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Kuh-Garten: Ein Stall der Zukunft?

Lesezeit: 6 Minuten

Im holländischen Groenlo steht der erste Garten-Stall für Milchkühe. Was steckt hinter dem Pilotprojekt? top agrar gibt einen exklusiven Einblick.


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In meinen Job als Redakteur habe ich schon viele Kuhställe gesehen – oft nigelnagelneu und mit modernster Technik ausgestattet. Doch als ich Mitte September im Stall von Familie Bomers in Groenlo (Niederlande) stand, musste ich mir die Augen reiben: In dem Freilaufstall stehen und liegen die Kühe auf einem weichen Boden, der einer Weide gleicht. Ein Roboter fährt durch die Herde und sammelt die Kuhfladen ein. Bäume und Blumen wachsen mitten Stall. Und wenn die Pflanzen Wasser benötigen, springt die Beregnung an.


Ziele des Projekts:

Bei Bio-Milcherzeuger Chris Bomers steht der erste Kuh-Garten. Vier Partner aus Praxis und Industrie haben das Konzept entwickelt (vgl. Kasten „Stallkonzept vom Gärtner“ auf Seite R 8).


Der Stall passt sich der Landschaft an und soll den Kühen so natürliche Lebensbedingungen wie möglich bieten. Damit verfolgen die Entwickler drei Kernziele, die in den Niederlanden sehr wichtig sind, aber auch ohne weiteres auf Deutschland zutreffen:


  • Das Wohlbefinden der Kühe und somit die Lebensdauer steigern.
  • Die Emissions-Ausscheidung in der Milchviehhaltung senken.
  • Die öffentliche Diskussion über große Kuhställe auffangen und das gute Image der Milchviehhalter halten.


Um das zu erreichen, haben die Entwickler innovative Konzepte im Stall umgesetzt.


Der komplette Kuhstall ist 110 m lang und 35 m breit. In der Mitte steht eine Melkroboter-Insel. Sie teilt den Stall in zwei Hälften: Auf der einen Seite ein konventioneller Stall mit Liegeboxen, auf der anderen Seite der Kuh-Garten ohne Liegeboxen. Mit 15 bis 20 m2 pro Kuh ist das Platzangebot im Freilauf-Stall des Kuh-Gartens doppelt so hoch wie in dem „normalen“ Stall.


Viel Licht und Luft:

Der komplette Stall ist als Veranda-Stall ausgeführt, der einem Gewächshaus ähnelt. Das ist besonders für den Kuh-Garten wichtig: Die Seitenwände haben eine Traufhöhe von 5,50 m und sind komplett offen. Das Dach besteht aus mehreren Bögen. Diese sind mit einer Plane und einem Schattentuch umspannt. Zwischen den einzelnen Bögen sind Dachrinnen installiert, damit das Regenwasser abfließt.


Die offenen Seiten und das helle Dach lassen viel Licht und Luft für die Kühe und Pflanzen in den Stall, schützen aber dennoch vor zu starker Son-neneinstrahlung. Der Luftaustausch erfolgt über Querlüftung.


Lange getüftelt haben die Konstrukteure, bis der Stallboden im Kuh-Garten ähnliche Eigenschaften hatte wie eine Weide. Er ist weich, die Klauen der Kühe sinken leicht ein. Die Tiere können gut laufen und vor allem bequem abliegen und aufstehen. Gleichzeitig ist die Oberfläche aufgeraut, damit sie nicht ausrutschen.


Um das zu erreichen, besteht der Boden aus mehreren Schichten: Ganz oben befindet sich eine Gewebelage, darunter ein Abflussboden und ganz unten eine Folie sowie 15 cm Recycling-Material.


Weiterer Vorteil der Schichten: Urin und Kot werden direkt getrennt, das senkt die Ammoniak-Emissionen. Denn je länger Urin und Kot zusammen sind, desto mehr Ammoniak entsteht.


Der Boden nimmt Urin auf. Dieser fließt bis zur mittleren Bodenschicht und von dort aus weiter in einen Sammelbehälter, der neben dem Stall steht. Die gesammelte Flüssigkeit bringt Bomers als Wirtschaftsdünger auf seinen Feldern aus. Das ist effizient und kann das Nährstoff-Konto entlasten.


Roboter sammelt Kot.

