Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Krisen bestmöglich meistern

Lesezeit: 4 Minuten

Coronabedingt befindet sich die Milchbranche in der Krise. Einige Molkereien bieten ihren Lieferanten an, Festpreise abzusichern. So steht der Preis zumindest für einen Teil der Milchmenge vorab fest.


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Coronakrise hat eindrucksvoll gezeigt, wie schnell sich das Blatt wenden kann: Während Marktexperten vor der Jahreswende für 2020 noch stabile bis steigende Preise vorhersagten, sieht die Situation heute ganz anders aus. Bereits im April brach der Absatz ein und erste Molkereien forderten ihre Erzeuger auf, die Milchmenge zu reduzieren. Im gleichen Monat rasselten die ersten Auszahlungspreise schon unter die 30-Cent-Marke.


Seit 2007 sind Preisschwankungen auf dem Milchmarkt in Europa und in Deutschland Realität. Hintergrund sind die Deregulierungen auf dem EU-Milchmarkt wie die Absenkung der Interventionspreise, die Abschaffung der Milchquote sowie die hohen internationalen Preisschwankungen.


Weniger Risiko dank Börse


Seither beschäftigt sich das ife Institut für Ernährungswirtschaft in Kiel mit dem effektiven Risikomanagement in der Wertschöpfungskette Milch. Im Zuge dessen entwickelte Prof. Dr. Holger Thiele, Leiter der Rohstoffbewertung am ife Institut, im Jahr 2010 den Kieler Börsenmilchwertindex. Es handelt sich dabei um einen Rohstoffwert für Milch auf Basis der Börsenkurse für Butter und Magermilchpulver. Auf Grundlage des Index entstand 2017 das Milchfestpreismodell für europäische und deutsche Molkereien. Ziel des Modells ist, die Preisunsicherheit der Lieferanten für vorab festgelegte Mengen zu reduzieren. Die Molkerei bietet den Erzeugern dabei einmal oder mehrmals im Monat für die zukünftigen zwölf Monate einen festen Milchpreis. Dieser gilt für eine definierte Gesamtmenge an Milch pro Liefermonat. Die Gesamtmenge, die die Molkerei in das Festpreismodell einstellt, legt sie selbst fest. Es eignen sich die handelbaren Milchprodukte wie Sahne oder Butter.


Jeder Lieferant der Molkerei entscheidet nach Erhalt der zwölf Preisangebote, in welchem Monat er einen Teil seiner Milchmenge über das Festpreismodell absichern möchte. Je nach Molkerei liegt die Mindestmenge bei 1000 bis 10000 kg Milch je Landwirt und Monat. Die Höchstmenge variiert von 30 bis 50% der Monatsmenge des Betriebes.


„Der Vorteil des Modells ist, dass die Molkereien den Milcherzeugern endlich einen festen Milchpreis für die Zukunft anbieten können, ohne dabei selbst zu stark ins Risiko zu gehen“, verdeutlicht Thiele. Würden die Molkereien dabei erhöhte Risiken in Kauf nehmen, müssten am Ende die Lieferanten darunter leiden. Denn das Risiko würde sich im Genossenschaftsmodell in Form eines Preisabschlags auf den Auszahlungspreis wiederfinden.


Die Milchpreisabsicherung stellt für Molkereien einen zusätzlichen Aufwand dar. An den Kosten beteiligen sich allerdings nur die Lieferanten, die auch Menge an der Börse platzieren.


Rechenbeispiel


Das Preismodell funktioniert so, dass Molkereien ihren Lieferanten einen etwas niedrigeren Festpreis anbieten als den, der an der Börse ausgewiesen ist. Bei einem Börsenmilchwert von beispielsweise 34,5 ct/kg, sendet die Molkerei ihren Mitgliedern ein Festpreisangebot von zum Beispiel 33 ct/kg Milch zu (4% Fett, 3,4% Eiweiß, ab Hof, zzgl. MwSt.). Die Differenz von 1,5 ct entsteht zum einen durch die Zusatzkosten, die der Molkerei für die Absicherung entstehen. Zum anderen berücksichtigt die Molkerei zusätzlich, wie hoch die Basis, also der Abstand zwischen den eigenen Verkaufspreisen und den Börsenpreisen ist. Das kann sich beispielsweise in 1 ct/kg Milch ausdrücken.


Die Molkerei bündelt die von den Lieferanten angebotene Menge und gibt anschließend die Info, ob diese zu dem entsprechend abgesicherten Preis platziert werden konnte.


Bei Marktschwäche sinken sowohl die Börsenkurse als auch die Preise des physischen Markts. Würden die Preise für Butter, Magermilchpulver und andere Milchprodukte zum Beispiel um 3 ct/kg fallen, wären dem Landwirt seine zuvor abgesicherten 33,0 ct/kg dennoch sicher. Auch wenn der Verkaufswert der Molkereiprodukte zu dem Zeitpunkt umgerechnet nur noch 30,5 ct/kg Milch betragen sollte. Ziehen die Preise des physischen Marktes hingegen deutlich an, nimmt er die Preisspitze nicht mit. Auch dann bekommt er 33,0 ct/kg.


Kein Börsenwissen nötig


Für die Nutzung des börsenbasierten Festpreismodells ist kein Börsenwissen notwendig. Die Milcherzeuger müssen lediglich die Entscheidung für oder gegen ein Festpreisangebot treffen. „Es geht nicht um den höchsten Milchpreis, sondern um die Verhinderung von Niedrigpreisen und die Sicherung von Deckungsbeiträgen“, bringt es Thiele auf den Punkt.


Im Frühjahr 2018 setzte Nordseemilch eG Witzwort in Schleswig-Holstein das Modell als erster deutscher Milchverarbeiter um. Der Finanzdienstleister Intl FCStone unterstützte bei der nötigen Abstimmung und Anbindung der Festpreise an die Börsenkurse.


Als erste süddeutsche Molkerei bietet Hohenlohe den Lieferanten seit April 2019 das börsenbasierte Festpreismodell an. Die Abwicklung erfolgt für Lieferanten und Molkereien direkt durch eine von einem Softwareanbieter erstellte digitale Milchplattform der Molkerei Hohenlohe. Inzwischen bieten mehrere, teils sehr große Milchverarbeiter in Deutschland ihren Lieferanten das Festpreismodell der digitalen Milchplattform an. ▶


kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.