Melken einmal selbst testen.


Passende Zitzengummi:

Doch auch zu große Zitzengummi (ab Ø 24 mm) vor allem mit zu leichten Melkbechern (weniger als 350 g) sitzen oft zu hoch an der Euterbasis. Schlaffe oder auch nasse und rutschige Zitzen bieten den Melkbechern keinen Halt. Haftprobleme und zu weit oben sitzende Melkbecher sind die Folge.


Deshalb sollten die Melkbecher nur an saubere und trockene Zitzen angesetzt werden, wenn diese spürbar prall sind. Das erreicht man, wenn jede Kuh 10 bis 15 Sekunden vorgemolken und stimuliert wird. Je nach Körpergröße und Milchleistung sollte es 40 bis 90 Sekunden bis zum Melkbeginn dauern.


Bei mechanischer Stimulation sollte die gleiche Zeit vergehen, ohne dass die Zisternenmilch abgemolken wird, weil sonst auch gute Zitzengummi an schlaffen Zitzen keinen Halt finden und schlecht haften oder zu früh hochgesaugt werden.


Zu hohes zitzenendiges Vakuum über 40 kPa, lange Saugphasen über 65 % (Fleckvieh, Braunvieh besser 60 %) und steife kurze Milchschläuche bzw. unflexible Melkzeuge sind weitere Gründe für ein hohes Nachgemelk.


Stress vermeiden:

Wenn die Euter nach dem Melken noch fest und verspannt sind und es sich nicht um ein Euterödem handelt, wurden die hormonellen Prozesse der Milchfreisetzung und des Milchabflusses gestört.


Die häufigsten Ursachen für die hormonelle Störung der Milchhergabe sind Stress, Schmerzen, Angst oder weitere Bedingungen, die eine Ausschüttung von Stresshormonen zur Folge haben. Insbesondere bei einem hohen Adrenalin-Spiegel im Blut ist eine Milchhergabe nur eingeschränkt möglich, da die Wirksamkeit des Oxytocins blockiert wird. So werden die Milchbläschen nicht mehr vollständig entleert und der Euterinnendruck bleibt niedrig.


Zusätzlich können sich unter Adrenalineinwirkung die milchableitenden Wege verengen, was wiederum den Milchabfluss der schon freigesetzten Milch beeinträchtigt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Milch aus festen Eutern nur sehr spärlich fließt oder trotz voller Euter das Melken faktisch beendet ist.


Einige Zeit nach dem Melken, wenn sich die glatte Muskulatur wieder entspannt, rinnt die Milch dann in die Liegebox. Betrifft das nicht nur Einzeltiere aufgrund von Schmerzen (Klauenprobleme, Wunden) und Angst (Kalbin, Zukauf) oder beim Rindern, dann sollte man unbedingt die Ursachen suchen. Die Melkzeuge sollten in diesem Fall nicht zu früh abgenommen werden, damit weniger Milch im Euter bleibt.


Ruhig melken:

Was in der Natur nützlich war, um in Fluchtsituationen die Milch nicht zu verlieren, zwingt uns heute, für die Kühe möglichst stressfreie Melkbedingungen zu schaffen. Nicht nur die Melktechnik am Tier, sondern auch das Umfeld und die Melkatmosphäre spielen hier eine Rolle.


Der Ausmelkgrad ist bei einem guten Verhältnis zwischen Mensch und Tier und einem bequemen Melkplatz trotz ungünstiger Melktechnik immer noch besser alsmit optimaler Melktechnik bei ungünstiger Melkatmosphäre (Hektik, Lärm, Schläge, Vibrationen, eingeengtes Stehen, Hitze, Fliegen, Kriechströme).


Leider gibt es sehr viele auch neue Melkstände, in denen die Kühe viel zu wenig Platz haben, drängeln und eingezwängt stehen müssen. Oft fehlt es an frischer Luft und im Sommer kommen zur Hitze noch Fliegen hinzu. Zur Not muss die Frischluft über eine Rohrlüftung herangeführt werden. Gehen Kühe vor dem Melken durch einen feinen Wassernebel, bringen sie weniger Fliegen mit in den Melkstand. Über der Standfläche angebrachte Wasserverneblungsdüsen kühlen die Kühe außerdem bei Hitze.


