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Kahle Hautstellen müssen nicht sein!

Lesezeit: 8 Minuten

Was bei Kühen mit einer Hautabschürfung am Sprunggelenk beginnt, kann in einer starken Entzündung enden: Dabei sind durch die Stalleinrichtung verursachte Schäden vermeidbar.


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Unsere Autorin


Dr. Andrea Fiedler, Praxis für Klauengesundheit, München


Dr. Andrea Fiedler, Praxis für Klauengesundheit, München


Dr. Andrea Fiedler, Praxis für Klauengesundheit, München


Hautveränderungen an den Beinen, im Nacken und der Wirbelsäule von Rindern und Kühen sind Warnzeichen dafür, dass mit der Aufstallung etwas nicht stimmt. Diese sogenannten Technopathien sind in Milchvieh- und Rinderherden teils noch weit verbreitet. Dabei verschlechtern sie das Tierwohl und die Leistung.


Die Veränderungen reichen von abgerieben Haaren über offene und verkrustete Hautläsionen bis hin zu deutlichen Schwellungen und schweren Veränderungen, auch an Gelenken.


Vier Dauerbrenner


Vier Stellen am Körper von Kühen sind besonders gefährdet. Der Bereich rund um das Sprunggelenk (Tarsalregion) ist darunter die am häufigsten betroffene Region. Eine kanadische Studie konnte zeigen, dass 39% der Kühe in Lauf- und Anbindestallungen veränderte Sprunggelenke haben. Hautveränderungen in der Knieregion zeigten 14% (Laufstall) bzw. 17% (Anbindehaltung) der Tiere. Veränderungen am Nacken waren bei 1 bis 5% der Kühe zu finden.


Die Gründe, warum gerade diese Körperstellen anfällig sind, sind vielschichtig.


Tarsalregion: Am Sprunggelenk befinden sich keine polsternden Muskelbäuche. Zudem liegen dort einige Sehnenstränge und Schleimbeutel. Die Sprunggelenke sind lediglich von Haut bedeckt, die sehr wenig Unterhautfett hat.


Es gibt zwei Hauptursachen, durch die Veränderungen am Sprunggelenk in der Regel auftreten:


Zum einen sind es Hautveränderungen in Form von Liegebeulen bis hin zum Dekubitus (sogenanntes Wundliegen) der Haut. Übermäßiger und wiederholter Druck auf derselben Stelle führt zu einer Minderdurchblutung der betroffenen Haut. Auf Dauer stirbt dieser Hautbereich ab.


Solche Liegebeulen an den Sprunggelenken entstehen bei Kühen in Hochboxen eher auf der Außenseite des Beins. Schäden auf den Innenseiten entstehen, wenn die Tiere ihre Hinterbeine über die Boxenkante hinaushängen müssen.


Zum anderen führen starker Druck und Erschütterungen beim Hinlegen zu Entzündungen und Schwellungen an den Schleimbeuteln und Sehnen. Keime spielen dabei zunächst keine Rolle. Schwere bakterielle Entzündungen entstehen aber dann, wenn die Hautbarriere geschädigt ist oder Erreger von weiteren Entzündungen, z.B. in der Klaue, aufsteigen.


Sprunggelenksveränderungen kommen besonders bei lahmen Kühen vor. Denn sie liegen längere Zeit am Stück und bei schwerer Lahmheit auch insgesamt länger. Auch abgemagerte Tiere neigen eher zu Dekubitalstellen, da die Polsterung durch das Unterhautfett nahezu vollständig fehlt. Ebenso fällt auf: Je weiter die Laktation voranschreitet, desto häufiger zeigen die Tiere Veränderungen. Das liegt vermutlich daran, dass sie sich schon länger in der gleichen Haltungsumgebung aufhalten.


