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Jeder dritte Melkstand ist zu laut!

Lesezeit: 8 Minuten

Können Sie sich in Ihrem Melkstand während des Melkens mit Ihrer Frau oder ihrem Melker mit normaler Stimme unterhalten? Oder müssen Sie sich anschreien, um sich verständigen zu können? Verstehen Sie die Stimme des Nachrichtensprechers im Radio problemlos oder müssen Sie das Gerät bis zum Anschlag aufdrehen, damit es die Melkanlage übertönt? Wenn dem so ist, dann haben Sie ein Problem: Ihr Melkanlage ist eindeutig zu laut. Warum ist Ruhe beim Melken so wichtig? Ein hoher Lärmpegel beeinträchtigt erheblich den Arbeitsplatzkomfort, die eigene Konzentrationsfähigkeit sinkt, zudem führt Lärm zu Unruhe, Gereiztheit und Stress. Das Problem dabei ist, dass man sich mit der Zeit an die Geräusch-Kulisse gewöhnt, der Lärm fällt einem kaum noch auf. Aber auch die Kühe reagieren auf Lärm. Sie sollen beim Melken entspannt und ruhig stehen. Bei zuviel Krach im Melkstand verkrampfen sie jedoch zusehends, werden unruhiger, lassen sich nicht mehr vollständig ausmelken und schlagen sogar die Melkzeuge ab. Erste Untersuchungen der Schweizer Forschungsanstalt FAT in Tänikon deuten darauf hin, dass bei abnehmender Lärmbelastung im Melkstand sich der Durchsatz erhöht. Bei geringem Geräuschpegel werden mehr Kühe pro Zeiteinheit gemolken. Wie laut sind moderne Melkstände? Um heraus zu finden, wie laut moderne Melkstände tatsächlich sind, haben wir in 61 Milchviehbetrieben den Lärmpegel beim Melken gemessen. Dabei haben wir Gruppenmelkstände (Tandem, Fischgräte, Side by Side und SwingOver) und Melkkarusselle von insgesamt sieben Herstellern unter die Lupe genommen. Die kleinste Anlage war mit sechs Melkzeugen (2 x 3 Tandem) bestückt, die größte mit 40 (Melkkarussell). Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Der Lärmpegel, der in vielen Melkständen während des Melkens vorherrscht, entspricht in etwa dem einer befahrenen Straße. Im Durchschnitt konnten wir einen Geräuschpegel von 68,6 Dezibel (dB(A)) messen. Auffällig war die gewaltige Spannbreite der gemessenen Werte. So zeigte das Messgerät beim leisesten Melkstand (2 x 12 SbS, Boumatic) nur 61,5 dB(A) an. Bei dieser Lautstärke können sich zwei Personen in der Melkergrube noch normal unterhalten. Dies ist dagegen im lautesten von uns gemessenen Melkstand nicht mehr möglich (2 x 6 FGM, Nisa). Hier zeigte das Messgerät während des Melkens 73,8 dB(A) an. Dies entspricht in etwa der Lautstärke, die in der Kabine eines 140 PS- Schleppers unter höchster Belastung anfällt. Extrem hohe Werte von bis zu 100 dB(A), zeigte das Messgerät kurzfristig beim Gruppenwechsel der Kühe an. Vor allem das Öffnen der Aus- und Einlasstore verursachte auf einigen Betrieben einen ohrenbetäubenden Krach. Wie viel Lärm ist erträglich? Wie laut dürfen bzw. sollten Melkstände sein? Ab welchem Lärmpegel wird das Melken zur Qual für Mensch und Tier? Ab wann treten dauerhafte Schäden auf? Ob durch Lärm dauerhafte Schäden verursacht werden, hängt von der absoluten Höhe des Geräuschpegels und von der Dauer der Beschallung ab. Grundsätzlich gilt, je höher der Lärmpegel, desto kürzer der