Auch der Lärmpegel ist in vielen Melkständen zu hoch und nicht nur für die Kühe, sondern auch für die Melker ein nicht zu unterschätzender Stressfaktor. Laute Regelventile gehören nicht in den Melkstand. Pulsatoren werden bereits leiser, wenn sie mit gefilterter Frischluft versorgt werden. Vakuumpumpen können über 10 m weit vom Melkstand entfernt sein. Dazu dürfen in den Leitungen allerdings wenig 90°-Winkel und Reduzierungen verbaut sein.


Die Übertragung von Körperschall und Vibrationen auf das Standgerüst wird in der Praxis kaum beachtet, kann aber vor allem bei jungen Kühen Angst und Anspannung verursachen.


Viel Platz im Melkstand:

Stehen Kühe zu eng, sollte die Frontbegrenzung nach außen versetzt oder so geändert werden, dass die Kühe steiler stehen.


Vor allem die erste Kuh braucht unbedingt eine gute Begrenzung nach vorn, sodass Schieben und Drängeln verhindert wird. Tore, die nicht weit genug schließen, ein gerades Rohr oder schräge Bügel lassen Kühe zu weit vorn stehen. Dadurch können sich auch die nachfolgenden Tiere nach vorn schieben. Ein Gedränge um den eigenen Standplatz ist die Folge. Sehr wichtig ist, dass Kühe mit Kopf und Hals nicht eingeengt werden.


Auch zu langes Stehen über eine Stunde in engen Vorwartebereichen (weniger als 1,5 m²/Kuh), ein hektischer Zutrieb oder zu dicht auffahrende elektrische Kuhtreiber können die Ausschüttung von Stresshormonen und damit die Hemmung der Milchfreisetzung und eine Verengung der milchableitenden Wege verursachen.


Genauso führen Überbelegung der Liegeboxen, enge oder rutschige Laufgänge sowie zu wenig Übergänge oder Sackgassen zu Stress. Ungünstig erreichbare Tränken und Kraftfutter bedeuten vor allem für junge Kühe Dauerstress.


Der Kuh gelingt es nicht, sich innerhalb von Minuten von einer Angst-, Kampf- oder Fluchtsituation auf ein entspanntes Melken einzustellen. Solche vorgestressten Tiere reagieren auf Melkprobleme viel heftiger als ausgeglichene Kühe.


Eine weitere Störung des Milchejektionsreflexes besteht in der Nichtausschüttung von Oxytocin trotz ausreichender Stimulation. Die Ursachen dafür sind wissenschaftlich umstritten.


Nach Beobachtungen in der Praxis kommt es gehäuft bei Kalbinnen vor. Auch schwere Geburten, sehr pralle oder aufgrund von Entzündungen schmerzende Euter, Hormon- oder Stoffwechselstörungen oder erbliche Veranlagung könnten damit in Verbindung stehen. Sehr zurückhaltend sollte man mit dem längeren Verabreichen synthetischen Oxytocins sein.


Es sollte nur die geringst wirksame Menge und wenn möglich nur intramuskulär gegeben werden, da hier schnell ein Gewöhnungseffekt zu beobachten ist. Betrifft das nicht nur Einzeltiere, sollten unbedingt die Melkbedingungen, vor allem im Hinblick auf die jungen Tiere, überprüft werden (Zitzengummigröße, Vakuumhöhe, Standmaße).


Oxytocin-Gaben vermeiden:

Zu bedenken ist dabei, dass durch hohe Oxytocindosen auch die sogenannte Residualmilch (10 bis 15 % vom Gesamtgemelk) ermolken werden kann, die bei normaler Zitzenstimulation im Euter verbleiben würde. Oft wird unberechtigt weiterhin Oxytocin verabreicht, weil man beim normalen Melken diese Differenz zum Gesamtgemelk feststellt.


Wer eine optimale Euterentleerung anstrebt, muss für die Kühe stressfreie Melkbedingungen schaffen. Lockere weiche und im Drüsenbereich leere Euter sind wichtiger, als die letzten Tropfen Milch aus der Zisterne zu ermelken.


Bei Eutergesundheitsproblemen ist ein guter Ausmelkgrad eine Voraussetzung für gute Heilungschancen, weil mit der Milch auch viele Erreger ausgeschwemmt werden. Je mehr Drüsenbereiche unregelmäßig und unvollständig ausgemolken werden, desto mehr Erreger können sich hier einnisten und chronische Entzündungsherde bilden.


Der Grad der Euterentleerung ist ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung von Melktechnik, jedoch können gestresste Kühe auch mit der besten Melktechnik nicht gut gemolken werden.

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