Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Aus dem Heft

„Lebensleistung ist Kopfsache“

Lesezeit: 7 Minuten

Obwohl Landwirte eine hohe Lebensleistung anstreben, scheiden zu viele Kühe in der ersten Laktation aus. Woran liegt das und wo gibt es Reserven?


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Einmal eine 100000-kg-Kuh im Stall stehen zu haben – davon träumt fast jeder Milchviehhalter. Denn diese Kühe sind robust, geben konstant viel Milch und werden tragend. Ein Grund stolz zu sein. Es gibt noch einen Grund sich zu freuen: Sie haben ihre Aufzuchtkosten längst erwirtschaftet und melken gewinnbringend.


Es ist kein Geheimnis, dass Färsen rund 1700 € verschlingen, bevor sie einen Tropfen Milch gegeben haben. Dennoch gehen viele ab, bevor sie diese Kosten wieder raus haben. „Bauern sollten 30000 kg Lebensleistung anvisieren, wenn sie rentabel Milch produzieren wollen – und zwar rasseunabhängig“, sagt Reinhard Korndörfer vom LKV Bayern.


Ziel müssen 30000 kg sein.

Auch Dr. Anke Römer, Leiterin des Instituts für Tierproduktion der Landesforschungsanstalt in Dummerstorf in Mecklenburg-Vorpommern, meint, dass jeder Betrieb eine durchschnittliche Lebensleistung von 30000 kg schaffen sollte und auch kann. Bundesweite Lebensleistungen nach Rassen werden nicht veröffentlicht. Jedoch lässt sich an den Auswertungen des Rechenzentrums vit von mehreren Bundesländern und Luxemburg ablesen, dass die Lebensleistung in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen ist. Demnach liegt die erreichte Lebensleistung der gemerzten Tiere im Jahr 2014 bei gut 26200 kg Milch. Die Ergebnisse streuen stark und reichen von rund 22700 kg beim Fleckvieh in Bayern (im Jahr 2015) bis über 27500 kg der überwiegend von Holstein-Kühen geprägten Herden in Niedersachsen (im Jahr 2014). Woran liegt es, dass die Bestände hinter den Erwartungen zurückbleiben?


Merzung in 1. Laktation:

Eine Untersuchung des Instituts für Tierproduktion in Dummerstorf an 60000 Kühen von 2005 bis 2015 zeigt, dass 29% der Kühe in Mecklenburg-Vorpommern in der ersten Laktation gemerzt wurden. Um herauszufinden, wo dort der Knackpunkt liegt, haben sich die Wissenschaftler die Daten genauer angeschaut: „24% der Jungkühe verließen innerhalb der ersten 30 Laktationstage den Bestand“, sagt Dr. Römer. Dabei spielt die Immunabwehr eine entscheidende Rolle: Bis zum 30. Laktationstag wurden 43% aller Behandlungen je Kuh und Laktation durchgeführt. Das zeigt, dass die Managementfehler bei und nach der Geburt gravierend sind.


„Auffällig ist, dass die neuen Bundesländer in der Nutzungsdauer ca. vier Monate hinter den alten Bundesländern zurückliegen. Die Schere schließt sich aber. Ein wichtiger Grund dürften die teils sehr frühen Abgänge in Großbetrieben mit Lohnarbeitskräften sein“, fügt Prof. Dr. Hermann Swalve von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Halle (Saale) hinzu.


Dr. Römer sieht das Management in folgenden Punkten verbesserungsfähig:


  • Kondition: Färsen vor der Kalbung nicht zu fett werden lassen.
  • Kalbung: Färsen beim Abkalben Zeit lassen und eine Möglichkeit geben, sich abzusondern. Sie lassen sich schnell ablenken. Eine gut gemeinte häufige Kontrolle verzögert den Geburtsverlauf. Das macht letztendlich Geburtshilfe nötig und steigert das Risiko von Geburtsverletzungen. Eine Überwachungskamera könnte das Problem lösen.
  • Hygiene: Offene Geburtswege nach der Kalbung erfordern einen absolut sauberen Liegebereich. Oftmals wird jedoch mehr auf die Sauberkeit in den Liegeboxen der laktierenden Kühe geachtet, als auf die in den Abkalbeboxen. Ein ebenso großer Fehler ist es, Kranke und Frischmelker zusammen zu halten. Das begünstigt Gebärmutter- und Euterentzündungen.
  • Kälberfütterung: Landwirte, die ihre Kälberfütterung noch nicht auf ad libitum-Fütterung umgestellt haben, sollten es tun. Die Leistungsfähigkeit und Robustheit wird wesentlich durch die Versorgung in den ersten Lebenswochen entschieden. Gegenüber der restriktiven Fütterung sinkt daher das Erstkalbealter und steigt die Milchleistung. Vor allem aber reduziert es deutlich die Merzungsrate in der ersten Laktation, wie Untersuchungen bewiesen haben.


Um Reserven in der Lebensleistung herauszukitzeln, reicht es aber nicht, Zwangsmerzungen zu reduzieren. „Die Landwirte müssen auch bei den gezielten Abgängen umdenken“, meint Dr. Römer. Aus Angst ihre Tiere könnten nicht für die Bestandsergänzung ausreichen, verkaufen viele ihre weibliche Nachzucht nicht.