Zeitraum, dem man dem Lärm ausgesetzt sein darf. Spezielle Vorgaben bzw. Grenzwerte für den Nutztierbereich gibt es bislang noch nicht. Laut Arbeitsstättenverordnung gilt ein Lärmpegel von bis zu 85 dB(A) noch als zulässig. Theoretisch darf ein Melker also bei diesem Krach (entspricht dem einer viel befahrenen Autobahn) bis zu acht Stunden ohne Gehörschutz arbeiten. Vielen Wissenschaftlern, die sich intensiv mit dem Thema Lärm beschäftigen, ist dieser gesetzliche Grenzwert aber deutlich zu hoch angesetzt. Ihrer Meinung nach sollte beim Melken ein Geräuschpegel von 65 bis maximal 70 dB(A) dauerhaft nicht überschritten werden, da sonst mittelfristig Gesundheitsstörungen bei Mensch und Tier (z. B. Euterentzündungen) auftreten können. In unserem Test überschritten 34 Prozent aller geprüften Melkstände den geforderten Maximalwert von 70 dB(A), nur fünf Melkstände lagen im erwünschten Bereich von 65 dB(A) oder darunter (Übersicht 1). Typische Krachmacher Im Vergleich der verschiedenen Melkstand-Bauarten haben die TandemMelkstände am besten abgeschnitten. Mit 67,3 dB(A) arbeiteten sie am leisesten, gefolgt von den Side by Side-Melkständen und den Melkkarussellen mit 67,8 dB(A). Etwas lauter ging es mit 68,7 dB(A) in den Fischgräten zu. Am meisten Lärm verursachen die Swing Over-Melkstände (Übersicht 2). Deutlichere Unterschiede ergaben sich bei der Auswertung der einzelnen Melktechnik-Hersteller: Mit Abstand die geringsten Werte haben wir in den BoumaticMelkanlagen gemessen (Übersicht 3), die höchsten Werte bei DeLaval. Im Durchschnitt aller Anlagen errechnet sich bei den Blauen ein Wert von 70,5 dB(A). Allerdings dröhnen aber nicht alle DeLaval-Melkstände derart. Wie bei den übrigen Herstellern finden sich auch bei DeLaval leisere Anlagen (Min: 66,5; Max: 73,4 dB(A)). Als größte Lärmquelle im Melkstand stellten sich die Pulsatoren, die Milchpumpe, die automatische Melkzeug-Abnahme und die Zwischenspülung heraus: ? Pulsatoren: Erheblichen Lärm verursachen die Ventilklappen der Pulsatoren, die sich mit großer Geschwindigkeit bewegen bzw. anschlagen. In einigen Betrieben kamen Pulsatoren zum Einsatz, die während der Ruhephase (z. B. beim Umtrieb) nicht abgeschaltet sondern permanent weiter geschlagen haben. Dadurch bleibt der Geräuschpegel im Melkstand konstant hoch. ? Milchpumpe: Unüberhörbar laut sind nicht selten auch die Milchpumpen, die in 85 % der untersuchten Melkstände in der Melkergrube installiert waren. Auffällig sind hier die großen Unterschiede bei den Messwerten (gemessen aus ein Meter Entfernung) von 63,8 bis 84,8 dB(A). Im Durchschnitt verursachten die Milchpumpen einen Geräuschpegel von 72,4 dB(A). ? Abnahme-Automatik: Stark schlug der Zeiger des Messgerätes auch beim Abnehmen der Melkzeuge durch die Abnahmeautomatik aus: Im Durchschnitt zeigte unser Schallpegelmesser dabei 74,3 dB(A) an. Auch hier zeigten sich erneut erstaunlich hohe Unterschiede von 71 bis zu 86,1 dB(A). Wie ist das zu erklären? Hohe Messwerte wurden immer dann ermittelt, wenn das Melkzeug beim Zurückschwingen vom Euter an die Grubenkante oder der Seilzug des Abnahmezylinders an das Melkstandgerüst anschlug. In einigen Fällen