Kniegelenk: Schäden am Kniegelenk treten häufig in Betrieben mit glatten Betonböden auf. Kritische Stallbereiche sind der Vorwartehof am Melkstand und der Fressgang. Denn diese sind prädestiniert für Rangkämpfe. Dann rutschen Tiere aus, schlagen mit dem Knie auf den Boden und verletzen sich dabei an der Haut, den Schleimbeuteln oder an Gelenkknorpel und Knochen. Infolgedessen schmerzt das Kniegelenk der Tiere beim Auftreten oder bei jeder Bewegung. Die Kühe gehen lahm, ohne zwangsläufig ein Klauenproblem zu haben.


Nacken: Hautveränderungen am Nacken sind ein Zeichen für falsch eingestellte Nackenriegel – sowohl in den Liegeboxen als auch am Futtertisch.


Auch ein zu enges Halsband im Anbindestall kann ein Grund sein.


Wirbelsäule: Da die Dornfortsätze an den Wirbeln quasi ungepolstert sind, können sich Kühe dort leicht verletzen. Drücken die Tiere mit dem Rücken gegen die seitlichen Abtrennungen in den Liegeboxen, entstehen die auffälligen Veränderungen an der Lenden- und Kreuzwirbelsäule. Ein weiterer Grund kann sein, dass die Tiere mit dem Hinterteil unter die Abtrennbügel rutschen. Beim Aufstehen bleiben sie dann hängen. Häufig entstehen dadurch Schwellungen im Wirbelbereich. Auf Dauer kommt es zu offenen Stellen.


Besser Vorsorgen


Technopathien sind vermeidbar und zeigen deutlich, dass es noch Stellschrauben in der Haltung gibt. So sorgen Sie vor:


Liegeboxen: Jede Kuh braucht einen Liegeplatz mit verformbarer, sauberer Oberfläche und passenden Steuerungsvorrichtungen. Milchviehhalter sollten dazu die Einstellungen der Liegeboxen nach den größten 10–25% der Tiere in der Herde ausrichten. Deren Durchschnittsmaße sind entscheidend.


Der Abstand zwischen der Liegefläche und dem seitlichen Abtrennungsbügel sollte je nach Größe der Tiere etwa 60 bis 80 cm betragen. Ab 65 cm besteht die Gefahr, dass die Kühe unter die Bügel rutschen, wenn die restlichen Boxenmaße nicht passen. Für den Abstand zum Nackenriegel gelten bei Holstein- und Fleckviehkühen Richtwerte von etwa 1,25 bis 1,33 m.


Sind die Boxen zu kurz, kann es schon helfen, den Nackenriegel falls möglich mit Distanzstücken nach oben (und ggf. nach vorne) zu verschieben. Alternativ schaffen gewellte Nackenrohre mit einer Aussparung im Mittelteil Platz. Dann liegen die Tiere tiefer in der Box. Auch ein Abtragen der Bugschwelle auf höchstens 10 bis 15 cm verbessert den Liegekomfort.


Eine Tiefbox sollte immer komplett gefüllt und eben eingestreut sein, damit die Kühe nicht an die hintere Begrenzung stoßen, sondern leicht darüber liegen.


Hochboxen sollten Milchviehhalter mit einer nachgiebigen Oberfläche, wie beispielsweise Gummimatten ausstatten. Auch diese müssen sie vollständigen einstreuen. Hierzu eignet sich Strohhäcksel sehr gut. Strohmehl ist hingegen oft zu fein. Harte oder zu trockene, aber auch sehr feuchte Holzspäne können an der Haut reiben, gute Weichholzspäne sind allerdings eine mögliche Alternative. Wer Einsteu aus oder mit Kalk- oder Gesteinsmehl benutzt, sollte auf eine mikrofeine Vermahlung von weniger als 0,09 mm achten. Ansonsten kann dieses in Hochboxen die gleiche Wirkung auf der Kuhhaut wie Schmirgelpapier erzeugen.


Futtertisch: Der Futtertisch sollte 20 cm höher liegen als die Standfläche. Für Nackenrohre und Fressgitter gilt auch hier: Die oberste Begrenzung muss für die 10% größten Tiere der Herde passen. Zieht man 15% von der durchschnittlichen Größe dieser Tiere ab, ergibt dies den empfohlenen Abstand des Rohrs zur Standfläche. Eine Neigung des Fressgitters oder Nackenrohrs zum Futtertisch hin ist ebenso positiv. Das oberste Rohr kann dafür rund 20 cm vor der unteren Begrenzung liegen.


