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Holländer suchen deutsche Milch

Lesezeit: 7 Minuten

Deutsche Milcherzeuger profitieren von den Entwicklungen in den Niederlanden. Dort investiert gerade der neuseeländische Molkereikonzern Fonterra.


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Es klingt irgendwie verrückt: Da gründen eine holländische Verpackungsfirma und ein neuseeländischer Milchkonzern eine neue Molkerei in den Niederlanden, und schon kommt Hektik auf: Bei der einen Molkerei hagelt es Kündigungen, weil die Milcherzeuger zu der neuen Molkerei liefern möchten. Die andere Molkerei wird schlichtweg übernommen, um die Milch zu sichern. Und selbst deutsche Milcherzeuger wittern ihre Chance und liefern demnächst über die Grenze. „Der Kampf um die Milch ist eröffnet“, beschreibt Berater Mark Voorbergen die Situation in den Niederlanden.


Neue Molkerei:

Doch was ist genau los in unserem Nachbarland?


Die A-Ware Food Group, ein niederländischer Lebensmittel-Dienstleister, und die neuseeländische Molkerei Fonterra, der weltweit größte Exporteur von Milchprodukten, bauen derzeit in Heerenveen eine neue Molkerei. Die Investitionssumme im Norden Hollands liegt bei insgesamt 125 Mio. €, die Produktion soll Ende 2014 starten. Anfangs soll die jährliche Verarbeitungsmenge bei 750 Mio. kg Milch liegen. Damit entsteht nach FrieslandCampina (10,1 Mrd. kg Milch) und DOC Kaas (1,0 Mrd. kg) die drittgrößte Molkerei in den Niederlanden. Interessant sind dabei vor allem die unterschiedlichen Absichten der beiden Geschäftspartner.


Losgetreten hat die Entwicklung A-Ware. Das Unternehmen ist ein Spezialist im Reifen, Zerlegen und Verpacken von Käse und verfügt über hervorragende Kontakte zum Lebensmitteleinzelhandel. Allerdings ist der Dienstleister stark von den Käse-Zulieferern abhängig, vor allem von Marktführer FrieslandCampina. Da A-Ware im Ausland wachsen möchte, wollen sich die Verantwortlichen von den Zulieferern lösen und selbst in die Käseproduktion einzusteigen. „Doch sie haben schnell erkannt, dass sie nur rentabel sind, wenn sie auch die Molke veredeln und attraktiv vermarkten. Das war aber eine Nummer zu groß für das Unternehmen“, sagt Voorbergen. Deshalb hat A-Ware einen Partner gesucht.


Mit diesem Angebot sind sie bei Fonterra offene Türen eingerannt. Die Neuseeländer haben bereits ein Handelsbüro in Amsterdam. Sie waren aber auch in Europa seit Längerem auf der Suche nach Molke, dem Nebenprodukt der Käseherstellung. Daraus produziert Fonterra Milchinhaltsstoffe, die sogenannten Ingredienzen. Dazu zählen beispielsweise Laktose oder Komponenten zur Herstellung von Babynahrung, womit sich weltweit derzeit gutes Geld verdienen lässt. Größter Abnehmer von Fonterras Ingredienzen ist der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé.


Die Rollen sind somit klar verteilt: A-Ware ist für Produktion von Käse verantwortlich und vertreibt diesen europaweit. Die Milch dazu muss A-Ware besorgen und daher Lieferverträge mit den Landwirten abschließen. Verantwortlich dafür ist Klaas de Jong, der gegenüber top agrar aber keine Fragen beantworten wollte. Die Genossenschaftsmolkerei Fonterra hält sich dabei komplett heraus. Sie bezieht „nur“ die Molke von A-Ware, veredelt diese und vermarktet die Ingredienzen weltweit.


Dass die neue Molkerei ausgerechnet in den Niederlanden entsteht, obwohl alle Experten einen Rückgang der Bevölkerung und des Milchverbrauchs in Europa prognostizieren, ist nicht unüberlegt, sondern ein cleverer Schachzug.


Zunächst einmal kennt Fonterra-Chef Theo Spierings den niederländischen Milchmarkt wie seine Westentasche. Er ist gebürtiger Niederländer und war bis zur Fusion von Friesland und Campina Geschäftsführer von Friesland. „Da er das Unternehmen bei der Fusion verlassen musste, ist es vielleicht auch ein kleiner Rachezug von ihm gegen seinen alten Arbeitgeber“, spekuliert ein Mitglied aus dem Ehrenamt von FrieslandCampina.


Vier Milch-Quellen:

Doch es gibt auch handfeste Argumente: Spierings hält Europa neben Neuseeland/Australien für die einzige Überschussregion, in der die Milchproduktion über dem Milchverbrauch liegt. Die Milchdichte ist im Norden der Niederlande, also rund um die neue Molkerei, sehr hoch. Und es ist relativ einfach, an Milch zu kommen.