Der Kot bleibt hingegen auf dem Boden liegen. Ein Roboter sammelt ihn auf.


Dieser ist elektronisch angetrieben und soll künftig vollkommen autonom über Sensoren arbeiten. Derzeit feilen die Konstrukteure noch an der Feinjustierung. Der Roboter hat eine Arbeitsbreite von 1,60 m. Zwei gegenläufige Bürsten nehmen den Kot auf. Ein Elevator fördert das Material in den Bunker. Sobald dieser voll ist, fährt der Roboter an den Abwurfschacht und entlädt den Bunker. Am Abwurfschacht befindet sich auch die Ladestation.


Den Kot vergärt Bomers zunächst in seiner Biogasanlage. Das Gärsubstrat separiert er. Mit dem separierten Gärsubstrat möchte er künftig die Liegeboxen in der anderen Stallhälfte einstreuen. Oder er verkauft es als Düngemittel und exportiert somit Nährstoffe aus seinem Betrieb.


Insgesamt durchlaufen neun Beete den Freilaufstall. Sie sind jeweils 90 cm breit, der Stallboden ist an diesen Stellen ausgespart. Dort wachsen Bäume wie Buchen und Ahorn oder Kletterpflanzen wie Efeu.


Die Kühe sollen die Zweige und Blätter der Pflanzen fressen. Deshalb haben die Stallentwickler nur Pflanzen verwendet, die für Kühe verträglich sind bzw. deren Gesundheit fördern. Damit die Tiere die Beete allerdings nicht komplett kahl fressen, sind sie mit Stahlmatten und einem Stromdraht umzäunt.


Unterirdisch ist eine Bewässerung für die Pflanzen verlegt. Zusätzlich springt regelmäßig noch die Beregnung im Kuhstall an. Das hat mehrere Effekte: Die Tröpfchen-Bewässerung versorgt die Pflanzen mit Wasser und befreit sie von Staub. Zusätzlich verbessert sich das Stallklima: Vor allem an heißen Sommertagen kühlt sich die Luft im Stall ab, davon profitieren die Kühe.


Mit dem Kuh-Garten wollen die Projektpartner aber auch einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Sie wollen die Beziehung zwischen Verbraucher und moderner Milchproduktion verbessern. Dafür ist der Betrieb Bomers ideal.


Besucher anlocken:

Der Milcherzeuger betreibt nur wenige Meter vom Kuhstall entfernt den Naturpark De Leemputten. Zahlreiche Touristen besuchen den Park jedes Jahr. „Ich könnte mir gut vorstellen, einen Wanderweg vom Naturpark zum Kuh-Garten zu erstellen, um die Touristen hierhin zu locken“, sagt Bomers.


Eine Besucher-Plattform hat der Milcherzeuger bereits über der Melkroboter-Insel errichtet, ein Hof-Café ist geplant. Die Verbraucher hätten einen guten Blick in den Kuh-Garten – und in die andere Stallhälfte.


Dort gibt es sechs Liegeboxen-Reihen mit insgesamt 180 Tiefboxen. Der Futtergang ist 4,00 m breit, die Laufgänge 3,25 m. Die Kühe laufen auf einem Schlitz-Flur-Boden. Auch damit lässt sich der Ammoniak-Ausstoß reduzieren, da sich der Urin in den Rillen ansammelt und somit vom Kot getrennt ist. Die Behörde hat für den Boden einen Ammoniak-Ausstoß von 7,6 kg pro Kuh und Jahr unterstellt, normaler Spaltenboden liegt bei 9,5 kg.


Aufstocken?

Derzeit stehen rund 150 Kühe im Stall, die meisten in der konventionellen Stallhälfte, nur wenige im Kuh-Garten. Denn der Pilotstall befindet sich noch in der finalen Phase der Fertigstellung. Noch läuft noch nicht alles rund, vor allem die Steuerung des Mist-roboters macht noch etwas Probleme.


Künftig möchte Bomers zunächst zwei Melkroboter in der konventionellen Stallhälfte und einen Melkroboter im Kuh-Garten auslasten. Im Kuh-Garten sollen dabei vor allem die Frisch-melker stehen. Sollte irgendwann alles gut funktionieren und der Milchpreis mitspielen, könnte er noch einen weiteren Melkroboter anschaffen und die Herde aufstocken. P. Liste

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