Mit einem ausreichendem Futterangebot und häufigem Anschieben angeln die Rinder weniger nach Futter und pressen sich so seltener gegen die Stangen.


Boden: Wer beim Gang über den Betonboden selbst schon ausrutscht, kann sich sicher sein, dass dieser auch für Kühe zu glatt ist. Nicht nur schlitternde Kühe zeigen an, dass eine Bodensanierung nötig ist. Wenn die Kühe in kurzen Schritten laufen, Brunsten undeutlich zeigen oder das Hinterbein zum Lecken am Hinterteil nicht anheben, sind das ebenso Anzeichen für glatte Böden.


Bei Einsatz der üblichen Betongüteklassen sind auch mit Besenstrich aufgeraute Laufflächen sowie Betonspaltenböden oft nach fünf bis acht Jahren nicht mehr geeignet.


Mehr Halt auf der Lauffläche erhalten Kühe durch das saubere Schneiden von Rillen (1,3 cm tiefe Rillen mit 1,9 cm Abstand) oder mit geeigneten Gummimatten.


Krankenstall: Erkrankte Kühe genesen am besten in einem separaten Krankenstall. Ein sehr weicher sowie trittsicherer Untergrund und Liegebereich (beispielsweise Tiefstreu) beugen hier dem Wundliegen und weiteren Verletzungen durch Grätschen vor.


Richtig Behandeln


Sind die Ursachen für Technopathien behoben, heilen oberflächlicher Haarverlust, Abschürfungen und leichte Hautverdickungen normalerweise von allein.


Wunden müssen Landwirte täglich unter fließendem Wasser reinigen und Verkrustungen dabei vorsichtig lösen. Anschließend sollte ein desinfizierendes und abdeckendes Spray oder eine Wundsalbe auf die Wunde aufgetragen werden, um die Heilung zu unterstützen. Diese müssen nicht unbedingt ein Antibiotikum enthalten. Eine sogenannte Zugsalbe hilft bei Schwellungen mit leichten Entzündungen im umgebenden Gewebe.


Spätestens bei einem Abszess muss der Hoftierarzt eingreifen. Eine Ultraschalluntersuchung gibt Aufschluss über den Zustand des Abszesses. Alternativ untersucht der Arzt die Füllung mit einer Punktion. Liegt eine eitrige Entzündung vor, ist der Abszess entweder bereits offen oder der Tierarzt spaltet ihn. Anschließend sind regelmäßige Spülungen bis zur vollständigen Abheilung notwendig. Bricht die Entzündung des Abszesses in Gelenke ein, kann sich die Lage der Kuh dramatisch verschlechtern. Das ist besonders im Nacken- und Wirbelsäulenbereich gefährlich.


Bandagen lindern Druck


Für die Behandlung von Liegebeulen und anderen Verletzungen am Sprunggelenk eignen sich auch spezielle Bandagen. Diese polstern das Gelenk und regen zudem die Durchblutung an.


Praxiserfahrungen zeigen, dass solche Bandagen leichter zu handhaben sind als Verbände mit Watte. Zudem können Milchviehhalter sie mit Klettverschlüssen gut fixieren und bei Bedarf nachjustieren.


Für die Behandlung legt der Landwirt eine Wundauflage in die Bandagenschale, die er regelmäßig wechselt. Die Wundauflage wird ohne weitere Medikamente die Wundflüssigkeit aufsaugen und das Zuwachsen der Verletzung fördern. Offene oberflächliche Wunden heilen so innerhalb von ein bis zwei Wochen ab. Auch tiefere Veränderungen des Gewebes heilen mit Bandage schneller. Die Bandage ist waschbar und viele Male bei verschiedenen Tieren einsetzbar.


julia.hufelschulte@topagrar.com

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