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Jetzt die unbequemen Fragen stellen!

Lesezeit: 6 Minuten

Vollkostendeckung und Eigenkapitalbildung sind derzeit Fremdwörter für Milcherzeuger. Alles dreht sich um Liquiditätssicherung und Kapitaldienstfähigkeit. Welche Konsequenzen hat das für die Zukunft?


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Milcherzeuger und Molkereien stehen stärker in der Pflicht. Denn mit dem Auslaufen der Quote hat sich die Politik aus der Verantwortung gezogen. Da die größten Molkereien genossenschaftlich, also von Landwirten geführt werden, fehlt ein klares Bild von demjenigen, den man an den Pranger stellen kann. Milcherzeuger müssen sich daher selbst wichtige Kernfragen stellen (Kasten rechts).


Kopf unter oder über Wasser:

Erschwerend kommt hinzu, dass die Situation der Milchviehhalter einzelbetrieblich sehr unterschiedlich ist. Differenzen in Höhe von bis zu 12 ct/kg bei den Produktionskosten sind nicht neu. Dass aber noch einmal über 5 ct/kg Differenz beim Auszahlungspreis in Abhängigkeit der Molkerei hinzukommen können, macht die Situation unerträglich. Es bedeutet nichts anderes, als dass die erfolgreichen Betriebe mit dem Glück der tüchtigen Molkerei beim aktuellen Preisniveau noch den Kopf über Wasser halten, wobei den anderen schlichtweg die Luft zum Atmen fehlt.


Regional betrachtet dürften die absoluten Grünlandstandorte am stärksten unter der Milchkrise leiden. Hier mangelt es häufig an einer Diversifizierung des Betriebseinkommens. Man ist fast ausschließlich von den Erlösen der Milchviehhaltung abhängig, wogegen Betriebe mit Veredlung, Ackerbau oder regenerativen Energien Umsatzeinbußen bei der Milch vorübergehend kompensieren können. Ebenso trifft es stark gewachsene Betriebe, weil hier der hohe Kapitaldienst die Liquiditätslage zusätzlich anspannt. Allerdings belasten gut geplante und langfristig finanzierte Wachstumsschritte die Wirtschaftlichkeit der Milcherzeugung weniger als eine schlechte Produktionstechnik.


Spannend ist, wie sich die deutsche und europäische Milchlandschaft verändern wird. Hierbei hilft ein Blick in den Rückspiegel. Von 2010 bis 2015 hielten sich gute und schlechte Jahre am Markt die Waage. Obwohl in dieser Zeit in Deutschland etwa jeder vierte Milchviehhalter die Produktion einstellte, stieg die erzeugte Menge um 10,3% auf 32,7 Mio. t. Der Verdrängungswettbewerb hat nicht zu einer Marktentlastung geführt, sondern zum Gegenteil. Das Wachstum der verbliebenen Betriebe und deren professionellere Erzeugung haben die Menge der ausgeschiedenen Betriebe mehr als kompensiert.


So überrascht es auch nicht, dass in diesem Zeitraum das stärkste Wachstum der Betriebe in den norddeutschen Bundesländern, also in den ohnehin überdurchschnittlich großen Kuhbeständen stattgefunden hat. Wer gehofft hatte, dass diese Expansion in den Milchhochburgen aufgrund der knappen Fläche, der Nährstoffproblematik oder teurer Arbeitskräfte ein Ende hätte, sieht sich getäuscht. Ob dieses Wachstum auch einzelbetrieblich immer richtig war, ist eine andere Frage.


Ein ganz ähnliches Bild zeigt sich auf EU-Ebene. Auch hier haben die Mitgliedsländer mit den ohnehin größten Betriebsstrukturen ein Mengenwachstum von bis zu 13% erzielt. Nur in zwei der 28 Mitgliedsländer war die Produktion rückläufig. EU-weit stieg die Milchmenge um 8,2% auf 163,2 Mio. t. Dieses Bild lässt sich unisono auf die weltweite Milchproduktion übertragen.


Und der Einzelbetrieb?

Im Weltmarkt, und mit nichts anderem haben wir es bei Konsummilch zu tun, tendiert die Möglichkeit der Einflussnahme des Einzelbetriebes gegen Null. Selbst der Zusammenschluss von Erzeugern oder das gemeinsame Auftreten von Molkereien dürfte angesichts des weltweiten Überhangs an Milch nur einen größen- und zeitmäßig begrenzten Effekt haben.