führte aber auch das Quietschen vor allem querliegender Abnahmezylinder (mangelhafte Wartung!) zu einem Anstieg des Geräuschpegels. ? Melkzeug-Zwischenspülung: Für erheblichen Krach (77,8 dB(A)) sorgten die Melkzeug-Zwischenspülungen (Airwash bzw. Backflash), die in fünf Melkkarussellen installiert waren. Sobald die Kompressoren ihre Arbeit aufnahmen die in allen fünf Karussellen im Melkbereich installiert waren stieg der Lärmpegel um rund 7,0 dB(A) an (Übersicht 4). Die Melker empfinden das Einsetzen der Zwischenspülung mindestens als eine Verdoppelung der Lautstärke im Melkkarussell. Meister Lärm beim Umtrieb Die absoluten Lärmspitzen wurden jedoch beim Gruppenwechsel der Kühe gemessen. Besonders laut ging es dabei in den kleineren Melkständen zu, in denen die Melker die Türen von Hand öffnen und schließen mussten. Oftmals wurden die Tore dabei nicht gerade sanft geschlossen bzw. geöffnet. Fehlte dann noch ein Gummipuffer am Stahlgerüst, schlugen die Tore nicht selten mit einem ohrenbetäubend Knall an das Melkstandgerüst. Dagegen erfolgte das Öffnen und Schließen der Tore bei pneumatischer Torsteuerung (per Knopfdruck) zumeist relativ leise. Teilweise heftige und nervtötende Knallgeräusche von bis zu 89,4 dB(A) erzeugten die Schnellaustriebe der Parallel-Melkstände (SbS). Bauartbedingt schlagen hier entweder mehrere Trennbügel gleichzeitig beim Vortreten der Tiere an das Standgerüst, oder das untere Brustrohr schlägt ungebremst auf den Boden auf. Am besten abgeschnitten haben beim Gruppenwechsel die Tandem -Melkstände, da hier Tore und Gerüst nicht aufeinandertreffen bzw. nicht einrasten müssen. Mehr Lärm bei geringer Deckenhöhe Was ist sonst noch aufgefallen? Mit zunehmender Melkstandgröße sinkt der Lärmpegel. In längeren und breiteren Melkergruben kann der Lärm anscheinend schneller entweichen. In engen, kurzen Gruben werden die anfallenden Geräusche regelrecht zwischen den Kühen bzw. der Technik eingeklemmt, der Geräuschpegel ist hier deutlich höher. Auch die Raumhöhe hat einen Einfluss auf den Geräuschpegel beim Melken. In Melkständen mit geringen Deckenhöhen von weniger als drei Metern haben wir im Durchschnitt mit 69,4 dB(A) rund zwei Dezibel mehr gemessen, als in Räumen mit einer Deckenhöhe von über drei Metern. Ohrenbetäubender Lärm herrscht in den meisten Maschinenräumen vor. Denn erschreckend viel Krach produzieren die Vakuumpumpen, die oftmals in unmittelbarer Nähe der Melkstände installiert sind, so dass der Lärm der Aggregate noch in der Melkergrube zu hören ist. Gemessen haben wir zumeist mehr als 80 dB(A), in einigen Fällen sogar über 100 dB(A). So viel Krach halten die stärksten Nerven nicht aus. S. Behrend Fortsetzung folgt ... ? In der nächsten top agrar-Ausgabe berichten wir, wie Sie vorhandene Lärmquellen im Melkstand abstellen können und worauf Sie schon beim Neubau eines Melkzentrums achten sollten. ? Ist Ihr Melkstand auch extrem laut? Suchen Sie eine Lösung? Oder haben Sie das Problem in Ihrem Betrieb schon gelöst? Dann melden Sie sich: top agrar Redaktion, Telefon: 02 51/510120 oder per E-Mail: redaktion@topagrar.com

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