Deshalb ist bereits jetzt ein Großteil der Verarbeitungsmenge gesichert. Die 750 Mio. kg stammen aus vier Quellen:


  • A-Ware und Fonterra haben rund 100 Mio. kg Milch direkt um Heerenveen von knapp 100 Landwirten unter Vertrag. Die Milch stammt größtenteils von enttäuschten DOC Kaas-Mitgliedern. Ausschlaggebendes Argument: A-Ware/Fonterra wollen immer 1 ct/kg besser auszahlen als DOC.
  • Rund 230 Mio. kg Milch haben sich A-Ware/Fonterra über die Liefergenossenschaft NoorderMelk gesichert. Diese hatte die Molkerei De Katshaar betrieben, die inzwischen insolvent ist. A-Ware/Fonterra haben die Molkerei übernommen, die Milch fließt in die neue Molkerei.
  • Da FrieslandCampina eine marktbeherrschende Stellung hat, muss das Unternehmen anderen Molkereien ca. 1,2 Mrd. kg Milch über die sogenannte „Dutch Milk Foundation“ zur Verfügung stellen (Auflage der EU). Davon dürften A-Ware und Fonterra etwa 300 Mio. kg bekommen.
  • Die restliche Milch will die neue Molkerei nach jetzigem Stand über den Spotmarkt beziehen. Oder aber weitere Lieferverträge abschließen – auch mit deutschen Milcherzeugern.


Auch deutsche Milch!

So buhlen die Milcheinkäufer von A-Ware/Fonterra auch bei uns um Milch, insbesondere in der Grenzregion. „Wir haben mit ihnen gesprochen und überlegen ernsthaft, zu kündigen und künftig nach Heerenveen zu liefern“, sagt ein Hochwald-Mitglied vom Niederrhein. Niederländischen Presseberichten zufolge haben A-Ware und Fonterra schon Milcherzeuger von Hochwald unter Vertrag. Hochwald-Chef Dr. Karl-Heinz Engel wollte sich gegenüber top agrar nicht äußern.


In den Landkreisen Grafschaft Bentheim und Borken waren die Einkäufer aber offensichtlich erfolgreich. „Einige freie Lieferanten, deren Milch momentan noch an FrieslandCampina, das DMK oder Wiesehoff geht, wollen demnächst an A-Ware und Fonterra liefern“, sagt Dr. Rudolf Schmidt, Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW. Die genaue Anzahl an Milcherzeugern kennt er nicht, es könnte sich aber um eine Milchmenge von bis zu 40 Mio. kg handeln. A-Ware/Fonterra wollten das nicht bestätigen. Allerdings müssen sie für den Milchtransport über die Landesgrenze lediglich eine Briefkastenfirma in Deutschland zur Quotenabrechnung gründen.


Mehr Wettbewerb:

Aber auch die anderen deutschen Milcherzeuger im Grenzgebiet profitieren. „Der Wettbewerb steigt – und das sorgt für höhere Milchpreise“, sagt René van Buitenen vom niederländischen Milchindus-trie-Verband. Zustimmung erhält er von Voorbergen: „In den letzten Jahren gab es zu viel Milch, die Molkereien kamen leicht an den Rohstoff. Jetzt müssen sie um die Milch ringen – das ist positiv für die Milcherzeuger!“


Die wichtigsten Milcherfasser im Grenzgebiet (Übersicht) reagieren aber betont gelassen auf die neue Molkerei. „Wir haben keine Angst vor Fonterra. Und es hat auch noch kein Mitglied gekündigt“, sagt Cees ‘t Haart, Geschäftsführer von FrieslandCampina. MUH-Arla und Ammerland beteuern ebenfalls, dass noch niemand gekündigt habe. Und selbst Jannes Oosterveld, Chef von DOC Kaas, bleibt ruhig, ­obwohl er zum 1. Januar 2015 bereits 100 Mio. kg Milch ver­liert: „A-Ware und Fonterra bringen nur Hektik in den Markt. Das Quotenende hat viel größere Auswirkungen.“


Oosterveld rechnet bis zum Jahr 2020 mit 10 bis 20 % mehr Milch für DOC, mit 2 Mrd. kg mehr Milch in den Niederlanden insgesamt und mit 3 Mrd. kg mehr Milch in Deutschland. „Es gibt somit genügend Platz für die neue Molkerei“, sagt der DOC-Chef. Er selbst hat die Verarbeitungskapazitäten von 125 000 t auf 140 000 t Käse pro Jahr erweitert. „Die­ses Jahr haben wir 70 Mio. kg Milch dazubekommen. Und wir haben noch Luft für zusätzliche Milch – auch aus Deutschland“, sagt Oosterveld. Derzeit liefern 120 deutsche Milcherzeuger rund 125 Mio. kg Milch an DOC.


Auch andere Molkereien wie das DMK, Ammerland, MUH-Arla oder FrieslandCampina bauen neue Verarbeitungskapazitäten auf. Da alle Unternehmen ihre Wer- ke auslasten möchten, ist das eine klare Botschaft: Die Milch im Grenzgebiet Niederlande-Deutschland bleibt auch künftig gefragt. Für die Milcherzeuger kann das nur gut sein! P. Liste

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