Um Missverständnissen vorzubeugen: Alles, was die Position von Milcherzeugern stärkt, ist zu unterstützen. Allein der Glaube, dass sich hierdurch marktwirtschaftliche Gesetze dauerhaft außer Kraft setzen ließen, darf nicht zur Verkennung der Realität führen.


So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Milchmenge bis vor Kurzem trotz oder gerade wegen sinkender Auszahlungspreise ständig gestiegen ist. Die hohe Festkostenbelastung, sowohl im Betrieb als auch im Privatbereich, erfordert einen gewissen Mindestumsatz, der sich bei rückläufigen Erlösen kurzfristig nur über eine Ausdehnung der Produktionsmenge halten lässt. Erst mit dem Erreichen der Produktionsschwelle, also der Unterdeckung der variablen Kosten, gingen in den letzten Wochen die Anlieferungsmengen spürbar zurück.


Die Krise am Milchmarkt dauert schon zwei Jahre an. Professionelle Milcherzeuger haben längst alle Register gezogen, die in solchen Phasen das Überleben sichern. Es wäre daher vermessen, an dieser Stelle noch eine „to do-Liste für erfolgreiche Milchproduktion“ zu präsentieren. Auch der gebetsmühlenartig vorgetragene Hinweis, dass die Schere zwischen den erfolgreichen und weniger erfolgreichen Betrieben immer weiter auseinander geht, darf bei den Betrieben, die sich am unteren Ende der Skala befinden, keine falschen Hoffnungen wecken. Neben den enormen Unterschieden in den produktionstechnischen Leistungen und der Festkosten-struktur kommt hier dem „Faktor Mensch“ eine ganz besondere Bedeutung zu.


Um kurzfristig die richtigen Entscheidungen zu treffen, sollte jeder Betriebsleiter zunächst seine Schmerzgrenze ausloten. Welcher Milchpreis wird individuell benötigt, um zumindest kurzfristig den Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können? Wenn diese Ansprüche mit der eigenen Einschätzung der Milchmarkt-entwicklung übereinstimmen, sollte an der Milchproduktion festgehalten werden.


Mit Abbildung 1 können Sie die Liquiditätsschwelle Ihres Betriebes überschlägig ermitteln. Stand heute fehlen den Milchviehbetrieben 10 ct/kg zur Liquiditätssicherung und weitere 10 ct/kg zur Vollkostendeckung.


Langfristig kann jedoch nur eine schonungslose Bestandsaufnahme eine Antwort geben, ob man am Milchmarkt bestehen kann und will (Kasten „Vier Kernfragen für die Zukunft“).


„Je tiefer die Krise, desto größer die Erholung“ lautet eine bekannte Börsenweisheit. Und tatsächlich, auch am Milchmarkt gibt es erste Signale, die auf einen raschen Preisanstieg deuten.


Wie geht’s weiter?

Doch damit ist die Krise nicht vorüber. Viel zu lange und zu niedrig waren die Milcherlöse, als dass sich die Betriebe davon schnell erholen könnten. Vor lauter Not wurden Anschaffungen nicht abschreibungskongruent finanziert und selbst für Betriebsmittelkredite wurden mehrjährige Laufzeiten verein-bart. Dieser Schuldenberg kann auf Jahre gesehen nicht abgetragen werden und weitet sich schon in der nächsten Schwächephase zu einer nicht mehr aufzuhaltenden Lawine aus. Dabei sind Betriebe mit hohem Kapitaldienst, geringer Faktorausstattung und mangelhaf-ter Produktionstechnik am ehesten gefährdet.


Spannend ist die Frage, welche Lehren Betriebe und Berater aus der aktuellen Situation ziehen. Führt die Krise tatsächlich zu einem Umdenken bei strategischen Entscheidungen, insbesondere bei Pachtzahlungen, Liquiditätsvorsorge und Betriebsentwicklungsschritten? Oder werden die gewonnenen Erkenntnisse schon in der nächsten Erholungsphase dem unbändigen Drang nach vermeintlicher Größe geopfert?


Die Milcherzeuger haben es selber in der Hand, ob Begriffe wie Vollkostendeckung, Eigenkapitalbildung und Arbeitsentlohnung wieder normal werden. -pl-

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