„Stattdessen lassen sie ihre jungen Kühe abgehen. Das ist fatal, wenn man bedenkt, dass eine Kuh drei bis vier Laktationen braucht, bis sie sich amortisiert hat.“ Dazu sollte man sich vor Augen führen, dass Kühe im Vergleich zur ersten Laktation in der vierten Laktation im Mittel 18% mehr Milch geben. Eine Altkuh liegt in der Milchleistung immer noch höher als eine Jungkuh über Zuchtfortschritt an Mehrleistung bietet.


Außerdem rechtfertigen viele Bauern das Merzen ihrer Altkühe mit dem höheren Aufwand für Behandlungen und Medikamente. „Das ist zwar richtig“, sagt Dr. Römer, „trotz alledem ist es rentabler, die Altkuh zu behalten und stattdessen die Färse bzw. schon die Kälber zu verkaufen.“


Ein weiterer Aspekt, bei dem die Psychologie scheinbar eine Rolle spielt, ist die Zwischenkalbezeit. „Aus Angst, die Kühe zu einem späteren Zeitpunkt in der Laktation nicht mehr tragend zu bekommen, fangen viele Landwirte an, die Tiere ab dem 42. Tag zu besamen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Eine Untersuchung des Instituts in Dummers-torf zeigte, dass Kühe die höchste Lebensleistung mit einer Zwischen-kalbezeit von 431 bis 460 Tagen erreichen (vgl. top agrar 12/2015, ab Seite R22). Wenn auch das Management einen großen Einfluss auf die Lebensleistung hat, ist es nicht der allein entscheidende Faktor. Auch die Zucht auf Nutzungsdauer und Milchleistung spielt bei der Entwicklung der Lebensleistung eine Rolle. Die setzt sich aus diesen beiden Parametern zusammen.


Genomische Selektion:

„Die Nutzungsdauer steigt im Vergleich zur Milchleistung vergleichsweise langsam an, jedoch sollte sie sich in fünf Jahren merklich verbessern“, prophezeit der Tierzucht-Experte.


Dazu hat nicht nur die stärkere Gewichtung der Funktionalitäts -und Gesundheitsmerkmale im Gesamtzuchtwert bei den Holstein-Rassen ab dem Jahr 2002 beigetragen. „Bei der Auswahl der Bullen für die künstliche Besamung haben die Landwirte noch mehr Wert auf die Langlebigkeit gelegt, als im offiziellen Zuchtziel vorgesehen ist“, berichtet Prof. Swalve.


Zudem könnte die genomische Selektion die Lebensleistung pushen, meint der Wissenschaftler. Denn der Zuchtfortschritt wird durch die genomische Selektion schneller übertragen. Das betrifft Bullen ab dem Geburtsjahrgang 2010. „Aber auch diese Töchter werden erst ab 2016 die Chance haben, mehr als drei Jahre Nutzungsdauer aufzuweisen.“ Nach Dr. Römers Hochrechnungen wird die durchschnittliche Lebensleistung der gemerzten Kühe im Jahr 2020 die 31000 kg-Marke knacken.


Der Wegfall der Quote könnte seinen Anteil zur Steigerung der Lebensleistung beitragen. Darüber sind sich Experten einig. Denn es gibt kein Marktinstrument mehr, das die Milchleistung drosselt.


LKV Bayern hilft.

Um die Milchviehhalter in Bayern bei der Erhöhung der Lebensleistung zu unterstützen, bietet der LKV seinen Mitgliedern Anpaarungsberatung an. „Uns geht es vor allem darum, Mängel im Exterieur festzustellen und die Kühe robuster und fitter zu machen“, sagt Korndörfer. Die Steigerung der Milch-leistung steht nicht mehr so im Vordergrund.


Stattdessen sollte man sich in Zucht und Management mehr auf Fruchtbarkeit, Eutergesundheit und solide Fundamente konzentrieren. Das sind im bundesweiten und rasseübergreifenden Schnitt die drei häufigsten Abgangsgründe.


Schaut man sich in Bayern die Rassen Fleckvieh, Braunvieh und Schwarzbunte getrennt voneinander an, so stellt man fest, dass Fleckviehkühe häufiger wegen zu geringer Leistung abgehen als Schwarzbunte (10,8% gegenüber 5,8%).


Das verwundert nicht, schließlich ist beim Fleckvieh auch die Bemuskelung Teil des Zuchtziels. Ob man eine Fleckviehkuh merzt oder nicht, hängt auch von den Fleischpreisen ab. Korndörfer warnt deshalb davor, Fleckviehkühe mit anderen Milchviehrassen bei der Lebensleistungs-Diskussion in einen Topf zu werfen.


Dahingegen sind die leichten Braunvieh-Kühe, die vom Exterieur her für die Gebirgsregionen prädestiniert sind, in puncto Lebensleistung und Nutzungsdauer von keiner der anderen Rassen zu schlagen.


Die steigende Nutzungsdauer und Lebensleistung kann Milchviehhalter ohne Zweifel erfreuen. Immerhin ist das ein entscheidender wirtschaftlicher Faktor für den Betrieb.


Eine noch genauere und objektivere Auskunft über die Wirtschaftlichkeit gibt die Leistung pro Lebenstag (auch Lebenseffektivität genannt). Denn schließlich ist es ein Unterschied, ob eine Kuh 30000 kg in fünf oder sechs Lebensjahren erreicht.


Sicherlich sind die Nutzungsdauer und Lebensleistung noch nicht da, wo sie sich viele Milcherzeuger selbst wünschen. Aber sie arbeiten daran. Das sollten auch Kritiker bei ihren Diskussionen berücksichtigen.


Svenja Pein

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.